Die ukrainische Armee hat im Osten der Ukraine zuletzt strategisch wichtige Gebiete zurückerobert. Foto: Leo Correa/AP/dpa/Leo Correa

Im Russland-Ukraine-Krieg deutet sich ein Wendepunkt an: Innerhalb weniger Tage haben die Ukrainer strategisch wichtige Gebiete von den Russen zurückerobert. Um welche Orte es konkret geht – und wo nun die Front verläuft: Ein Überblick mit Karte.

Es könnte ein Wendepunkt sein im Krieg in der Ukraine: Innerhalb weniger Tage hat die ukrainische Armee im Osten der Ukraine strategisch wichtige Gebiete von den russischen Truppen zurückerobert. Die beiden Kleinstädte Isjum und Kupjansk etwa, ebenso Balaklija. Mehr als ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn hat das russische Verteidigungsministerium am Wochenende zudem den Abzug eigener Truppen aus der Region Charkiw bekannt gegeben. Offiziell begründet wurde der Rückzug mit einer strategischen „Umgruppierung“ der Einheiten, Beobachter sehen den Grund eher im Druck der ukrainischen Gegenoffensiven.

Am Montagmorgen teilte der ukrainische Generalstab mit, dass sich die russischen Besatzer auch aus Teilen des südlichen Gebiets Cherson zurückziehen sollen. „Die Befreiung von Ortschaften unter russischer Besatzung in den Gebieten Charkiw und Donezk setzt sich fort“, hieß es im jüngsten Lagebericht. Insgesamt seien mehr als 20 Ortschaften innerhalb der letzten 24 Stunden zurückerobert worden. So hätten die russischen Truppen nun auch Welykyj Burluk und Dworitschna verlassen. Beide Ortschaften liegen im Norden des Gebiets Charkiw.

Strategisch wichtige Gebiete zurückerobert

Unabhängig überprüfen lassen sich diese jüngsten Angaben noch nicht, doch es ist klar: Innerhalb weniger Tage haben Kiewer Truppen im Krieg in der Ukraine riesige Gebietsabschnitte zurückerobert. Der ukrainische Generalstab sprach am Sonntag von mehr als 3000 Quadratkilometern. Im Gebiet Charkiw kommt die Armee nicht nur in südlicher und östlicher Richtung voran, sondern auch nach Norden in Richtung Staatsgrenze. Im Laufe des Sonntags zogen sich die russischen Truppen aus weiteren Grenzorten zurück.

Die zurückeroberten Gebiete gelten als strategisch wichtig: Kupjansk als Eisenbahnknoten mit Anschluss an das russische Bahnnetz diente Russland zur Versorgung seiner Truppen. Von Isjum und Balaklija aus sollten die russischen Angreifer die ukrainischen Verteidiger im Großraum Slowjansk – Kramatorsk, der letzten von Kiew gehaltenen Festung im Donbass, in die Zange nehmen. Daraus wird nun nichts.

Zurückgelassene Ausrüstung der russischen Soldaten

Der Einschätzung der US-amerikanischen Militärexperten vom Institute for Study of War nach übersteigen die ukrainischen Geländegewinne binnen weniger als einer Woche diejenigen der Russen seit April. „Die Befreiung von Isjum wäre der bedeutendste militärische Erfolg der Ukraine seit dem Sieg in der Schlacht um Kiew im März“, schrieben die Experten am Sonntag.

Der schnelle Vorstoß beweglicher ukrainischer Einheiten zwang die russischen Truppen im Gebiet Charkiw zu einem hastigen Rückzug gen Osten. Ein Verband von rund 10 000 russischen Soldaten musste sich hinter den Fluss Oskil zurückziehen. Der russische Generalstab, der am Samstag erstmals nach Beginn der Gegenoffensive überhaupt Stellung zu den Vorgängen nahm, sprach davon, die Kräfte für den weiteren Vormarsch auf den Donbass bündeln zu wollen. Doch zurückgelassene Panzer, Ausrüstung, Waffen und Munition sprechen nicht für einen planmäßigen Abzug.

Wendepunkt im Krieg in der Ukraine?

Erste Expertinnen und Experten sprechen nun bereits von einem Wendepunkt im russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Allerdings hält Russland noch immer gut ein Fünftel des Staatsgebiets besetzt, einschließlich der Halbinsel Krim.

Doch zumindest die Stimmung hat sich gedreht. Für Kiew ist der Vormarsch auch aus Imagegründen wichtig, um weitere Waffenlieferungen aus dem Westen mit realen Ergebnissen rechtfertigen zu können. In Deutschland wurde die Debatte über weitere Waffenlieferungen und Unterstützung der Ukraine deshalb nun wieder lauter.