Die Muttergottes mit dem Jesuskind wurde von ­Matthias Faller mit meisterhafter Sorgfalt gearbeitet. Foto: Schwarzwälder Bote

Ein Blickfang für Touristen, Kunstfreunde und Gläubige

"Ein Halt lohnt sich", "Verdient einen Umweg" oder "Besonders sehenswert!" – solche Hinweise kennt jeder, der gerne reist. Längst hätte ein kulturelles Kleinod des Schwarzwald-Baar-Kreises es verdient, als Sehenswürdigkeit mehr in den Blick gerückt zu werden: die denkmalgeschützte Allerheiligen-Kirche im Vöhrenbacher Ortsteil Urach.

Schwarzwald-Baar-Kreis. Das Gotteshaus liegt direkt neben der L 180, die von Hammereisenbach durch die rund zehn Kilometer lange Talaue des Urach-Baches zur Kalten Herberge führt. Sein eigenwillig proportionierter karminroter Zwiebelturm ist für jeden Durchreisenden ein einprägsamer Blickfang und zugleich auch Wahrzeichen des Dorfes Urach. Jeder, der das nicht zu übersehende Bauensemble wahrnimmt, mag sich fragen, wie so etwas in ein nur wenig besiedeltes Gebiet im hier 900 Meter hohen Schwarzwald kommt. Die Antwort ist einfach: Das Urachtal diente ab dem elften Jahrhundert bis etwa 1770 als Hauptverbindungsweg von Villingen oder von der Baar nach Freiburg und umgekehrt. Die Uracher Kirche wird schon 1275 in einem kirchlichen Besteuerungsbuch erwähnt, dürfte aber für bäuerliche Siedler schon etliche Jahrzehnte früher bestanden haben.

Wahrscheinlich aus dem zwölften Jahrhundert stammt die quadratische Basis des Kirchturms. Das bezeugen noch die romanischen Rundbögen, die knapp unterhalb des aufgesetzten, achteckigen Glockengeschosses eingebaut sind. In der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde dann das Bauwerk umgestaltet. Es entstand während rund drei Jahrzehnten die Barockkirche, wie sie sich heute samt Zwiebelturm und Friedhofsmauer präsentiert.

Irrtümliche Vermutung

Wer die Uracher Kirchenanlage aus einiger Entfernung betrachtet, auf den mag sie wie eine Wehrkirche wirken – das heißt wie ein Gotteshaus, das in einem Krieg der Verteidigung dient. Solch ein durch die Fantasie angeregter Schein trügt allerdings: Der Kirchturm müsste in diesem Fall Schießscharten aufweisen. Zudem sind auch nirgends Bauten vorhanden, in denen zum Beispiel Lebensmittelvorräte hätten gelagert werden können. Die Kirchhofmauer stammt aus der Zeit um 1755. Sie ist über zwei steile überdachte Treppen offen und hat ihre beachtlichen Ausmaße nur deswegen bekommen, damit Kirche und die sie umgebenden Grabstätten gegen Hangrutsch der oft feuchten Umgebung gesichert bleiben.

Einnehmendes Wesen

Betritt ein Besucher die Allerheiligen-Kirche, spürt er unmittelbar, dass er sich an einem besonderen Ort befindet. Gleich der erste Blick nach oben trifft auf eine bauliche Seltenheit – eine farbige Decke aus Schwarzwälder Tannenholz in der Form eines ausladenden Gewölbes. Es ist durch Leisten in rechteckige Felder aufgeteilt und kunstvoll mit barocken Ornamenten bemalt. Wendet man sich dem traditionell nach Osten ausgerichteten Chor mit dem Hauptaltar sowie den beiden Seitenaltären im Kirchenschiff zu, dann haben zwei Werke eine starke sinnliche Wirkung. Es ist die Schönheit der mit meisterhafter Sorgfalt gearbeiteten Muttergottes mit dem Jesuskind an der rechten Chorwand, und es ist die außergewöhnliche Gestaltung der Heiligen Drei Könige am linken Seitenaltar. Schöpfer der Bildhauerkunstwerke ist Matthias Faller (1707 bis 1791), der im knapp zehn Kilometer entfernten Neukirch geboren wurde. Zwei der Könige hat er für den Altartisch geschnitzt, den dritten hat der Tiroler Johann Pfunner (1713 bis 1788) im dazugehörigen Altarbild gemalt – eine bemerkenswerte Künstlerkooperation, die sich auch beim rechten Seitenaltar entfaltet hat. Beachtung verdient nicht zuletzt die ebenfalls von Faller aufwendig geschaffene Kanzel; der Prediger kann sie nicht nur von der Sakristei aus, sondern kurioserweise auch über eine Außentreppe vom Friedhof aus besteigen. Als Schmuckstück präsentiert sich schließlich der Orgelprospekt. Den zeitgenössischen ausdrucksstarken Kreuzweg hat der Hammereisenbacher Künstler Wolfgang Kleiser geschnitzt.

Ein wahrer Kenner

Die Kirchengemeinde Urach hat zwar keinen eigenen Ortspfarrer mehr, aber eine ganze Reihe engagierter, teamorientierter Mitglieder. Ernst Winterhalder, zusammen mit seiner Frau Tamara Eigentümer des Gasthauses "Kalte Herberge", engagierte sich 30 Jahre lang in Urach als Pfarrgemeinderat und wirkt aktuell als Stiftungsrat der katholischen Seelsorgeeinheit Bregtal. Er ist einer der besten Kenner seiner Heimatkirche Allerheiligen und weiß um interessante Baudetails. Im Gespräch verweist er etwa darauf, dass die Schindeln des Turms zur Schadensabwehr doppelt gelegt sind oder das Kirchendach bei der letzten Renovierung mit widerstandsfähigen Weißzedernschindeln aus Kanada gedeckt wurde.

Der 1971 nach Vöhrenbach eingemeindete Ort mit etwa 350 Einwohnern hat mit seiner Kirche, dem Dorfgemeinschaftshaus und dem ehemaligen Pfarrhaus einen kleinen Ortskern, ist aber wesentlich gekennzeichnet durch etwa 25 Hofbezirke, die sich entlang des Urach-Bachs in mehr oder minder regelmäßigen Abständen aneinanderreihen. Die gesamte Gemarkung steht unter Landschaftsschutz. Von eigener Bedeutung ist das direkt an der Hauptstraße gelegene Sägewerk Willmann. Der gute Zustand der Kirche ist nicht zuletzt der Spendenbereitschaft der Bevölkerung mit zu verdanken.                                                               (gf)