Neue Wohngebäude im Seepark in Möhringen: Verdichtetes Bauen ist hier schon Realität. Foto: Peter Petsch

 Welche Haltung beziehen die für den Gemeinderat kandidierenden Gruppierungen zu wichtigen Themen der Stadtpolitik? Zu fünf Fragen haben wir die Spitzenkandidaten der zwölf Listen um Antworten gebeten. Heute die zweite von vier Folgen - mit FDP, Freie Wähler und Stuttgart Ökologisch Sozial.

Welche Haltung beziehen die für den Gemeinderat kandidierenden Gruppierungen zu wichtigen Themen der Stadtpolitik? Zu fünf Fragen haben wir die Spitzenkandidaten der zwölf Listen um Antworten gebeten. Heute die zweite von vier Folgen - mit FDP, Freie Wähler und Stuttgart Ökologisch Sozial.

1. Was kann, was muss Stuttgart für die Energiewende tun?

FDP, Bernd Klingler (46), selbstständiger Werbefachwirt:

"Beim Thema Energiewende setzen wir uns unter anderem ein für: Ausbau der regenerativen Energien wie Fotovoltaik, Solar- und Wasserenergie, Biomasse und Geothermie, da Windkraft mangels geeigneter Standorte nicht nutzbar ist. Darüber hinaus sind die Förderrichtlinien des kommunalen Energiesparprogramms auch auf niederschwellige Angebote auszurichten, um die energetische Sanierung des Gebäudebestandes in der Breite zu forcieren."

Freie Wähler, Jürgen Zeeb (63), Freier Architekt:

"Energie sparen! Denn die Energie, die nicht verbraucht wird, hat den höchsten Sparfaktor. Stuttgart sollte im eigenen Gebäudebestand mit gutem Vorbild vorangehen und alle Gebäude, bei denen es Sinn macht, energetisch sanieren und/oder mit Anlagen zur Energieerzeugung vor Ort (zum Beispiel Solar- und Fotovoltaikanlagen) ausstatten. Bei der Versorgung mit Energie steht für uns Freie Wähler die Versorgungssicherheit mit Gas, Wasser und Strom für unsere Bürger und für unsere Wirtschaft im Vordergrund."

SÖS, Hannes Rockenbauch (33), Diplomingenieur Architektur:

"Stuttgart braucht ein Konzept für eine CO2-neutrale Stadt mit Investitionen in Effizienz und Energieeinsparung und dem Ausbau von Kraft-Wärme-Kopplung und Nahwärmenetzen. Die Vergabe der Strom- und Gaskonzessionen  an das Kooperationsmodell EnBW/Stadtwerke ist nicht  nachvollziehbar. Die Kooperation mit der EnBW muss baldmöglichst gekündigt werden, damit in Stuttgart eine selbstständige Energiewende stattfinden kann. Wir wollen 100 Millionen Euro aus der S-21-Finanzierung für ein sozialökologisches Konjunkturprogramm."

Die Kandidaten zur Flächennutzung

2. Nur dichtes Bauen auf Stuttgarts knappen Flächen oder auch Häuschen mit Garten?

FDP, Bernd Klingler (46), selbstständiger Werbefachwirt:

"Zusätzliche Verdichtung, Ausweisung neuer Flächen, qualitative Verbesserung bestehender Quartiere unter  Berücksichtigung neuer Lebenssituationen haben nebeneinander ihre Berechtigung. Zum einen muss sich Stuttgart von der Anti-Hochhaus-Haltung verabschieden,  davon, alle Hochhaus-Standorte  zu bekämpfen. Wir wollen nicht überall Hochhäuser. Sie sollten  aber dort zugelassen werden, wo es sich aus dem Kontext einer Verdichtung ergibt. Weiterhin könnten die Bundesstraßen überbaut werden oder ein Programm zur Schaffung von Wohnraum durch den Ausbau von Dächern aufgelegt werden."

Freie Wähler, Jürgen Zeeb (63), Freier Architekt:

"Stuttgart braucht beides. Wir wollen Wohnraum in der Stadt schaffen, mit hervorragenden Architekten, deren Kreativität dabei insbesondere in der angemessenen Nachverdichtung bestehender Gebiete gefragt ist. Daneben befürworten wir aber auch vertretbare Flächenausweisungen für Ein- und Zweifamilienhäuser. Denn auch diese Gebäudetypen werden in Stuttgart von einer wichtigen Bevölkerungsgruppe nachgefragt: jungen Familien, die in Stuttgart ein Zuhause suchen. Ein unabhängiger, externer Wohnbaumanager muss für zügige Genehmigungsverfahren sorgen."

