Au Backe: Frisch-Auf-Trainer Magnus Andersson ist entsetzt über die Leistung seiner Mannschaft. Foto: Baumann

Handball-Bundesligist Frisch Auf Göppingen spielt auch gegen Abstiegskandidat Bergischer HC nur 26:26. Die rückraumlastige Spielphilosophie ist einer der Knackpunkte der Krise. Es gibt noch mehr Brennpunkte.

Göppingen - Wenn ein Spieler mit einem Tor drei Sekunden vor Schluss einen Punkt rettet, dann ist die Erleichterung im Normalfall riesengroß. Beim 26:26 (15:8) von Handball-Bundesligist Frisch Auf Göppingen gegen den Bergischen HC war das nach dem Ausgleich durch Jens Schöngarth nicht der Fall. Bei vielen der 4300 Zuschauer in der EWS-Arena herrschte lähmendes Entsetzen, mindestens genauso viele pfiffen sich den Frust von der Seele und einzelne riefen „Absteiger, Absteiger“. „Um den Kampf ums sportliche Überleben auszurufen, ist es noch einen Tick zu früh“, sagt Kapitän Manuel Späth. Die Betonung liegt auf – noch. Die Krise nimmt bei nun 5:9 Punkten bedenkliche Formen an, und die Brennpunkte sind offensichtlich.

 

Spielsteuerung: Der Mannschaft fehlt ein ein Ideengeber, ein Stratege. Einer der den Überblick behält, wenn es gilt, bei Kontern die zweite und dritte Welle anzuführen. Einer der kühlen Kopf bewahrt, wenn ein klarer Vorsprung wie gegen den BHC zu bröckeln beginnt und die Verunsicherung greifbar ist. Die Ausfälle der beiden verletzten Mittelmänner Tim Kneule und Zarko Sesum (er feierte erst sieben Minuten vor Schluss in der Abwehr sein Comeback) sind natürlich ein großer Nachteil fürs Team. Andererseits waren zu Saisonbeginn beide noch dabei – und auch da setzte es ein 25:36-Debakel gegen die TSV Hannover-Burgdorf. Spielphilosophie: Fehlen die beiden Spielmacher und läuft wie derzeit auch noch Adrian Pfahl seiner Form hinterher, verschärft sich ein Problem im Frisch-Auf-Spiel. Der Rückraum ist eine Ansammlung klassischer Shooter. Es fehlt das spielerische Element. Statt eins-gegen-eins zu gehen, damit auch Zeitstrafen und Siebenmeter herauszuholen und den Erfolg über die Nahdistanz (den Kreis oder die Außen) zu suchen, wird oft aus zehn Metern geworfen. Die Quote ist verheerend. Wie’s gemacht wird, zeigte der Bergische HC. Mit den spielerisch enorm starken Rückraumakteuren Viktor Szilagyi und Tomas Babak mischte der Abstiegskandidat nach der Pause die Göppinger Abwehr auf. Den Trend im modernen Handball geht in diese Richtung: Auch Tabellenführer SG Flensburg-Handewitt tritt am besten auf, wenn die spielintelligenten Tomas Mogensen und Kentin Mahé im Rückraum auf der Platte stehen.

Hofele fordert mehr Willenskraft und mehr Leidenschaft

Einstellung: „Wir haben nach der Pause den Spielbetrieb eingestellt. Konzentration, Willenskraft und Leidenschaft haben gefehlt“, schimpfte Geschäftsführer Gerd Hofele und wurde für seine Verhältnisse ungewöhnlich deutlich: „Ich dulde keine Undiszipliniertheiten mehr. Jeder muss mehr in den Topf einzahlen, als dass er rausnimmt.“ Vertragsgespräche: Hofele deutete damit an, dass sieben Verträge am Saisonende auslaufen. Konkrete Verhandlungen gab es bisher nur mit Marcel Schiller. Der Linksaußen, in den vergangenen drei Jahren stets bester Frisch-Auf-Torjäger, präsentiert sich in dieser Saison meilenweit von seiner Bestform entfernt, er vergab auch am Samstag nach seiner Einwechslung zweimal freistehend. „Manche beflügelt ein auslaufender Vertrag, manche hemmt es“, stellt Hofele fest, der Schiller dennoch halten will. Trainer: Vielleicht muss Magnus Andersson die skandinavische Philosophie mit vielen individuellen Freiheiten und weniger konkreten Vorgaben überdenken. Zur Disposition steht es allerdings nicht. Zu groß ist noch der Kredit des Schweden: Er führte Frisch Auf in der Bundesliga auf Platz fünf und sechs und vergangenen Mai zum Europapokalsieg. Hofele: „Die Trainerfrage stellt sich nicht. Es gibt auch kein Ultimatum.“ Was nichts daran ändert: Wenn im nächsten Heimspiel gegen Aufsteiger HSC 2000 Coburg (22. Oktober) wieder kein Sieg gelingt, dann beginnt in Göppingen der Kampf gegen den Abstieg. Vor diesem absoluten Schlüsselspiel geht es am kommenden Sonntag (15 Uhr/Sport 1 live) in die SAP-Arena nach Mannheim – zum baden-württembergischen Derby beim deutschen Meister Rhein-Neckar Löwen.