An diesem Mittwoch (19.30 Uhr) beginnt für Frisch Auf Göppingen mit dem DHB-Pokalspiel bei Drittligist HSV Bad Blankenburg der Pflichtspielernst, am Sonntag geht’s dann in der Liga los. Für Spielmacher Michael „Mimi“ Kraus ist es ein Neuanfang, für Trainer Velimir Petkovic der Start seiner Abschiedstour.
Göppingen An diesem Mittwoch (19.30 Uhr) beginnt für Frisch Auf Göppingen mit dem DHB-Pokalspiel bei Drittligist HSV Bad Blankenburg der Pflichtspielernst, am Sonntag geht’s dann in der Liga los. Für Spielmacher Michael „Mimi“ Kraus ist es ein Neuanfang, für Trainer Velimir Petkovic der Start seiner Abschiedstour. -
Herr Kraus, waren Sie auch schon als Kind von guten Spielzügen fasziniert?
Kraus (lacht): Meine Brüder hatten eine Modelleisenbahnanlage in ihrem Zimmer. Ich war jede freie Sekunde draußen und habe Sport getrieben. Petkovic: Das war bei mir ganz genauso. Mich hat von Kindesbeinen an nur das Spielen mit Bällen interessiert. Kraus: Leider produziert Märklin keine, dennoch gehört das Unternehmen genauso wie die Marke Frisch Auf zu Göppingen.
Was bedeutet Ihnen Heimat?
Kraus: Sehr, sehr viel. Ich bin 2007 von Frisch Auf weg, und jedes Mal, wenn ich aus Lemgo oder Hamburg wieder hierher zu Besuch gekommen bin, hat mein Herz ein paar Kilometer vor Göppingen zu hüpfen begonnen.
Petkovic: Mein Herz schlägt doppelt. Ich bin vor 22 Jahren aus Bosnien nach Baden-Württemberg gekommen. Ich habe einen deutschen Pass, was nichts daran ändert, dass manche mit meiner Mentalität immer noch nicht klarkommen.
Warum?
Petkovic: Ich zeige mein Emotionen, rede offen und ehrlich. Viele mögen mich aus diesem Grund, manche eben nicht.
Weil Sie stur wie ein Panzer sein können?
Kraus: Petko ist einfach entschlossen, zielgenau, bei ihm gibt es kein Links und kein Rechts. Wer nicht mitzieht, fällt durchs Raster. Ich habe das auch erst kapieren müssen.
Deshalb dachten wir, Sie beide gehen gemeinsam bei Frisch Auf in Rente.
Kraus: Das war der Plan.
Doch jetzt hört der Trainer schon nach der kommenden Runde auf.
Petkovic: Mimi und ich haben das Ziel erreicht, noch einmal zusammenzuarbeiten. Ich freue mich, dass Mimi da ist – und mein Ziel ist es, dass er wieder konstant auf Weltklasseniveau spielt.
Waren Sie sehr enttäuscht, dass der Verein und Petkovic den ursprünglich bis 2015 laufenden Vertrag um ein Jahr verkürzt haben?
Kraus: Klar war ich enttäuscht. Aber damit muss man als Profi umgehen. Ich bin ziemlich sicher, dass man Petko noch Tränen hinterherweinen wird.
War der elfte Rang, die schlechteste Platzierung seit Ihrem Amtsantritt 2004, der Grund dafür, dass sich die Wege früher trennen?
Petkovic: Darüber will ich erst nach Saisonende offen reden. Jetzt möchte ich mich in Ruhe und voll konzentriert auf den Start vorbereiten.
Wären Sie nach der EHF-Pokal-Titelverteidigung 2012 gegangen, hätte man Ihnen in Göppingen ein Denkmal gebaut.
Petkovic (zieht die Augenbrauen hoch): Wenn man die Strecke meiner Amtszeit sieht, müssten auch so die meisten mit meiner Arbeit zufrieden sein.
Die Mannschaft will mindestens Platz acht erreichen
Für Skeptiker sind Sie ein Trainer auf Abruf.
Kraus: Wer Petko kennt, weiß, wie erfolgsbesessen er ist. Ich kenne keinen Menschen, der schlechter verlieren kann. Er wird sich bis zur letzten Sekunden voll reinknien.
Petkovic: Zum Thema Skeptiker nur so viel: Die gibt es hier in Göppingen seit 2004. Gewinnen wir den EHF-Pokal, heißt es, wir holen den Cup der Verlierer. Schlagen wir die Rhein-Neckar Löwen, heißt es, die Löwen waren schwach.