SÖS, Hannes Rockenbauch (33), Diplomingenieur Architektur:

"So sieht für uns Stuttgart 2050 aus: Naturschutz und Siedlungsstruktur stehen in Balance. Statt zerstörten Parks sind neue Grünflächen Bestandteil jeder Bauplanung. Die Stadt ist auf die zu erwartende Erwärmung vorbereitet: Wasserlandschaften, Dachgärten, begrünte Innenhöfe, energetisch sanierte Häuser, rückgebaute Straßen prägen das Stadtbild. Unsere Stadt hat eine kleinparzellige Bebauung mit einer hohen sozialen und funktionalen Durchmischung. Flächen für Kitas oder generationengerechte Wohnungen, Plätze, Platz für Gemeinschaftsgärten, Freiräume für Kultur sind immer mit eingeplant."

Die Kandidaten zur Verkehrssituation

3. Was ist Ihnen wichtiger: freie Fahrt für Autos oder bessere Luftqualität?

FDP, Bernd Klingler (46), selbstständiger Werbefachwirt:

"Hier sollte man nicht das eine gegen das andere ausspielen. Wir müssen schauen, dass der Verkehr in unserer Stadt verflüssigt wird. Fließender Verkehr sorgt für weniger Feinstaub. Daher sind die Optimierung des Verkehrsablaufs auf der Straße, der Einsatz moderner Verkehrsleitsysteme, ein Parkraummanagement und eine effiziente Abwicklung und Koordinierung von Baumaßnahmen besonders wichtig. Das muss vorangetrieben werden. Ebenso sollte der feinstaubproduzierende Parksuchverkehr eingeschränkt werden und es deshalb mehr Parkplätze im Stadtgebiet geben."

Freie Wähler, Jürgen Zeeb (63), Freier Architekt:

"Hier einen Gegensatz zu postulieren, lehnen wir ab. Inzwischen wurde in zahlreichen Messungen festgestellt, dass ein flüssiger Verkehr für die Luftqualität besser ist. Daher brauchen wir eine gute integrierte Verkehrssteuerung. Wir wollen staufreie und sanierte Straßen und setzen uns für eine Verflüssigung des Verkehrs ein. Selbstverständlich soll der ÖPNV weiter ausgebaut werden, z. B. mit Tangentialverbindungen, damit die Außenbezirke auch untereinander eine bessere Anbindung haben. Beim Fahrradverkehr setzen wir uns für eine bedarfsabhängige Weiterentwicklung der Radrouten ein."

SÖS, Hannes Rockenbauch (33), Diplomingenieur Architektur:

"Pendler und Einwohner stehen Tag für Tag im Stau, große Teile der Stadt sind durch Feinstaub belastet. Takte im ÖPNV sind ausgedünnt. Wir wollen: weg von der Dominanz des Autos,  eine Mobilitätskarte mit einem unkomplizierten Zugang zu allen Verkehrsmitteln, eine Studie zur Bewertung verschiedener Finanzierungsmodelle mit dem Ziel des Nulltarifs im ÖPNV (Nahverkehrsabgabe, City-Maut, Mitfinanzierung durch die Wirtschaft), die  Umwandlung aller Anwohnerstraßen in verkehrsberuhigte Bereiche und Tempo 30 überall dort, wo nicht zwingend ein höheres Tempo vorgeschrieben ist."

Die Kandidaten zu Betreuungsmodellen

4. Welche Betreuungsmodelle sollte es an Grundschulen geben?

FDP, Bernd Klingler (46), selbstständiger Werbefachwirt:

"Wir sind für den Erhalt von Grundschulen, Sonderschulen und allen weiterführenden Schularten als eigenständige Schulformen. Die bestehenden Gemeinschaftsschulen sind als Ergänzung der Bildungslandschaft zu sehen und müssen ihre Qualität erst noch beweisen. Wir wollen den Ausbau von Ganztagsschulen, die allerdings nicht verpflichtend sein sollen. Wir wollen ein Betreuungsmodell, das möglichst individuelle Möglichkeiten der Ganztags- und der Dreivierteltagsbetreuung anbietet, die den Bedürfnissen entsprechen."

