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Das Rote Kreuz enthält Minijobbern im Fahrdienst gesetzlich vorgeschriebene Leistungen vor.

Stuttgart - Schülerbeförderung in Stuttgart - eine Fortsetzungsgeschichte mit zahlreichen Facetten und Akteuren. Es geht um Spardruck und sinkende Qualität des Angebots für Kinder mit Handicap. Die neueste Wendung: Das Rote Kreuz enthält Minijobbern im Fahrdienst gesetzlich vorgeschriebene Leistungen vor.

Erneut sind es Fahrer, die Missstände bei der Schülerbeförderung aufmerksam beleuchten. Peter S. (Name geändert), wundert sich seit längerem, warum geringfügig Beschäftigte beim DRK Stuttgart - sogenannte Minijobber - keinen bezahlten Urlaub erhalten, obwohl dies doch gesetzlich vorgeschrieben sei. In der Tat, die Rechtslage ist klar. "Auch im Rahmen eines Minijobs hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub", erläutert die Minijob-Zentrale in Bochum: "Der gesetzliche Urlaubsanspruch beträgt jährlich mindestes 4 Wochen." Einem Arbeitnehmer, der fünf Werktage pro Woche arbeitet, stehen 20 Urlaubstage zu. Peter S. rechnete: "Bei einem Arbeitseinsatz von drei Stunden täglich und einem Stundensatz von sechs Euro sind das 18 Euro pro Tag. Multipliziert mit 20 Urlaubstagen, ergibt das 360 Euro pro Jahr und Mitarbeiter." Geld, das die Minijobber beim Roten Kreuz nicht sehen.

Peter S. wunderte sich aber nicht nur über den unbezahlten Urlaub. "Minijobber haben Anspruch auf Fortzahlung ihres regelmäßigen Verdienstes durch den Arbeitgeber bis zu sechs Wochen", zitiert er geltendes Arbeitsrecht: "Nicht so beim Roten Kreuz. Fährt der Minijobber nicht, gibt's nichts. Das kann zur Folge haben, dass ein kranker Fahrer sich nicht krankmeldet, weil er am Monatsende dann 18 Euro pro Krankheitstag weniger hat. Empörend sei das, sagt Peter S., denn das bedeute ein enorm hohes Risiko. "Dass privatwirtschaftliche Unternehmen so arbeiten, weiß die Branche. Aber ein gemeinnütziges Unternehmen?" Den engagierten Fahrer ließ das Thema nicht mehr los; er hörte sich bei Kollegen um. Andere Hilfsorganisationen, so seine Beobachtung, hielten sich ans Gesetz - auch die Malteser, die zuletzt Gegenstand kritischer Berichterstattung waren. Ebenso der Arbeiter-Samariter-Bund. Dessen Geschäftsführer, Kersten Stier, stellt klar: "Würden wir anders handeln, wäre das sittenwidrig."

"Wir wissen, dass Handlungsbedarf besteht"

Jahrelange Verstöße gegen das Arbeitsrecht - ausgerechnet beim Roten Kreuz? Kreisgeschäftsführer Frieder Frischling räumt den Missstand unumwunden ein: "Fakt ist, dass wir unseren geringfügig beschäftigten Mitarbeitern keinen bezahlten Urlaub geben und im Krankheitsfall auch keine Lohnfortzahlung." Er bestreitet allerdings einen gezielten Verstoß gegen das Arbeitsrecht. Die Bezahlpraxis sei "historisch gewachsen", sagt er: "Das hat sich über Jahre hinweg eingebürgert." Susanne Heinrich, Sprecherin der Minijob-Zentrale in Bochum, hält es indes für undenkbar, dass ein größerer Arbeitgeber nicht um die Rechte und Pflichten geringfügig Beschäftigter weiß - zumal jede Stelle angemeldet werden muss. "Wir unterrichten die Arbeitgeber regelmäßig", sagt Heinrich. An Informationen fehlt es demnach nicht.

Der DRK-Kreisverband Stuttgart gelobt Besserung: "Wir wissen, dass Handlungsbedarf besteht", sagt Kreisgeschäftsführer Frischling. Mit Beginn des neuen Schuljahrs sollen die Arbeitsverträge der Minijobber korrigiert werden. Der aktuelle Hintergrund: Neben Maltesern, ASB und Taxiunternehmen bewirbt sich auch das Rote Kreuz erneut um Schülertouren - 144 sind zu vergeben. Die Grünen-Gemeinderatsfraktion forderte bereits, das Verfahren zu stoppen. Die SPD hob das Thema jetzt auf die landespolitische Ebene. In einer Parlamentarischen Anfrage will die SPD-Landtagsfraktion wissen, "wie die Landesregierung eine Vergabe der Fahrdienste allein auf der Grundlage des niedrigsten Preises beurteilt" und "unter welchen arbeitsvertraglichen Regelungen die Fahrerinnen und Fahrer üblicherweise beschäftigt sind". Auf die Antwort ist nicht nur Peter S. gespannt.