Fast jeder Zweite ist im vergangenen Jahr bei der theoretischen Prüfung für den Autoführerschein durchgefallen. In Baden-Württemberg lag die Durchfallquote bei rund 47 Prozent. Wir haben die Gründe recherchiert, warum immer mehr Fahrschüler an der Theorieprüfung scheitern.
„Sie kommen als Erster an eine Unfallstelle mit Verletzten. Sie sichern die Unfallstelle ab und haben sich einen Überblick verschafft. Was müssen Sie noch tun?“ – zur Auswahl stehen die Antworten A: Unfall dokumentieren, B: Verletzten Erste Hilfe leisten und C: Rettungsdienst alarmieren.
Dies ist nur eine von mehr als 1000 möglichen Fragen, die bei einer theoretischen Prüfung für den Autoführerschein gestellt werden können. Bei der Beispielfrage wären gleich zwei Antworten richtig gewesen: Antwort B und Antwort C – denn für die Dokumentation eines Unfalls sind nicht die Ersthelfer, sondern die Polizei verantwortlich.
Für viele wirkt so eine Frage zunächst einfach – doch die Zahlen zeigen ein anderes Bild: Fast jeder zweite Fahrschüler ist im vergangenen Jahr durch die theoretische Fahrprüfung für den Autoführerschein gefallen – bundesweit sind es 45 Prozent. In Baden-Württemberg lag die Durchfallquote sogar etwas höher bei rund 47 Prozent. Woran liegt das?
Fragenkatalog ändert sich
„Der Straßenverkehr wird immer komplexer und die Prüfung spiegelt das Geschehen im Straßenverkehr wider“, erklärt Richard Goebelt, Tüv-Fachbereichsleiter für Fahrzeuge und Mobilität.
Denn die Fahrschüler bekommt es nicht nur mit den klassischen Textfragen zu tun – inzwischen sind auch dynamische Formate wie Video-Sequenzen fester Bestandteil. „Diese modernen Aufgabenformate tragen dazu bei, die Verkehrswahrnehmung und das Verständnis der Bewerberinnen und Bewerber realitätsnah zu überprüfen“, sagt Goebelt.
Am 1. April wurde der offizielle Fragenkatalog um 64 neue Fragen ergänzt. Schwerer werde die Theorieprüfung laut dem Tüv-Verband aber eigentlich nicht – dass Änderungen an den Fragen vorgenommen werden, sei üblich.
Mit der jüngsten Überarbeitung des Fragenkatalogs seien 123 veraltete Fragen gestrichen worden. Insgesamt hat sich der Umfang also reduziert. Neue Mobilitätsformen wie E-Scooter, Lastenräder oder Pedelecs sowie gesetzliche Änderungen wie die Anpassung des THC-Grenzwerts fließen in den Fragenkatalog ein.
Um allen Prüflingen die gleichen Chancen zu bieten, wird die Theorieprüfung inzwischen in zwölf Fremdsprachen angeboten. Menschen mit nicht-deutscher Erstsprache sollen faire Bedingungen haben. Gleichzeitig werde bei der Formulierung der Fragen auf eine fachliche und klare Sprache geachtet.
Das System sei transparent, betont Goebelt: „Alle Fragen sind für die Fahrschüler und Fahrschülerinnen zugänglich.“ Mithilfe einer App können Fahrschüler sich auf die Fragen vorbereiten, die am Prüfungstag abgefragt werden können. Wer seinen Führerschein bereits in der Tasche hat, kann auf der Website des Tüv-Verbands sein Wissen testen.
Mehr als 500 Täuschungsversuche
Wer die Prüfung auf Anhieb bestehen möchte, müsse sich gezielt darauf vorbereiten, weiß Goebelt. Statt zu lernen, scheinen es sich manche Fahrschüler aber auch leicht machen zu wollen. Denn nach Zahlen des Tüv-Verbands belegt Baden-Württemberg einen weiteren traurigen Spitzenplatz: 525 Täuschungsversuche hat es im Jahr 2024 in der Theorieprüfung gegeben. Damit liegt Baden-Württemberg auf Platz zwei hinter Nordrhein-Westfalen.
Auch wenn in Baden-Württemberg im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich viele Fahrschüler durch die Theorieprüfung fallen, schneidet das Ländle in der Praxisprüfung besser ab: 63 Prozent der Fahrschüler aus Baden-Württemberg bestehen die praktische Prüfung direkt beim ersten Versuch. Damit liegt das Bundesland insgesamt auf dem dritten Platz.