Freie Wähler, Jürgen Zeeb (63), Freier Architekt:

"Die Betreuungsangebote sollten die Wünsche und Vorstellungen der Eltern berücksichtigen. Darunter verstehen wir, dass es neben einem Ganztagsschulangebot auch Halbtagsangebote geben soll für die Eltern, die andere Nachmittagsbetreuungen wollen. Wichtig ist uns dabei, dass Kinder an allen Grundschulen die Möglichkeit haben, ein Mittagessen in der Schule zu bekommen. Von Elterninitiativen betriebene Kinderbetreuungseinrichtungen müssen bei der Weiterentwicklung von Schülerhäusern und Ganztagsschulen berücksichtigt bleiben."

SÖS, Hannes Rockenbauch (33), Diplomingenieur Architektur:

"Wir möchten, dass alle Grundschulen, die das möchten, zu Ganztagsschulen ausgebaut werden. Wir sind für ein kostenloses Angebot bis 16 Uhr, das eine erholsame Mittagspause und einen rhythmisierten Unterricht ermöglicht. Wir wollen ein gesundes Gratismittagessen für alle Schüler, damit Kinder aus ärmeren Familien nicht diskriminiert werden. Wir sind für die Förderung individuellen und kooperativen Lernens und für eine qualifizierte Schulsozialarbeit an allen Schulen. Wir wollen Horte in den Stadtteilen, wo noch Ganztagsschulen fehlen."

Die Kandidaten zur öko-sozialen Ratsmehrheit

5. Noch regiert OB Kuhn mit einer öko-sozialen Ratsmehrheit. Wäre es für ihn schwerer, seine Ziele mit einer bürgerlichen Mehrheit umzusetzen?

FDP, Bernd Klingler (46), selbstständiger Werbefachwirt:

"Wir unterstellen dem OB, dass er der Stadt Bestes will – ebenso wie wir im Gemeinderat. Natürlich wünschen wir uns von einem Stadtoberhaupt ideologisch ungefärbtes Handeln. Sollte es zu einer bürgerlichen Mehrheit kommen, würden sicherlich auch andere Beschlüsse fallen. So würde es zum Beispiel den fragwürdigen Radweg in Bad Cannstatt sicher nicht geben, aber auch keine ideologisch geprägte Parkplatzvernichtung im Stadtgebiet. Auch die bisherigen Entscheidungen zur Ausweisung von Baugebieten würden bestimmt anders ausfallen."

Freie Wähler, Jürgen Zeeb (63), Freier Architekt:

"In der Kommunalpolitik gibt es keine Regierung und keine Opposition. Sollte es zu anderen Mehrheitsverhältnissen kommen, ist davon auszugehen, dass auf OB Kuhn neue Herausforderungen zukommen. Wir sehen hier die bereits bekannten Themen wie  Ausbau der Radwege, Wohnungsbau (wo und in welcher Dichte?), Nutzung öffentlicher Plätze, Höhe der Grundsteuer, die bei anderen Kräfteverhältnissen mit einer anderen Gewichtung bearbeitet würden. Da wir Freie Wähler nach sachorientierten Lösungen suchen und der besten Idee zum Durchbruch verhelfen, ist uns Lagerdenken fremd."

SÖS, Hannes Rockenbauch (33), Diplomingenieur Architektur:

"Energiewende, Feinstaub, Stuttgart 21, Wohnungsmangel, hohe VVS-Preise, Stadtzerstörung: Von einem grünen OB und einer starken grünen Fraktion erwarteten viele eine soziale und ökologische Wende. Stattdessen erleben wir eine ganz große Koalition aus Grünen, CDU, SPD, FDP und Freien Wählern etwa  bei der Kooperation von Stadtwerken und EnBW, bei S 21, dem Haushalt und der LBBW-Stützung. Eine schwarz-grüne Koalition scheint in Stuttgart salonfähig gemacht zu werden. Wir nehmen aber an, dass es keine bürgerliche Mehrheit gibt, sondern dass SÖS Stimmen dazugewinnt und eine starke Fraktion stellt."