Aus dem Zentrum der Corona-Pandemie in Italien berichtet Musiklehrer Francesco Chigioni (hinten), der vor mehr als 20 Jahren zu den Gründern des Musikaustausch des OHG mit der Region Bergamo gehörte und der nun im August mit seinen Kindern, dem Ensemble Locatelli, im August für ein Konzert wieder nach Furtwangen gekommen war. Auch seine Kinder hatten in früheren Jahren als Schüler im Rahmen des Austauschs Furtwangen und das OHG besucht. Foto: Heimpel Foto: Schwarzwälder Bote

Corona-Krise: Lehrer der italienischen Partnerschule des Otto-Hahn-Gymnasiums schildert Lage

Schlimme Nachrichten über die Corona-Pandemie in Italien erreichen uns täglich über die Medien. Ganz besonders stark betroffen ist dabei die Region Bergamo in Norditalien, was indirekt auch wieder viel mit Furtwangen und dem Bregtal zu tun hat.

Furtwangen. Mit der Region Bergamo pflegt das Furtwanger Otto-Hahn-Gymnasium mit Realschule seit mehr als 20 Jahren seinen Musik-Austausch mit großem Erfolg. Musiklehrer Francesco Chigioni, der zu den Begründern dieses Austauschs gehört, schildert nun in einem Brief aus Begamo seine Eindrücke von dieser Katastrophe.

Austausch nur per Post

Die Musiklehrer aus Furtwangen hatten ihm aus diesem Grund mitgeteilt, dass der für den Mai geplanten Besuch der OHG-Schüler in Spirano bereits abgesagt wurde. Dadurch sind indirekt sicher viele Familien in Furtwangen und Umgebung von dieser tragischen Entwicklung in der Region Bergamo betroffen. Denn häufig bleiben nach dem musikalischen Austausch mit Spirano und Osio Sopra die Kontakte der Schüler und teilweise auch der Familien über Jahre hinweg bestehen.

Noch im August des letzten Jahres war Francesco Chigioni selbst mit seinen Kindern, die ebenfalls als Schüler am Austausch mit Furtwangen teilgenommen hatten, zu einem Konzert in der Furtwanger Pfarrkirche St. Cyriak zu Gast gewesen.

In einem Brief vom Donnerstag der vergangenen Woche ( die Situation in Italien hat sich seither noch weiter verschärft), schildert Musiklehrer Francesco Chigioni die aktuelle Situation. Ihm und seiner Familie gehe es gut. Allerdings sei sein Geburtstag am Tag zuvor überschattet worden unter anderem vom Tod des Schwiegervaters an diesem Tag und des Ehemanns seiner Cousine einen Tag vorher.

Allein schon die Situation im Krankenhaus, wo sein Schwiegervater starb, sei dramatisch. Ältere Patienten können nicht mehr intubiert und beatmet werden, weil nicht genügend Ausrüstung vorhanden ist. Ein Freund aus der Klinik habe ihm berichtet, dass man inzwischen wie im Krieg eine so genannte Triage durchführen muss, also eine Beurteilung, bei welchen der unzähligen Patienten man noch zu helfen versucht und bei welchen nicht mehr. Und hier haben eben die Jüngeren Vorrang.

"Für viele ältere Menschen gehen die Risiken genau von ihren Enkelkindern aus, die jung und widerstandsfähiger scheinbar gesund sind, aber als Träger der Infektion ihre Großeltern zum Tod verurteilen", so Francesco Chigioni. Allein im Dorf Nembro, wo einige seiner Schüler leben, sind in weniger als zwei Wochen 100 Menschen gestorben, im Jahr zuvor waren es 120 im ganzen Jahr. Die Familie von Francesco Chigioni lebt inzwischen seit mehr als drei Wochen im Haus und niemand kommt heraus, außer um einkaufen zu gehen mit persönlich ausgestellter Bescheinigung, die dann bei einer Kontrolle der Polizei gezeigt werden muss.

Jeden Tag werden aber auch in Italien mehrere 1000 Menschen angehalten, weil sie unbefugt unterwegs waren und so andere gefährden. Das ganze trifft nicht nur für Bergamo direkt zu, auch in Osio Sopra gibt es viele infizierte und Patienten auf der Intensivstation und auch viele Opfer, die er selbst gut kannte. Mit seinen Schülern ist er jeden Tag im Kontakt mit Fern- und E-Mail-Unterricht, bis zu zehn Stunden am Tag: "Die Schule geht weiter und zum Glück hilft die Arbeit!"

Ähnlicher Verlauf

Erschreckt zeigt sich Francesco Chigioni über die deutschen Behörden: "Als ich vor zehn Tagen sah, dass die deutschen Zahlen die gleichen waren wie die von Bergamo neun Tage zuvor und dass die Behörden keine Maßnahmen ergriffen und die Schulen normal geöffnet waren, schrieb ich an meine Kollegen um zu empfehlen, umsichtig zu sein und zu Hause zu bleiben. Die Zeit wird zurückkehren, um Sport zu treiben, Freunde zu treffen auszugehen und sorglos zu leben, aber jetzt haben wir die Verpflichtung, Verantwortung zu zeigen und unseren Teil dazu beizutragen. Wenn die Ansteckung nicht so schnell und weit verbreitet gewesen wäre, hätten viele unserer Freunde und Verwandten gerettet werden können!"

Und inzwischen zeigen ihm die neuen Zahlen aus Deutschland, dass er mit seiner Befürchtung recht hatte, dass die Entwicklung in Deutschland genauso rasant voranschreitet wie in Italien. Inzwischen erlebt er in Bergamo schreckliche Bilder, wenn Kolonnen von Militär-Lastkraftwägen die Stadt verlassen. Beladen mit den Särgen der Verstorbenen fahren die in Krematorien in anderen Teilen des Landes, weil die Krematorien in Bergamo überlastet sind und auch auf dem Friedhof ohne Pause beerdigt wird. Aber genauso hofft Francesco Chigioni, dass die Vorhersagen der Fachleute zutreffen, dass in diesen Tagen nun Zahl der Infektionen langsam sinken soll.

Auf jeden Fall, das macht er am Ende seiner Mail deutlich, könne gerade auch die Musik eine Botschaft der Hoffnung und des Glaubens in solch schwierigen Situationen vermitteln und damit trösten.