Kraus: Das mit dem Cup der Verlierer ist blödes Gerede. Unter Petko hat Frisch Auf 2011 erstmals seit 1972 wieder einen Titel geholt. Die Stadt stand kopf. Auch ich will mit Frisch Auf einen Titel gewinnen.
Zunächst heißt das Saisonziel vor dem Bundesligastart an diesem Sonntag (15 Uhr) daheim gegen Magdeburg aber nur Platz acht.
Kraus: Platz acht – oder besser. Natürlich ist mein persönlicher Anspruch höher, aber dieses Ziel hat die Mannschaft gemeinsam formuliert. Grundsätzlich muss die Entwicklung im gesamten Umfeld, bei jedem Einzelnen, nach oben gehen. Mittelfristig kann Platz sechs bis zehn nicht das Ziel der Handball-Hauptstadt Göppingen sein.
Petkovic: Man muss vorsichtig sein in Göppingen. Nach unserem zweiten Europacupsieg habe ich gesagt: Unser nächstes Ziel muss irgendwann die Champions League sein. Nach zwei Niederlagen hat man mich ausgelacht.
Und jetzt ist Frisch Auf erstmals nach vier Jahren überhaupt nicht im Europacup vertreten.
Petkovic: Das ist sehr schade. Die Doppelbelastung würde ich liebend gerne ertragen. Auftritte auf der internationalen Bühne machen einfach riesig Spaß.
Wie wollen Sie die Abgänge von Pavel Horak und Michael Haaß vor allem in der Abwehr kompensieren?
Petkovic: Auch mit diesen sogenannten Leistungsträgern sind wir nur Elfter geworden. Und vor ihrer Zeit in Göppingen waren die beiden auch keine Abwehrspezialisten. Ich bin sicher, dass sich Manuel Späth und Ewgeni Pewnow zu einem starken Innenblock entwickeln werden.
Und Mimi Kraus lernt das Decken auch noch?
Kraus (schmunzelt): Ich arbeite täglich daran, mich zu verbessern. Wenn ich auf außen decke, will ich eine Bank sein. Petkovic: Dass Mimi in der Abwehr spielt, ist auch wichtig für Tempogegenstöße. Wir wollen deutlich schneller nach vorne spielen. Mimi hat schon große Fortschritte gemacht.
Auch außerhalb des Platzes?
Petkovic: Bundestrainer Martin Heuberger hat mich vor kurzem gefragt: Kriegst du Mimi in den Griff? Ich habe ihm geantwortet: Wenn er eine Minute zu spät kommt, muss ich das nicht gleich öffentlich machen, aber er ist der beste Mann auf seiner Position in Deutschland. Ich glaube, Mimi hat seine Lektionen gelernt. Er hat bei uns das Steuer fest in der Hand. Er ist reifer geworden – in allen Bereichen.
Auch dank Ihrer Freundin Bella?
Kraus: Sie spielt eine wichtige Rolle. Sie hat als gebürtige Hamburgerin in einer Millionenstadt alles aufgegeben und ist mit mir in meine Heimat gezogen.
Die Nationalmannschaft bleibt Ihr großes Ziel?
Kraus: Meine ganze Energie gilt Frisch Auf, aber wenn der Bundestrainer anruft, bin ich natürlich bereit.
Wie kritisch sehen Sie die Entwicklung im deutschen Handball insgesamt?
Kraus: Wenn der Stamm-Fernsehsendeplatz am Dienstag von der Fußball-Regionalliga verdrängt wird, müssen die Alarmglocken schrillen.
Petkovic: Die Lage ist bedenklich. Zweimal hat sich das Aushängeschild Nationalmannschaft nicht für ein großes Turnier qualifiziert. Zudem fehlen die echte Typen.
Vielleicht sehen Sie beide sich ja irgendwann mal wieder – in der Nationalmannschaft.
Kraus: Wenn der DHB irgendwann einmal mal neue Wege gehen will, muss Petko ein Kandidat fürs Bundestraineramt sein.
Petkovic: Ich weiß nur so viel: Ich werde nach meiner Zeit in Göppingen dem Handball verbunden bleiben. Ob in Deutschland, in Frankreich oder in der Wüste – das kann ich jetzt noch nicht sagen.
Kraus: Aber jetzt wollen wir erst mal eine richtig gute Saison mit Frisch Auf spielen.