Willkommen im Fußballimperium des Brauseherstellers: Jürgen Klopp wird künftig als „Global Head of Soccer“ agieren. Foto: Imago//Elmar Kremser

Auf seinen Stationen in Mainz, Dortmund und Liverpool hat sich Jürgen Klopp den Status einer Trainerlegende erarbeitet. Nun erregt sein Wechsel zu Red Bull die Gemüter – wir bewerten die Entscheidung in einem Pro und Kontra.

Jürgen Klopp is back. Als Manager meldet sich der 57-Jährige schneller als erwartet auf der Fußballbühne zurück. Dass er zum 1. Januar 2025 als „Global Head of Soccer“ gerade bei Red Bull einsteigt, sorgt gerade nicht nur in der Fanszene für reichlich Kopfschütteln. Wir haben den Entschluss Klopps in einem Für und Wider bewertet.

 

Ja, die Aufregung der Fans ist berechtigt

Als er noch Dortmunder Erfolgstrainer war, da prangte der Begriff „Pöhler“ auf der Frontseite seines Käppis – so wie sie einen Straßenkicker unter Malochern auf Ruhrgebietsdeutsch rufen. Jetzt aber ist Jürgen Klopp entrückt in die schwer zu greifende Rolle eines „Global Head of Soccer“ – und wird demnächst also seine Visitenkarten mit dem Emblem des unter der Mehrheit der Fußballfans so ungeliebten Imperiums von Red Bull weiterreichen. Angesichts der Größe dieser Metamorphose reibt sich auch die Fachwelt verdutzt die Augen.

Klopp hat mit seiner Entscheidung für den finanzstarken Brausemulti aber in erster Linie die Basis mit großer Wucht vor den Kopf gestoßen. Aus einem von uns, stellen die Traditionalisten verstört fest, ist plötzlich einer von denen geworden. Eben noch energiegeladen vor the Kop, wo die treuesten Fans der Reds des FC Liverpool an der traditionsreichen Anfield Road stehen; nun aufs Engste verbunden mit den Red-Bull-Machern, also quasi den Erfindern des Fußballkommerz aus der Retorte. Wer hätte Klopp das zugetraut?

Ziemlich sicher wird Red Bull „von der stärksten Verpflichtung unserer Fußballgeschichte“ profitieren, wie es im Pressetext heißt. Doch das Image des Strahlemanns Klopp hat einen bitterbösen Lackschaden erlitten. Der geniale Trainer, der sich auf seinen Stationen in Mainz, Dortmund und Liverpool mit totaler Hingabe, Akribie und Sachverstand den Status einer Legende erarbeitet hat, will sich nun in „eine Mentorenrolle begeben“, will von „anderen Branchen lernen und rausfinden, was möglich ist“.

Das klingt schwammig und ist komplett neu für einen Mann der Tat, als den man Klopp bisher kannte. Klar ist: In eine Pionierrolle, wie sie einst Ralf Rangnick besetzte, kann der 57-Jährige bei Red Bull nicht schlüpfen, denn die Strukturen stehen. Vielmehr wird Klopp auch der Vorwurf begleiten, er habe sich in ein gemachtes Nest gesetzt. In einer üppig dotierten Rolle irgendwo zwischen Frühstücksdirektor und fußballerischem Übervater, der jederzeit wieder gehen kann. Möglicherweise dann, wenn die Fußballnation eines Tages auf der Suche nach einem Bundestrainer ist. Heiko Hinrichsen

Nein, die Aufregung der Fans ist nicht berechtigt

Das Bild wird sich verändern – vom feurigen Trainer an der Seitenlinie zum kühl kalkulierenden Manager in der Chefetage. Für viele ist allein dieser Wandel kaum vorstellbar, wenn es um Jürgen Klopp geht. Dass er zudem bei Red Bull unterschrieben hat, enttäuscht unzählige Fans – aber warum?

Klopp hat wie alle anderen Menschen das Recht, sein Berufsleben selbst zu gestalten. Und wenn man auf seine Trainerbiografie blickt, dann zeichnet ihn aus, dass er immer schon seinen eigenen Kopf hatte. Mit konkreten Vorstellungen über Fußball und klaren Vorgaben in der Teamführung. Ausgelebt hat er seine Leidenschaft bisher eben ausschließlich in Traditionsvereinen – und nun versucht ein sogenannter Plastikclub von seinen Kompetenzen zu profitieren.

Mehr ist nicht passiert. Denn es gibt auch eine Welt jenseits der Empörung. Für Klopp stellt das Engagement bei dem Brause- und Sportimperium eine neue Herausforderung dar, mit allen Mitteln und Möglichkeiten. Das ist schlichtweg Teil des Geschäfts, können all jene sagen, die es nicht mit der Fußballromantik halten. Doch wer Klopp kennt, weiß, dass er sich nicht nur von dem vielen Geld leiten lässt, das er jetzt als „Head of Global Soccer“ zweifellos erhält. Der 57-Jährige wird vor Ideen sprühen und sie ab Januar tatkräftig umsetzen.

Zum Frühstücksdirektor ist Klopp nicht geboren. Auch wenn er jetzt in den Stadien auf Logensitzen Platz nimmt und nicht mehr auf den Trainerbänken. Dennoch verliert der Fanliebling in der Öffentlichkeit an Glaubwürdigkeit. Weil er auf ewig mit dem FSV Mainz 05, Borussia Dortmund und dem FC Liverpool in Verbindung gebracht wird. Legendenstatus hat er sich dort erarbeitet. Tiefe Spuren hat er inhaltlich hinterlassen, vielleicht sogar Lebenswerke geschaffen. Das nimmt ihm keiner. Unabhängig davon, was er jetzt tut.

Klopp bleibt Klopp – der Mann, der Fußball perfekt und unterhaltsam vermitteln kann. Doch der persönliche Preis war hoch. Klopp fühlte sich nach 25 Jahren auf dem heißen Trainerstuhl zuletzt ausgebrannt. Jetzt spürt er nach kurzer Pause ein neues Feuer in sich und will es in einem veränderten Umfeld weiter entfachen. Das ist sein gutes Recht. Er wird für die Aufgabe brennen. Carlos Ubina