Auf gerader Strecke lässt sich der Benz Patent-Motorenwagen leicht fahren – in den Kurven muss Redakteurin Andrea Jenewein erst das rechte Maß finden. Benedikt Weiler hilft dabei. Foto: Max Kovalenko

Es ist ein Angebot, das man nicht ablehnt: „Wollen Sie den Führerschein für den Benz Patent-Motorenwagen machen“, fragt Friederike Valet vom Mercedes-Benz Museum. Auf den Spuren von Bertha Benz wandeln? Ja! Aber ist der Versuch auch erfolgreich?

Stuttgart - Oh je, ist das schnell! Der Wagen muss gewiss mehr als die 16 Stundenkilometer drauf haben, die er angeblich nur fahren kann. „Aber nein, die Höchstgeschwindigkeit haben wir noch nicht einmal erreicht“, sagt Benedikt Weiler, der den Wagen fährt, und lacht. Kaum zu glauben, vor allem, wenn sich das dreirädrige Gefährt in die Kurve legt. Kann es denn auch umkippen? Das erhoffte nein bleibt aus. „Natürlich“, sagt Weiler und lässt die kleine Kurbel des Lenkrads locker zwischen zwei Fingern durchgleiten, während die Beifahrerin die Hände unwillkürlich etwas fester um die Rückenlehne des Wagens schließt.

Der Wagen ist freilich nicht irgendeiner, sondern das erste Automobil der Welt: der Benz Patent-Motorenwagen. Oder vielmehr ein Nachbau dieses Fahrzeugs mit Gasmotorenantrieb, das Carl Benz 1886 patentieren ließ. Zwei Jahre später – vor genau 125 Jahren – unternahm seine Frau, Bertha Benz, mit den Söhnen Eugen und Richard in diesem Benz Patent-Motorenwagen die erste Fernfahrt von Mannheim nach Pforzheim. Allerdings schon mit dem Typ 3 des Wagens, der im Vergleich zum Typ 1 eine weitere Sitzbank, einen zweiten Gang und bereits zwei PS hatte. Der Typ 1 hat gerade einmal 0,75 Pferdestärken – und kann maximal 16 Stundenkilometer schnell fahren. Wenngleich man das – wie gesagt – kaum glauben mag, wenn man selbst darauf sitzt.

Doch beim Draufsitzen soll es nicht bleiben. Vielmehr geht es an diesem Tag darum, den Führerschein für den Benz Patent-Motorwagen zu erwerben. Eine große Ehre – konnte bisher doch nur ein Mensch solch eine Fahrerlaubnis sein Eigen nennen. Doch um selbst stolze Besitzerin zu werden, gilt es zunächst, eine theoretische und eine praktische Prüfung zu bestehen.

Bertha Benz kommt höchstpersönlich vorbei

Nervosität macht sich breit, während Benedikt Weiler vom Mercedes-Benz Museum mit Geduld und Begeisterung die Technik des ihm anvertrauten Schätzchens erklärt – so gut, dass selbst nicht-Technik-affine Menschen eine Ahnung davon bekommen, wie diese Art von Motor funktioniert.

Inmitten seiner Ausführungen kommt Bertha Benz höchstpersönlich vorbei. In Wahrheit heißt die Dame, die in ein Gewand der Zeit gehüllt ist, Vivien Gress. Sie erzählt als Bertha Benz von ihren Erlebnissen – und auch davon, dass man damals dachte, Frauenhirne seien zu klein für große Gedanken. Erzürnt von diesem Vorurteil, begeben wir uns mit einem ausgeprägten Willen zu Bestehen in die Theorieprüfung. 16 Fragen sind zu beantworten, es stehen immer drei Antworten zur Auswahl. Einige Fragen sind leicht zu beantworten, etwa die nach der PS-Zahl (wissen Sie’s noch?), andere sind schon schwieriger. Etwa die: Wie viel Kühlwasser verbraucht der Benz Patent-Motorenwagen auf 100 Kilometer? Zehn, 30 oder 100 Liter? Gut, dass Bertha Benz erwähnte, dass sie oft an Brunnen halten musste – es sind 100 Liter.

Bertha-Benz-Tage im Mercedes-Benz-Museum

Bestanden! Mit 16 von 16 zu erreichenden Punkten, dafür gibt es ein Lob von Friederike Valet vom Mercedes-Benz Museum. Damit ist man zum praktischen Teil zugelassen. Aber wie bringt man den schmucken Wagen zum Laufen? Da gilt es nicht nur, den Zündschlüssel im Schloss zu drehen, sondern die Antriebscheibe mit großer Kraft und noch mehr Gefühl so zu drehen, dass der Motor anspringt. Aber es will und will nicht gelingen. Ein Glück, dass dies nicht Teil der Prüfung ist! Dafür klappt das Fahren gut – schnell hat man raus, dass man große Kurven fahren muss, um nicht zu kippen, und dass man diese nicht zu rasant, aber auch nicht zu langsam nehmen darf – sonst bleibt der Wagen stehen und es heißt für Benedikt Weiler, der jetzt Beifahrer ist: schieben. Nach der erfolgreichen Fahrt zischt es beim euphorischen Sprung vom Wagen plötzlich scharf im Motor. Wasser spritzt in einer kleinen Explosion aus dem Kühler. Das erste Automobil gratuliert auf seine ganz eigene Art zum bestandenen Führerschein.

Mit den Bertha-Benz-Tagen erinnert das Mercedes-Benz Museum bis zum Sonntag an die erste Automobil-Fernfahrt vor 125 Jahren. Bertha Benz steht dabei als Pionierin des Automobils im Mittelpunkt. Am Sonntag, 4. August, ist der Eintritt ins Museum frei. Montag ist Ruhetag. www.mercedes-benz-classic.com