Industrie 4.0 ist ein Schlagwort, das alle Unternehmen umtreibt. Der Begriff umschreibt die Produktion der Zukunft. Vor allem Mittelständler haben bisher gezögert. Das könnte sich ändern.
Stuttgart - Industrie 4.0, also die digital vernetzte Produktion, ist in aller Munde. Doch vor allem dem mittelständisch geprägten Maschinenbau wird bei der Einführung häufig eine zögerliche Haltung nachgesagt. Dies könnte sich mit Adamos ändern. Das ist ein digitaler Marktplatz; darüber können Maschinenbauer ihren Kunden Anwendungen etwa für die Wartung der Produkte oder die Überwachung der Produktion in Echtzeit offerieren. Das Joint Venture bietet beispielsweise Apps auf Smartphone oder Tablet, damit Kunden ihre Maschinen digital kontrollieren können – am Bildschirm sehen sie etwa, wie viel Energie ein Roboter verbraucht oder welches Ersatzteil dieser demnächst benötigt.
Am gestrigen Dienstag haben die fünf Gründungsmitglieder das neue Joint Venture vorgestellt – das sind der Lackieranlagenbauer Dürr, der Werkzeugmaschinenhersteller DMG Mori, der Optikkonzern Zeiss, die Software AG und ASM PT, ein Ausrüster im Bereich Elektronikfertigung. Die Partner sind mit jeweils 20 Prozent an dem Joint Venture beteiligt.
Adamos startet im Oktober
Adamos hat seinen Sitz in Darmstadt und soll am 1. Oktober mit zunächst 200 Mitarbeitern starten. Das Startkapital liegt bei 60 Millionen Euro. Einen Großteil davon habe die Software AG in Form von Computerprogrammen beigesteuert; von den anderen vier Gesellschaftern wurden jeweils drei Millionen Euro einbezahlt. Welche Rendite-Erwartungen die Gründer hegen, wollte Dürr-Vorstandschef Ralf Dieter nicht sagen. „Es soll schon was bringen“, sagte er salopp. Von der Logik her müsste die Rendite deutlich höher sein als im Servicegeschäft, fügte er hinzu.
Zunächst können Adamos-Kunden unter fünf Marktplätzen und 30 verschiedenen Apps wählen. Diese Zahl soll schnell steigen. Es handele sich um eine offene Plattform, weitere Partner seien willkommen, betonen die Gründer. Das neue Joint Venture richtet sich insbesondere an die Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus. „Als Maschinenbauer kennen wir die Anforderungen unserer Kunden und wissen, worauf es ankommt“, sagte Dieter.
Nicht jeder muss eine eigene Lösung entwickeln
„Bei der Digitalisierung muss der Maschinen- und Anlagenbau selbst Standards setzen und die Entwicklung vorantreiben“, erläuterte Christian Thönes, Chef von DMG Mori in Bielefeld, die Idee hinter Adamos. Und: „Der Maschinenbau muss die Entwicklung von Zukunftsthemen wie Industrie 4.0 vorantreiben“, fügte er hinzu. Dies sei jedoch nur in starken Partnerschaften zu meistern, sagte er. Denn das Internet der Dinge erfordere hohe Investitionen, exzellente Fachkräfte und die Beherrschung neuer Technologie, sagten die Gründer. Adamos trage dazu bei, dass nicht jeder Maschinenbauer eine eigene Lösung entwickeln müsse oder sich von einem externen Softwareanbieter abhängig mache. Branchenwissen werden so schnell verfügbar gemacht, so Thönes.
Das technische Fundament des jungen Unternehmens stammt von der Software AG, einem der großen Softwarehäuser in Deutschland. Warum nicht die SAP in Walldorf? Diese Frage beantwortete Thönes so: Die Software AG sei im Unterschied zu den großen Anbietern von Digitalplattformen dazu bereit gewesen, nicht auf die Endkunden heranzugehen. „Es ist eine Kooperation auf Augenhöhe“, betonte der Chef von DMG Mori. Und wie profitiert das Softwarehaus von der Kooperation? Jeder Nutzer müsse 300 000 Euro jährlich zahlen; hinzu kämen noch Gebühren etwa für übertragene Daten, sagte Karl-Heinz Streibich, Vorstandschef der Software AG.
Gute 1000 digitale Marktplätze
Adamos ist bei weitem nicht der erste digitale Marktplatz. Mehr als 1000 solcher Plattformen für Industrie 4.0 soll es mittlerweile weltweit geben, hat Frank Riemensperger, Chef des Beratungsunternehmens Accenture in Deutschland, vor kurzem der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gesagt. Konzerne wie Bosch, Siemens, SAP, Telekom, GE und Microsoft haben meist ein eigenes Angebot. Auch der Werkzeugmaschinenhersteller Trumpf hat das Geschäft vor einigen Jahren entdeckt – und das Start-up Axoom in Karlsruhe gegründet, das eine vergleichbare Idee wie Adamos verfolgt. Zeiss ist auf Axoom und Adamos aktiv. Und das wird so bleiben, so Zeiss-Finanzchef Thomas Spitzenpfeil. Er zeigte sich offen für verschiedene Plattformen. Adamos sei „kein Start-up“, betonte Dieter, vielmehr habe es den Anspruch von Beginn an eine internationale Plattform zu sein. „Unsere Kunden sind ja auch international tätig“ (Dieter). Riemensperger geht davon aus, dass von der Vielzahl der Plattform nur wenige überleben werden.