Die "Venus" im Profil. Eine Plattform bietet derzeit die Möglichkeit, die elf Meter zu ihr hochzusteigen. Foto: Jansen

Die Freudenstädter "Venus" steht derzeit im Fokus. Wessen Antlitz trägt das Wahrzeichen der Stadt? Zwei Freudenstädterinnen erklären, Modell gestanden zu haben.

Freudenstadt - Seit fast 70 Jahren blickt die "Venus" in Freudenstadt über den Marktplatz. Doch wessen Antlitz ist es, das die Besucher seit Samstag durch das Projekt "Venusblick" auch auf Augenhöhe über das Gerüst betrachten können? Else Gaiser, Jahrgang 1924, berichtet, dem Künstler David Fahrner damals für das Gesicht der "Venus" Modell gestanden zu sein.

Else Gaiser hieß damals noch Mönch, der Zweite Weltkrieg war erst kurz vorbei und Deutschland befand sich im Aufbruch. Die damals etwa 30-Jährige arbeitete als Bedienung im Café Rebstock am Marktplatz. Hier trafen sich die Freudenstädter Bürger, um sich über Neuigkeiten sowie Klatsch und Tratsch auszutauschen.

Else Mönch bediente damals den etwa 60-jährigen David Fahrner. Der habe gerade nach einem Gesicht für die neue Statue gesucht, die er entwarf: Und er fand es in der Bedienung im Rebstock, wie Elke Gaiser sagt. Er habe sie in sein Atelier in der Alfredstraße eingeladen und die Statue nach ihren Zügen modelliert, so Gaiser.

Fahrner redete gern

"Er hat gern geredet", erinnert sich die heute 97-Jährige. Auch mit ihr habe er sich unterhalten. Einige Male sei Fahrner mit ihr essen gewesen und habe ihr "immer was gutes von seiner Mutter gebracht, was zum Vespern", erinnert sie sich. Sympathisch war ihr der Künstler: "Das war ein guter Mann". Und sie erzählt schmunzelnd: "Der hat immer gern was gemacht, damit er in die Zeitung kommt."

Sohn Roland Gaiser erinnert sich, wie er davon erfuhr: "Schon als Kinder hat unsere Mutter uns bei Spaziergängen durch die Stadt erzählt, dass die Venus ihr Gesicht, vor allem ihre Nase hat", berichtet er. Irgendwann haben die drei Kinder dann gefragt: Und erfuhren, dass es sich nicht um eine zufällige Ähnlichkeit handelt. Heute lebt Else Gaiser im betreuten Wohnen und ist Urgroßmutter. "101 Jahre soll sie werden, haben wir vereinbart", erklärt ihr Sohn Roland lachend.

Das zweite Modell

Auch Lore Hausberg, Jahrgang 1926, beansprucht für sich, Modell für die Statue gestanden zu haben. Der Künstler und Hausberg waren verwandt, Fahrner war der Cousin ihrer Mutter. 2020 erinnerte sie bei einem Interview mit dem EinBlick, das Magazin des Martin-Haug-Stifts, dass für die Monumentalfigur sogar Boden und Decke des Ateliers entfernt werden mussten. Seinen Tod habe sie damals sehr bedauert. Heute kann die hochbetagte Dame aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr selbst Auskunft über die damalige Zeit geben.

Ob "Venus" oder nicht, Lore Hausberg hat Bleibendes geschaffen. Sie war in Freudenstadt sehr aktiv und Gönnerin. Seit fast zehn Jahren steht sie im Goldenen Buch der Stadt. Nachdem ihr Mann verstorben war, gründete sie die "Rudi und Lore Hausberg Stiftung", die alte und bedürftige Menschen unterstützt, aber auch Tiere. Im Tierheim Freudenstadt ist das "Katzenhotel Hausberg" nach ihr benannt. Dieses hatte sie finanziell unterstützt.