Bei den Gläubigen beliebt, in den konservativen Gruppen der katholischen Kirche manchmal kritisch beäugt: Walter Kardinal Kasper feiert am Sonntag seinen 90. Geburtstag.
Walter Kardinal Kasper sprach oft das deutlich aus, was sich die Katholiken wünschten. Ging es um sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen, dann schwieg er nicht, sondern drückte seine tiefe Betroffenheit aus. „Geschämt habe ich mich, dass auch Priester Minderjährigen durch sexuellen Missbrauch für ihr ganzes Leben schweres Leid zugefügt haben und dass diese Taten oft auch noch vertuscht wurden“, sagte Kasper einst der Wochenzeitung „Die Zeit“.
Großer Einfluss im vatikanischen Führungszirkel
Ging es um Reformen in der Kirche, dann war er oft näher an der Gemeinde vor Ort als am Vatikan. Dabei galt er lange als einer der einflussreichsten Vertreter im Führungszirkel des Papstes. Er galt dabei als liberaler Antipode seines früheren deutschen Kardinalskollegen Joseph Ratzinger (1927-2022), später Papst Benedikt XVI.
Aufsehen erregte im Juli 1993 der Hirtenbrief, den der Rottenburger Bischof mit seinen Kollegen Karl Lehmann aus Mainz und Oskar Saier aus Freiburg verfasste. Sie befürworteten in begründeten Einzelfällen die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion.
Am 5. März 1933 in Heidenheim an der Brenz geboren, wuchs Kasper zunächst in Wäschenbeuren bei Göppingen auf. 1946 zog die Familie nach Wangen im Allgäu. Sein Abitur machte der Konviktschüler 1952 in Ehingen. Kasper studierte in Tübingen und München Philosophie und Katholische Theologie.
Am 6. April 1957 weihte ihn Bischof Carl Joseph Leiprecht im Rottenburger Dom zum Priester. Schnell machte er in der Kirche Karriere. Früh kam er erstmals nach Rottenburg (Kreis Tübingen), war dort ein Jahr am Priesterseminar.
Er promovierte und war anschließend an den Universitäten in Münster und Tübingen tätig. Nach seiner Bischofsweihe am 17. Juni 1989 leitete Walter Kasper die Diözese Rottenburg-Stuttgart zehn Jahre. „Mit richtungsweisenden Entscheidungen und nachhaltigen Impulsen hast du tiefe Spuren in Geschichte und Gegenwart unserer Diözese hinterlassen“, betont sein Nachfolger Bischof Gebhard Fürst. Kasper sei „einer der profiliertesten Theologen unserer Zeit“.
Er verweist dabei auf Kaspers Engagement für die Jugend und die Reform der Diözesankurie, aber auch auf Impulse für ein zeitgenössisches Gemeindeleben. 1999 berief Papst Johannes Paul II. Kasper in den Vatikan – zunächst als Sekretär des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Bevor er 2001 die Präsidentschaft des Rates übernahm, erhob ihn der Papst zum Kardinal. Seither befindet sich der Lebensmittelpunkt Kaspers in Rom.
„Seine schwäbische Herkunft verleugnete er jedoch nie“, kommentiert seine Heimat-Diözese mit Hauptsitz in Rottenburg. Er pflege bis heute eine enge Verbindung zu seiner Heimat. An der Tübinger Fakultät habe er fast 20 Jahre Generationen von späteren Priestern, Pastoralreferenten und Religionspädagogen der württembergischen Diözese sowie wissenschaftlichen Schüler aus aller Welt unterrichtet und geprägt.
Der pragmatische Reformer forderte einen Aufbruch in der katholischen Kirche
Kaspers Stil wird als offen und unkompliziert geschildert. Dabei galt er stets als pragmatischer Reformer, der sich traute, den Finger in die Wunde zu legen. So betonte der frühere „Ökumen-Minister“ immer wieder, dass die Kirche einen Aufbruch nötig habe. Gleichzeitig sprach er sich auch in den vergangenen Jahren dafür aus, am Zölibat festzuhalten.
In Valledar (Rheinland-Pfalz) wird an seinem Geburtstag der offizielle Festakt stattfinden. Am 12. März zelebriert Kardinal Kasper zusammen mit Bischof Fürst und Weihbischof Matthäus Karrer um 10.30 Uhr ein Pontifikalamt in der Kirche St. Martin in Wangen im Allgäu. Zuvor feiert die Stadt Rottenburg ihren Ehrenbürger mit einer Serenade der Bürgerwache am Freitag, 10. März, um 17 Uhr auf dem Marktplatz, danach gibt es einen Festakt für geladene Gäste.