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Landtag fordert mehr Zuwanderer in öffentlicher Verwaltung - gelingt bisher nur Polizei.

Stuttgart - In Niedersachsen hat es die türkischstämmige Aygül Özkan bis in den Ministerrat geschafft. In Baden-Württemberg wäre man schon froh über ein paar Landesbedienstete mit Migrationshintergrund. Ihr Anteil in Schulen oder Verwaltung ist verschwindend gering.

Baden-Württemberg ist ein Einwanderungsland, das belegen die nackten Zahlen. Etwa ein Viertel der knapp elf Millionen Einwohner haben einen Migrationshintergrund, mit rund elf Prozent Ausländern hat der Südwesten unter den Flächenländern den höchsten Anteil.

Trotzdem spiegelt sich diese Zusammensetzung nicht im öffentlichen Dienst wider: Weder in der Justiz noch in der Finanzverwaltung oder in Schulen ist eine nennenswerte Zahl von Zuwanderern beschäftigt - ob mit oder ohne deutschen Pass. Ein Umstand, den Landespolitiker fast einhellig beklagen. Lediglich die Liberalen sehen hier keinen Nachholbedarf.

Der gute Wille ist da

"Es ist zwingend notwendig, dass wir den Anteil erhöhen, denn die Migranten zeigen damit, dass sie sich mit unserem Staat identifizieren", sagt der SPD-Landesvorsitzende Nils Schmid. Auch die Grünen legen viel Wert auf diese Vorbildfunktion und fordern, dass Zuwanderer angemessen im öffentlichen Dienst repräsentiert sind. "Wir brauchen einen Ausbauplan, denn sie sind eine unheimliche Bereicherung", forderte kürzlich die Grünen-Abgeordnete Renate Rastätter in einer Landtagsdebatte. Bei vielen Christdemokraten rennt sie damit offene Türen ein. "Überall sind Kraftanstrengungen nötig, um dieses Ziel zu erreichen", sagte in derselben Debatte Günther-Martin Pauli (CDU). Sein SPD-Kollege Nikolaos Sakellariou ergänzte, es sei wichtig, dass Migranten im Alltag Landsleute träfen, "die es zu was gebracht haben".

Der gute Wille ist also da. Doch in der Praxis scheitert diese Art der Integration nur allzu oft. Gerade mal 2,2 Prozent betrug laut Sakellariou der Anteil der Migranten im öffentlichen Dienst im Jahr 2001. Vier Jahre später habe er nur noch 1,7 Prozent betragen. An den Schulen im Land seien gegenwärtig weniger als ein Prozent beschäftigt, sagte Rastätter.

Dabei hat das Kultusministerium den Grünen schon Anfang vergangenen Jahres mitgeteilt, die Integration von Schülern mit Migrationshintergrund könne durch Lehrkräfte mit ähnlicher Biografie "entscheidend gefördert" werden. Man beabsichtige deshalb, zusammen mit den Konsulaten junge Migranten für ein Lehramtsstudium zu werben.

"Wir brauchen einen, der praktische Politik macht"

Doch dieses Bekenntnis wiederholt das Kultusministerium jetzt fast wortgleich in seiner aktuellen Antwort auf eine neue Grünen-Initiative. Auf Nachfrage im Ministerium heißt es: "Die Planungen dafür sind noch am Anfang."

Mit diesem Tempo wird es noch lange dauern, bis der Migrantenanteil in der Landesverwaltung steigt. Lediglich die Polizei bildet eine kleine Ausnahme, denn sie hat sich schon Mitte der 90er Jahre für ausländische Bewerber geöffnet. Der damalige Innenminister Frieder Birzele (SPD) wollte damit Barrieren abbauen - und das ist offenbar gelungen.

"Wir machen gute Erfahrungen mit Ausländern im Polizeidienst", sagt Innenminister Heribert Rech (CDU). Der Kontakt von Menschen ausländischer Herkunft mit Polizisten, die mit ihrer Sprache, Kultur und Mentalität vertraut seien, gestalte sich problemfreier. Derzeit sind 90 Polizisten ohne deutschen Pass im Dienst. Sie müssen ihre Muttersprache, aber auch Deutsch gut beherrschen und über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht verfügen. Doch wie schafft man es, den Migrantenanteil generell zu erhöhen? Jedenfalls nicht mit einer Quote, da sind sich die Landespolitiker einig.

"Wir brauchen einen, der praktische Politik macht"

Eine feste Quote wäre verfassungsrechtlich auch gar nicht erlaubt: Eignung, Befähigung und fachliche Leistung müssten auch weiterhin die Einstellungskriterien sein, sagte Rech. Doch innerhalb dieser Vorgaben ist es sehr wohl möglich, Migranten zum Zug kommen zu lassen. Die Schulen nutzen laut Rastätter schon jetzt die Möglichkeit, bei Stellenausschreibungen bestimmte Zusatzqualifikationen wie etwa türkische Sprachkenntnisse zu fordern: "Es gibt intelligente Lösungen, man muss sie nur suchen." Man müsse gezielt auf Migranten zugehen und ihnen sagen, welche Jobchancen der öffentliche Dienst biete, schlägt SPD-Chef Schmid vor.

Das Thema Integration ist seiner Ansicht nach generell nicht gut aufgehoben bei der Landesregierung. "Ulrich Goll kümmert sich um vieles, aber zu wenig um Integration", sagt er mit Blick auf den Justizminister, der auch Integrationsbeauftragter ist. Das liegt seiner Meinung nach auch daran, dass Goll mit Ausnahme der Rechtspolitik nur wenige fachliche Anknüpfungspunkte hat. Vor allem das große Feld der Bildung sei unterrepräsentiert.

Um die zersplitterte Zuständigkeit zu bündeln, schlägt Schmid die Installation eines Ministers für Integration in der Regierungszentrale vor: "Wir brauchen einen, der praktische Politik macht." Das meint auch die Junge Union. Sie will, dass Ministerpräsident Stefan Mappus nach der Landtagswahl einen Staatsrat für Integration einsetzt. Rech kündigte einstweilen an, das Kabinett werde noch in diesem Jahr Vorschläge machen, wie man den Anteil von Migranten erhöhen kann.