Vor zehn Jahren ist sie aus Syrien geflohen, nun erfüllt sich mit der Übernahme des „Velly“-Friseursalons in Aistaig für sie ein Traum: Maison Al Khadraa hat einen schwierigen Weg hinter sich. Nach der Schließung des Real-Marktes stand sie erst einmal vor dem Nichts.
Kamm und Schere liegen bereit – jetzt fehlen nur noch die Kunden. Seit 1. Juni ist Maison Al Khaadra Chefin im „Velly Coiffure“ in der Aistaiger Mafellstraße – und bereit, nun richtig durchzustarten. Dafür darf man auch gerne spontan in den Laden kommen, ganz ohne Terminvereinbarung, sagt sie.
Dass sie hier einsteigen konnte, war ein Glücksfall für die 45-Jährige. In einem Friseursalon Arbeit zu finden, sei, vor allem seit der Corona-Pandemie, leider alles andere als einfach, berichtet sie. Zumal Al Khadraa sich in Oberndorf einfach am wohlsten fühlt und mit Blick auf ihre jüngste Tochter in der Nähe bleiben will.
Zurück nach Oberndorf
Die Arbeit im Salon „Top Hair“ im „Real“ auf dem Lindenhof machte ihr großen Spaß, wie sie sagt. Als der Markt schloss, stand sie erst einmal vor dem Nichts. Danach arbeitete sie zeitweise in Friseursalons in Balingen, Bad Dürrheim und Radolfzell, wollte aber eigentlich wieder eine Stelle in Oberndorf.
In dieser Zeit kam der Kontakt zu Harald Möhrle zustande. Dieser hatte sein Hauptgeschäft „Möhrle Hairstyling“ in Bochingen und die Filiale in Aistaig vor einigen Jahren an seine Tochter Sandra übergeben. Die Aistaiger Filiale war seit rund einem Jahr aber geschlossen, wie Maison Al Khadraa erzählt.
Hochsteckfrisuren macht sie besonders gern
In Syrien hatte sie von 2005 an bereits ein eigenes Friseurgeschäft. Hauptberuflich war sie allerdings Lehrerin für Arabisch und Mathematik von der ersten bis zur sechsten Klasse. Nachmittags stand sie dann im Salon und zauberte vor allem mit Vorliebe Hochsteckfrisuren.
2014 floh sie wegen des Krieges über die Türkei und Italien nach Deutschland – mit zwei ihrer Kinder, für mehr reichte das Geld damals nicht. Und zu groß war die Angst, dass die Kinder als Soldaten verpflichtet werden könnten. „So ging es vielen bei uns. Gesunde Kinder wurden ohne Erfahrung in den Krieg geschickt und starben“, erzählt sie. Die Familie lebte in einem Dorf nahe Damaskus. Essen und Geld waren ebenso knapp wie Medikamente.
Warten auf den deutschen Pass
Ein Jahr später konnte sie ihre Familie ganz nach Deutschland holen. Die Familie lebt hier nun mit einem unbefristeten Aufenthaltstitel. Die deutsche Staatsbürgerschaft wurde ebenfalls schon beantragt, auf die müsse man aber eine ganze Weile warten, sagt Al Khadraa. Für ihre Kinder ein Problem, wolle der eine Sohn doch beispielsweise zur Bundeswehr und benötige dafür den deutschen Pass.
Seit 2017 arbeitet die 45-Jährige in Deutschland als Friseurin. Anfangs habe man sie wegen des Kopftuchs nicht eingestellt, sagt sie. Also habe sie es irgendwann weggelassen. „Ich mag diesen Beruf einfach sehr. Da hängt mein Herz dran“, erklärt sie.
Einen Meistertitel hat sie nicht, jedoch wurde sie von der Handwerkskammer hinsichtlich ihres Könnens geprüft. Sie stehe außerdem immer noch im Kontakt mit Kollegen aus der Türkei und den Arabischen Emiraten. Mit ihnen tausche sie sich regelmäßig über Techniken und Produkte aus.
Neuer Lebensabschnitt
Maison Al Khadraa fühlt sich hier wohl und angekommen. Und sie möchte anderen Flüchtlingen ebenfalls die Chance geben, hier Fuß zu fassen. So beschäftigt sie in Aistaig Mitarbeiter aus Syrien und dem Libanon.
Die 45-Jährige freut sich nun auf diesen neuen Lebensabschnitt und steht von Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr und am Samstag von 9 bis 15 Uhr im Salon für Kunden zur Verfügung.