Im Ortschaftsrat haben Anlieger die Erschließungsbeiträge für den Ausbau erneut teils heftig kritisiert.
Kann es sein, dass der vor knapp 200 Jahren angelegte Friedhofweg keine „historische Straße“ ist und „nie endgültig hergestellt“ wurde, so dass die Anlieger nun für die Sanierung Erschließungsbeiträge zahlen müssen? Klingt widersinnig, ist aber rechtlich wohl richtig, wie der von der Stadt beauftragte Fachanwalt Niels Kadisch am Dienstagabend bei der Sitzung des Ortschaftsrats dargelegt hat.
Die Anlieger waren bereits Anfang Juli informiert worden. Wegen ihrer Proteste in der Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Technik vom 10. Juli war der Tagesordnungspunkt damals abgesetzt und eine erneute Überprüfung der rechtlichen Situation und der Kosten beschlossen worden. Die Ergebnisse wurden nun im Ortschaftsrat präsentiert.
Was als Baumaßnahme geplant ist
Zunächst stellte Stefan Weber vom Fachbereich Tiefbau die Baumaßnahmen vor. Die Planung sieht vor, auf dem Friedhofsweg zwischen Rechberg- und Steinenstraße sowie auf dem Stichweg zur Brücke über den Soormattbach den Straßenbelag, die Randeinfassungen, die Straßenentwässerung und die Beleuchtung neu zu erstellen. Im südlichen Abschnitt zwischen Steinenstraße und dem Friedhof soll die Fahrbahn auf der gesamten Breite komplett erneuert werden. Die Gesamtkosten bezifferte Weber auf 718 000 Euro. Gegenüber der ursprünglichen Vorlage vom Sommer wurde eine Kostenreduktion um 47 000 Euro erreicht, wie Ortsvorsteher Günter Schlecht im Gespräch vorrechnete. Kadisch legte die rechtliche Situation dar: Anders als bis vor Jahresfrist von der Stadt angenommen, sei der Abschnitt zwischen Steinenstraße und Friedhof keine „historische Ortsstraße“ im Sinne des Kommunalabgabengesetzes (KAG), obwohl der Weg bereits 1832 mit der Verlegung des Friedhofs von der Kirche zum jetzigen Standort eingerichtet wurde. Entscheidend sei, dass er damals nur der Erreichbarkeit des Friedhofs diente und keine „Anbaubestimmung innerhalb der geschlossenen Ortslage“ hatte.
Bürgermeisterin Neuhöfer-Avdic entschuldigte sich im Namen der Stadt für die bisherige Fehleinschätzung. Eine Einstufung als „historische Ortsstraße“ hätte zur Folge gehabt, dass keine Erschließungsgebühren angefallen wären. Gemäß KAG müssen die Gemeinden für die „erstmalige endgültige Herstellung“ von Straßen einen solchen Beitrag erheben. Der Friedhofsweg gilt laut Kadisch aber als bisher noch nicht „erstmalig endgültig hergestellt“, weil er über keine ausreichende Straßenentwässerung und Fahrbahndecke verfügt. Stimmt der Gemeinderat am 20. November für den Friedhofswegausbau, müssten die Anwohner somit nach der Fertigstellung Erschließungsbeiträge zahlen – bis zu 70 000 Euro stehen in einem Fall zur Debatte. „Dass dieses Ergebnis unbefriedigend ist, ist unstrittig“, sagte Kadisch. Man müsse sich aber an die Vorgaben des Gesetzgebers halten.
Anlieger üben teils heftige Kritik
Die Betroffenen könnten aber gegen die Gebührenbescheide klagen, sobald diese – voraussichtlich Anfang 2028 – bei ihnen eintreffen. „Dann liegt das Kind bereits im Brunnen“, brachte Martin Behringer seinen Ärger zum Ausdruck. Die Ausführungen der beiden Referenten seien „rechtlich erfolgversprechend angreifbar“. Eine plötzliche Gebührenbelastung in dieser Höhe sei „existenzgefährdend“ und widerspreche dem „Vertrauensschutz“, weil die Anlieger seit Jahrzehnten auf den Status quo vertraut hätten. Er forderte, sich auf eine „substanzerhaltende Sanierung im nördlichen Bereich“ zu beschränken. Auch andere Anlieger übten teils heftige Kritik. Ortsvorsteher Günter Schlecht sprach von einer „dramatischen Situation der Anlieger“. Der Ortschaftsrat habe aber 20 Jahre auf die notwendige Sanierung gedrängt. Nach langer Diskussion nahm der Ortschaftsrat die Beschlussvorlage mit fünf Ja-Stimmen bei zwei Nein-Voten und einer Enthaltung zur Kenntnis.