Spannender Job: Volker Schmid aus Zwieselberg im Kontrollzentrum des russischen Weltraum-Bahnhofs Baikonur. Foto: Mittelbach/DLR

Fotos von Gemeinde und Bewohnern an Bord der internationalen Raumstation. Volker Schmid schickt Bilder ins All.

Freudenstadt-Zwieselberg - Kein Scherz: Fotos von Zwieselberg und seiner Bewohner waren an Bord der internationalen Raumstation ISS. Volker Schmid hatte Bilder der Dorfgemeinschaft ins All geschickt. Er ist Missions-Manager beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) – und gebürtiger Freudenstädter.

Es ist übrigens nicht die einzige Verbindung der Mission "Horizons" in den Landkreis. Astronaut Alexander Gerst, der kurz vor Weihnachten wieder von der ISS auf die Erde zurückgekehrt ist, hat Wurzeln in Alpirsbach. Sein Opa betrieb hier einst eine Schlosserei, ehe die Familie samt Betrieb nach Künzelsau umgezogen ist.

Dass Zwieselberg im Weltraum um die Erde kreiste, hat mit einer kleinen Tradition zu tun, sagt Schmid. Die engsten Mitglieder einer Mission dürfen ihrem Astronauten etwas auf die Reise ins All mitgeben. Schmid (54) stammt aus Zwieselberg. "Astro-Alex" nahm seine Collage mit – ein Luftbild des kleinsten Freudenstädter Stadtteils mit weniger als 100 Seelen. Auf der anderen Seite befinden sich kleine aufgeklebte Fotos aller Einwohner sowie die Wappen von Zwieselberg und Freudenstadt. Auf der ISS hat Gerst die Postkarte mit dem Missions-Stempel versehen und wieder mit zurück auf die Erde gebracht. "Ich hab sie bis jetzt aber noch nicht zurück bekommen", so Schmid.

Karte ist noch unterwegs

Volker Schmid (55) hat seinen Dienstsitz in Bonn, wo das Raumfahrt-Management des DLR angesiedelt ist. Ihn ans Telefon zu bekommen, ist nicht ganz einfach. Eine Besprechung jagt die nächste, und manchmal dauern sie um Stunden länger als geplant. Neben dem Projektmanagement trifft sich der Freudenstädter unter anderem mit Vertretern der Industrie, der europäischen Raumfahrtbehörde ESA, Vertretern anderer Nationen, die an Missionen beteiligt sind, und Wissenschaftlern. Das DLR-Raumfahrtmanagement arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Es geht um viel Geld, um Aufträge und um die begrenzten Plätze für Experimente, die am Ende mit ins All fliegen.

Die Arbeitswochen von Schmid haben öfter 60 bis 70 Arbeitsstunden. "Ohne Enthusiasmus geht es in dem Job nicht", sagt Schmid. Er empfinde seine Arbeit als Mission, als Privileg. Und dafür sei er extrem dankbar. "Wer ins Weltall fliegen will, muss sich eben kümmern."

Beim Raketenstart dabei

Kümmerer – Schmid und sein Team waren Alexander Gersts rechte Hand am Boden. "Wir haben die deutschen Belange der Mission geplant und eine große Anzahl Experimente aus dem nationalen Programm beigestellt", so Schmid. Der Missionsleiter war dabei, als die Rakete vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur abhob. "Astro-Alex" ist zurück, aber für den Luft- und Raumfahrtingenieur geht die Arbeit weiter. Ein Teil der Experimente an Bord der ISS läuft noch. Abgeschlossene Versuche müssen nun ausgewertet und die nächste Mission geplant werden. Fünf bis sieben Jahre Planung bis zur "Flugreife" seien für ein ISS-Experiment ganz normal. Viele Experimente, die vom DLR beigestellt wurden, hätten allerdings innerhalb von zweieinhalb Jahren fertig werden müssen. "Solche Schnellläufer-Projekte haben eine hohe Dynamik. Denn es gibt keine zeitlichen und finanziellen Reserven. Da darf man nicht einen Tag nachlassen"", sagt Schmid.

Hauptschüler startet durch

Seit 1995, damals noch als Diplomand, sei er beim DLR beschäftigt. "Das hätte ich mir damals auch nicht träumen lassen, mal zwei Astronautenmissionen mit auf den Weg zu bringen", sagt er. Auch sein eigener Weg dorthin war außergewöhnlich. Schule sei nicht immer so "sein Ding" gewesen. Er machte erst einen Hauptschulabschluss. Statt den Unterrichtsstoff zu lernen, tüftelte er lieber an Modellflugzeugen und -raketen. Es folgte der Realschulabschluss inklusive erstem Lehrjahr an der zweijährigen Berufsfachschule Metall in Freudenstadt. Das ging über in eine Lehre als Feinmechaniker bei der Firma Wolf in Freudenstadt, heute Wolf Produktionssysteme. "Das war noch beim Senior. Dem besten Chef, den ich je hatte, und eine tolles Kollegium", sagt Schmid. Vom handwerklichen Fachwissen und dem "Spirit" profitiere er noch heute.

