Sonntäglicher Kirchgang zur Winterszeit im Schwarzwald. Die Originalzeichnung aus einer Veröffentlichung aus dem Jahr 1896 stammt von Gustav Heine.Foto: Archiv Deutsches Uhrenmuseum Foto: Schwarzwälder Bote

Uhrenmuseum: Sonntäglicher Kirchgang ist strapaziös und führt einst zu Fuß durch Schneemassen

Mit einem Experiment verbindet das Deutsche Uhrenmuseum Furtwangen ihr Objekt des Monats Februar. Es weicht dabei von bisheriger Tradition ab. Ein zweidimensionales Werk ersetzt dreidimensionale Ausstellungsstücke.

Furtwangen. Damit wird die Frage beantwortet "Was taten Uhrmacher am Sonntag?" Fündig wurde die Kommunikationsreferentin Eva Renz in "Illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann". In deren Heft 11 des Jahres 1896 beschreibt der Furtwanger Lithograf und Kunstmaler Gustav Heine die eigenen Beobachtungen, denn "wer einen echten und rechten Winter kennen lernen will, der muss sich im Januar und Februar in das Gebirge begeben, zum Beispiel nach dem Schwarzwald".

Da waren ihm hohe Schneeberge oder Schneewehen bestens vertraut. Doch ein derartiger Winter verursachte den Bewohnern Mühsal und Beschwerden. Die Kälte setzte zu und jeder Schritt vor das Haus wurde zur Arbeit. Heine bezog sich auf ein Bild, das den Blick in ein Schwarzwaldtal zulässt. Viele Menschen sind unterwegs, denn es ist Sonntag und Kirchgang war angesagt. Aus Gehöften und nahen Dörfchen strömen sie herbei. Man musste sich durch Schneemassen durchkämpfen und sank immer wieder bis zum Leib in die eisigen weißen Schichten.

Auch damals kannte man schon Stangen und Pfähle, die den Weg markierten. Zeitig machten sich Frauen, Männer und Kinder auf den Weg, der gleichzeitig Geschäftsgang war. Die Uhrmacherei war im Umbruch und wurde zur "Bauernindustrie". Das Uhrenmuseum stellte fest, dass 1875 noch 77 selbständige Uhrmacher in Furtwangen existierten.

30 Jahre später waren es nur noch Vier. Damals arbeiteten 93 Männer und Frauen den Fabriken zu. Die dörflichen Kleinmeister waren nahezu verschwunden und Fabrikanten oder Unternehmer in der Stadt sammelten Einzelteile der Uhren, die in den Bauernhäusern gefertigt wurden. Der Uhrmacher wurde zum Arbeiter und komplettierte in der Fabrik die Uhren, um sie per Handel und Vertrieb an die Kundschaft zu bringen.

Der Kirchgang diente den ländlichen Arbeitern dazu, ihre gefertigten Uhrenbestandteile an den Fabrikanten zu verkaufen. Ein Bild zeigt Menschen mit großen Tragekörben, im Schwarzwald "Kräzen" genannt, die mit Rädern, Gehäuseteilen, Zeigern, Zifferblättern oder Glasschildern voll gefüllt waren. Die Last wurde oft stundenweit durch tiefen Schnee getragen. Doch: "Der Schwarzwälder ist lustig, von fröhlicher Gemüthsart und lässt sich so leicht durch diese Strapazen die Laune nicht verderben". Die Burschen nahmen immer wieder den Mädchen die Mühe ab und trugen die schwere Krätze geduldig zum Ziel. War das Mädchen gar hübsch, dann war der junge Mann nicht neidisch auf den Bauern, der mit Weib und Kind gut geschützt auf einem Bockschlitten vorbei fuhr. Oft genug landete der flotte Schlitten in einem Schneehaufen, kippte um und die Insassen purzeln in die weißen Flockenberge – zum Amüsement der jungen Leute.

Nach dem Gottesdienst wurden die Geschäfte abgewickelt, die Waren abgeliefert und der Lohn kassiert. Da gönnte sich der arme Kirchgänger ein "Schöppli Wi und ein Bierelaibli (Birnenbrot)". Danach ging`s nach Hause, wo den Heimkehrer Nudelsuppe und ein Stücklein Fleisch erwartete – denn "die Woche hindurch sieht der arme Schwarzwälder kein Fleisch".

Gustav Heines Fazit: "So gestaltet sich der Sonntag im Winter für den Schwarzwälder wohl zu einem Tage großer Anstrengung, aber auch zu einem Festtage, welcher der heiteren Lebensfreude nicht entbehrt".