"Wenn man nichts mehr tun kann, kann man noch eine Menge tun", lautet das Credo der Allgemeinmedizinerin Lioba Kühne. Foto: Kommert Foto: Schwarzwälder-Bote

Lioba Kühne spricht im Altenheim St. Cyriak über Palliativmedizin / Respekt vor Leben und Sterben

Von Hans-Jürgen Kommert

Furtwangen. Es war ein kleiner Kreis, der sich den Vortrag der Ärztin Lioba Kühne über Palliativmedizin im Alten- und Pflegeheim St. Cyriak in Furtwangen anhörte. Bis auf wenige Ausnahmen waren es beruflich Betroffene.Bei der Palliativmedizin gehe es also nicht um die Verlängerung der Überlebenszeit um jeden Preis, sondern um die Lebensqualität, betonte die Medizinerin. Die Wünsche, Ziele und das Befinden des Patienten würden bei der Palliativmedizin im Vordergrund der Behandlung stehen. Wichtig bei der palliativen Pflege sei eine gesicherte Patientenverfügung, die eben nicht im allerletzten Moment abgegeben wurde. Diese erst ermögliche es, lebenserhaltende Maßnahmen zugunsten einer menschenwürdigen Pflege in den letzten Tagen und Stunden des Lebens zu ersetzen. Sie persönlich achte auch darauf, dass bei einer Verfügung die geistige Gesundheit bescheinigt wird.

Auch das heikle Thema Sterbehilfe war für Kühne kein Tabuthema: "Die aktive Sterbehilfe, also die Tötung auf Verlangen, ist in Deutschland verboten; wir können jedoch lebenserhaltende Maßnahmen einstellen, wenn der Patient es so erklärt hat. Dabei ist die ethische Grundlage der Respekt vor dem Leben und Sterben des Patienten", machte sie den Unterschied deutlich. Die indirekte Sterbehilfe sei die Gabe von schmerzlindernden Medikamenten, die lebensverkürzend wirken können.

Eines der Probleme der Palliativmedizin sei die Angst. Dabei gebe es die Furcht vor Schmerzen, vor der eigenen Schwäche oder auch vor medizinischen Eingriffen. Rund ein Viertel der Betroffenen leide unter dieser Angst, so die Allgemeinmedizinerin. Dieser Angst könne man mit manchmal einfachen Mitteln begegnen: So sei es manchmal nötig, die Ängste direkt anzusprechen, manchmal reiche es aber, durch Körperkontakt Sicherheit zu vermitteln. Auch eine Gesprächstherapie oder gar Medikamente könnten helfen – oder auch der Seelsorger.

Höchst problematisch, auch wegen der Zahl der Betroffenen, sei jedoch die Atem- und Luftnot. Bis zu 70 Prozent der Tumorpatienten, nahezu alle Herz- und Lungenpatienten sowie 80 Prozent der Palliativpatienten litten zeitweise unter Luftnot. "Luftnot macht Angst, und Angst bedingt häufig Atemnot", klärte sie über einen Teufelskreis auf. In der Endphase einer Erkrankung sei sie der häufigste Grund einer Einweisung ins Krankenhaus.

Es gilt, die Ursache der Schmerzen zu finden

Dabei helfe manchmal schon eine atemerleichternde Sitzhaltung, doch sei es vor allem wichtig, Ruhe auszustrahlen und den Patienten nicht zu verlassen. Viele der beschriebenen Probleme gingen einher mit Schweißausbrüchen, die durch einfache Waschungen mit kühlem Salbeitee zu beseitigen seien. Appetitlosigkeit sei gerade bei Tumorpatienten häufig auf Mundtrockenheit zurück zu führen.

Beim Lindern der Schmerzen stehe zunächst im Vordergrund, deren Ursache herauszufinden. Schmerzen seien subjektiv und müssten therapeutisch individuell angepasst werden. Schmerzspitzen ließen sich selten vermeiden. Neben der normalen Schmerztherapie könnten auch palliative Operationen wie Nervendurchtrennungen, palliative Bestrahlungen oder palliative Chemotherapie hilfreich sein. Wichtig sei eine interdisziplinäre Abklärung.

"Wenn man nichts mehr tun kann, kann man noch eine Menge tun", erklärte Lioba Kühne. Unter anderem die spirituelle Begleitung, bei der die heutige multireligiöse Gesellschaft die Betreuer vor neue Aufgaben stelle, auch die Begleitung trauernder Angehöriger gehöre dazu.

Nach dem Vortrag war die anschließende Diskussion nicht weniger interessant. Gipfelte sie schließlich in dem Gedanken, palliative Pflegeplätze könnten auch in einem Pflegeheim angeboten werden, denn die Nähe zu Angehörigen sei häufig eine wichtige Sache. Manfred Kühne sah sogar die Möglichkeit, den Studiengang "angewandte Gesundheitswissenschaften" der Hochschule Furtwangen mit einzubeziehen. Der Gedanke von Cecily Saunders, dass Patienten nicht allein im Krankenzimmer sterben sollten, also die Palliativmedizin und die Hospizbewegung zu verbinden, spiele heute eine maßgebliche Rolle auch im Pflegeheimen, in denen Sitzwachen als Sterbebegleitung schon vorhanden seien. Dies müsse unbedingt rechtlich abgeklärt werden, empfand auch die Leitung des Heimes um Chef Peter Baake.