Diesen "Spirit" gebe es auch im Raumfahrt-Team. Der Vorteil bei einer Astronauten-Mission sei, dass es einen Starttermin gebe. "Da geht es um Effizienz. Man diskutiert nur noch Lösungen und keine Probleme mehr. Das ist eine Denkweise, die ich schätzen gelernt habe." Schmid legte anschließend das Fachabitur an der Heinrich-Schickhardt-Schule ab.

Nach dem Wehrdienst und knapp drei Jahren als Facharbeiter bei Arburg, die ihn ebenfalls weitergebracht hätten, zog er für das Studium der Luft- und Raumfahrt 1988 nach Aachen. Den Masterabschluss im Ingenieurwesen sattelte er in Delft drauf, nebenberuflich. "War schon knallhart, aber eine gute Schule, die mich für den Job im DLR-Raumfahrtmanagement bestens vorbereitet hat", beschreibt Schmid.

"Berge neuen Wissens"

Wenn es um die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Raumfahrt geht, wird Volker Schmid plötzlich ernst. Die Missionen sind teuer, alleine Deutschland gebe jedes Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag für Astronautik aus. "Das ist gut investiertes Geld und so viel wie eine Tasse Kaffee für jeden Einwohner pro Jahr", sagt Schmid. Studien hätten belegt, dass jeder investierte Euro einen Gegenwert von zwei Euro schaffe: medizinische und biologische Erkenntnisse wie neue Medikamente oder Therapieansätze, Materialwissenschaften, Sonnenforschung, künstliche Intelligenz, Technologieerprobung sowie Wissen um die Natur, Klima- und Atmosphärenforschung. Raumfahrt eröffne "Berge neuen Wissens". Es gebe Experimente, die nur unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit möglich seien oder bei der Geschwindigkeit von 27 600 Stundenkilometern, mit der die ISS im All unterwegs ist. Wer nicht im All engagiert sei, verliere den Wettlauf um viele Technologien der Zukunft. "Dann hängen uns andere Nationen in zehn Jahren vielleicht gänzlich ab. Weltraumforschung auf der ISS ist ein Stück Zukunft", glaubt der Ingenieur.

"Star-Trek" ist Realität

Gerst testete 400 Kilometer über der Erde ein Mikroskop, das Einblicke in die Interaktion lebendiger Zellen ermögliche. "Wir gehen ins All, um uns um die Erde zu kümmern", sagt Schmid. Auch die Botschaft an die Menschen, vor allem die Jugend, sei nicht zu unterschätzen. "Wir wollen ihnen vermitteln, dass es tolle Möglichkeiten in Natur- und Ingenieurwissenschaften und der Technik gibt, nicht nur Casting-Shows." Im Weltraum und bei den Boden-Crews sei "Star-Trek" heute schon Wirklichkeit: Menschen vieler Länder arbeiteten hier zusammen, Multi-Kulti ohne Streit, für Schmid "das Modell der Zukunft". Die ISS sei das größte Projekt der Menschheit. 100.000 Frauen und Männer hätten am Bau der Station mitgewirkt. Raumfahrt leiste somit einen Beitrag zum Frieden zwischen den Nationen. "Raumfahrer verstehen sich untereinander", sagt Schmid.

Derzeit wird die Mission des Italieners Luca Parmitano vorbereitet, der im Sommer zur ISS fliegen soll. 2021 könnte der Astronaut Matthias Maurer aus dem Saarland an Bord sein. Würde er selbst mal gerne in den Weltraum fliegen? Der Freudenstädter zögert keine Sekunde: "Klar, jederzeit. Sofort." Aber mit 55 Jahren dürfte der Zug abgefahren sein. Macht nichts, Schmid ist trotzdem Teil der Crew. "Es gibt viele Wege ins Weltall."

Vortrag in Freudenstadt?

Vielleicht klappt es ja mal mit einem anderen Plan. Volker Schmid würde gerne mal einen Vortrag in seiner Heimat halten. "Irgendwie hat mir bislang dazu die Zeit gefehlt", sagt er. Er könnte noch viel erzählen. Aber das nächste Meeting ist schon angesetzt.

Info: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist das Forschungszentrum der Bundesrepublik Deutschland für Luft- und Raumfahrt. Es ist als Verein organisiert und beschäftigt rund 9000 Mitarbeiter. Der Hauptsitz ist in Köln. Seine Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in Luftfahrt, Raumfahrt, Energie, Verkehr, Digitalisierung und Sicherheit sind in nationale und internationale Kooperationen eingebunden. Darüber hinaus ist das DLR im Auftrag der Bundesregierung für die Planung und Umsetzung der deutschen Raumfahrtaktivitäten zuständig. Zudem fungiert das DLR als Dachorganisation für einen der größten Projektträger Deutschlands. Das DLR erforscht Erde und Sonnensystem, es stellt Wissen für den Erhalt der Umwelt zur Verfügung und entwickelt umweltverträgliche Technologien für Energieversorgung, Mobilität, Kommunikation und Sicherheit. Sein Portfolio reicht dabei von der Grundlagenforschung bis zur Entwicklung von Produkten für morgen. Das DLR betreibt nach eigenen Angaben Großforschungsanlagen für eigene Projekte und als Dienstleister für die Wirtschaft. Darüber hinaus fördert es den wissenschaftlichen Nachwuchs, berät die Politik und ist eine treibende Kraft in den Regionen seiner 20 Standorte.