Auch der Bonus-Laden Sonnenberg steht vor der Schließung. Foto: PPfotodesign

Die Zeit drängt. Fünf Bonus-Märkte werden demnächst schließen, sollte sich die Stadt nicht an einem Rettungsplan beteiligen. SPD-Stadtrat Manfred Kanzleiter rät dringend zu einer finanziellen Hilfe für Bonus.

Stuttgart - Es ist fünf vor zwölf. Noch ist Zeit zum Handeln. Zeit, fünf Bonus-Märkte durch einen kommunalen Zuschuss in sechsstelliger Höhe zu retten. Die symbolischen fünf Minuten bis zum Glockenschlag macht der Bonus-Markt-Geschäftsführer Manfred Kaul konkret: „Ich muss bis Ende Oktober wissen, wohin der Zug rollt.“

 

Das bringt Dynamik in die Sache, die der Umwelt- und Technikausschuss des Gemeinderats am Montag diskutieren wird. Es geht um die Frage: Soll die Stadt die Nahversorgung durch Zuschüsse sichern?

Da Bundesministerin Ursula von der Leyen durch ihre Instrumentenreform am Arbeitsmarkt die Zuschüsse für Langzeitarbeitslose immer weiter zurückfährt, wird das Loch in der Kasse von Kaul immer größer. Im Jahr 2013 rechnet er mit einem Defizit von 150 000 Euro. 2014 würde die gleiche Summe den Etat der Bonus-Märkte belasten. Zum Hintergrund: Viele Beschäftigte bei Bonus sind Langzeitarbeitslose, die von der Agentur für Arbeit gefördert werden.

Ohne die Förderung funktioniert das System Bonus-Markt nur bedingt. Auch die Quersubventionierung schlecht gehender Märkte durch umsatzstarke Läden wie dem im Westen, hat Grenzen. Daher muss der Geschäftsführer die Notbremse ziehen. Oder wie er sagt: „Ich muss die Bremswege verkürzen.“ Damit meint er die Laufzeit der Pachtverträge. In der Regel läuft ein Mietvertrag drei bis fünf Jahre. Für Kaul ist das zu lang. So kann er nicht auf Veränderungen bei der Bundespolitik reagieren.

Deshalb hat Manfred Kaul den Kontrakt des Ladens in Steinhaldenfeld zum 30. November gekündigt. Hätte er auf die Kündigung verzichtet, würde sich die Laufzeit des Ladens automatisch verlängern.

 "Versorgung mit Lebensmitteln auch ohne Auto"

Gleiches gilt für den Markt in Sonnenberg. „Es ist aus finanzieller Sicht der schmerzvollste Laden“, sagt Kaul. Wie die Dinge liegen, wird er den Vertrag zwischen Bonus und Ex-VfB-Profi Kevin Kuranyi, dem die Immobilie gehört, zum 30. Juni 2014 kündigen. Kurz vor der Schließung stehen zudem die Märkte in der Überkinger Straße und in Birkach. Fakten hat Kaul auch auf der Rohrer Höhe geschaffen: Pachtvertrag gekündigt. Dort kann er noch die Option zur Vertragsverlängerung ziehen. „Aber wenn die Aussichten so düster bleiben“, sagt Kaul, „dann greift auch dort die Kündigung.“

Im schlimmsten Fall würden fünf der zwölf Bonus-Märkte verschwinden. Damit sind zwar die Arbeitsplätze des Stammpersonals nicht in Gefahr, aber die Stadt würde wichtige Säulen der Nahversorgung verlieren. Wie wichtig die Sache selbst für Oberbürgermeister Fritz Kuhn ist, hat er vor längerer Zeit erklärt: „Es geht darum, dass die Versorgung mit Lebensmitteln auch ohne Auto möglich ist.“ Und es geht darum, dass auch ältere Menschen sich auf diese Weise so lange wie möglich selbst versorgen können. Denn Bonus-Märkte sind immer dort zu finden, wo der herkömmliche Einzelhandel nicht rentabel wirtschaften kann, weil die Umsätze zu gering sind.

In Stuttgart wohnen etwa 77 Prozent der Bürger in einem fußläufigen Einzugsgebiet von einem Lebensmittelgeschäft. Anders gesagt: 23 Prozent, also über 130 000 Stuttgarter, haben keine Möglichkeit, sich in Wohnortnähe selbst zu versorgen.

„Aus diesem Grund wird das Geschrei groß sein, wenn der erste Bonus-Markt schließt“, ahnt SPD-Stadtrat Manfred Kanzleiter. Daher plädiert er dafür, die Bonus-Märkte durch einen städtischen Zuschuss zu sichern. „Ich weiß, dass der Kämmerer ein Entenklemmer ist“, sagt er, „aber in diesem Fall sollte Herr Föll über seinen Schatten springen.“

Monatlich schlagen 2500 bis 3000 Euro pro Markt zu Buche

Damit Finanzbürgermeister Michael Föll und der Gemeinderat eine bessere Diskussionsgrundlage haben, macht Bonus-Geschäftsführer Kaul nun einen konkreten Vorschlag: „Mit einem sechsstelligen Zuschuss für die Sanierung unserer Kühlaggregate könnten wir leben“, sagt er, „denn die Energiekosten sind ein Albtraum.“ Monatlich schlagen 2500 bis 3000 Euro pro Markt zu Buche.

Im Vergleich zu den anderen Modellen, die derzeit in der Verwaltung diskutiert werden, sei sein Vorschlag am leichtesten umzusetzen, glaubt Manfred Kaul. Derzeit wird in der Verwaltung an zwei Konzepten gefeilt. Angeblich plant die Stadt, in Bezirken, in denen es keine Nahversorgung gibt, bestehende Läden oder Neugründungen mit einem Startkapital, einem jährlichen Betriebskostenzuschuss oder einem regelmäßigen Mietkostenzuschuss zu unterstützen. Für ein solches Nahversorgungskonzept soll der Handelsverband ein Gutachten erstellen. Danach könnten sich Einzelhändler, aber auch Bonus im Zuge einer Ausschreibung um den jeweiligen Markt bewerben. „Grundsätzlich halten wir dies, solange es im überschaubaren Rahmen bleibt, für richtig. Denn unsere Unternehmer können an diesen Standorten gar kein Angebot machen, weil die Verbraucher zu wenig einkaufen“, sagt Sabine Hagmann vom Handelsverband.

Sollten auf diese Weise auch seine Märkte von städtischen Zuschüssen profitieren, wäre Kaul aller Sorgen ledig. Gleichzeitig wird jedoch eine mobile Versorgung geprüft. Fahrende Läden sollen ein Sortiment von 8000 Artikeln transportieren. Ein Delegierter der Wirtschaftsförderung hat dieses Modell erst kürzlich in Ulm unter die Lupe genommen. Kaul amüsiert das: „Wenn ein Artikel im Schnitt ein Pfund wiegt, kommt man auf vier Tonnen. Und dann ist nur ein Artikel dabei. Schon der zweite Kunde, der Milch will, geht dann leer aus.“ Alleine für die Prüfung dieser beiden Varianten will die Stadt 25 000 Euro ausgeben. Im Beamtenjargon heißt es dazu: Stellenrelevante Beschlüsse können erst im Rahmen der Haushaltsplanberatungen erfolgen. Dann könnte es für die Bonus-Märkte fünf nach zwölf sein.