Die Ansprechpartner der Erlacher Höhe (von links): Manuel Trick, Lilian Siebenlist und Sabine Laabs-Buschbacher. Foto: Semenescu Foto: Schwarzwälder Bote

Soziales: Erlacher Höhe macht auf die Notlage von Frauen aufmerksam / Problematik nimmt weiter zu

Wohnungslosigkeit kann sich auf das Schicksal von Frauen verheerend auswirken. Darauf macht jetzt die Erlacher Höhe aufmerksam.

Freudenstadt. Wohnungslosigkeit von Frauen hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Im Jahr 2017 waren laut empirischen Befunden der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) deutschlandweit etwa 68 000 Frauen wohnungslos. In Baden-Württemberg erreichte die Zahl der in Einrichtungen um Hilfe suchenden Frauen mit 3316 einen noch nie dagewesenen Höchststand und stieg damit in den vergangenen zehn Jahren um fast 50 Prozent an.

Um auf diese Notlage aufmerksam zu machen, hatte das diakonische Sozialunternehmen Erlacher Höhe zu einem Gespräch in ihre Einrichtung nach Freudenstadt eingeladen, in dem vor allem die Themen versteckte Armut und Wohnungsnot bei Frauen im Zentrum standen.

Mit dabei waren Wolfgang Sartorius, Vorstandsvorsitzender der Erlacher Höhe, Manuel Frick, Sozialarbeiter und Teamleiter der Wohnungslosenhilfe in Freudenstadt, Sozialpädagogin Sabine Laabs-Buschbacher und Lilian Siebenlist, die für das Aufnahmehaus und das betreute Wohnen der Erlacher Höhe zuständig ist. Auch eine betroffene Frau, die unter dem Pseudonym Sabine Meyer zitiert werden möchte, nahm am Gespräch teil.

2018 seien mit 302 Frauen – so viele wie noch nie – über die Angebote der Erlacher Höhe in Freudenstadt untergebracht, versorgt oder beraten worden, so Sartorius. Ein Problem sehe er vor allem im bestehenden Hilfesystem in Baden Württemnerg, das deutlich entwicklungsbedürftig sei. "Man sollte mehr für Frauen tun", betonte er. Die Gründe für Obdachlosigkeit seien vielschichtig, erklärte Laabs-Buschbacher, die schon viele Frauen in Armut begleitet hat.

Bei den Frauen, die die Beratungsangebote der Erlacher Höhe in Anspruch nehmen, handle es sich insbesondere um Frauen, die aus Gewaltsituationen geflüchtet waren, oder alleinerziehende Frauen, die aufgrund von Mietschulden vor dem Verlust der Wohnung standen. Die Folgen dabei seien vielfältig und reichten von gesundheitlichen – wie körperliche Verletzungen, psyschosomatische Beschwerden und psychische Störungen – bis hin zu sozialen und ökonomischen Folgen. Das Leben auf der Straße sei dabei eine Fortsetzung von bereits erlebter Gewalt, sagte Sabine Laabs-Buschbacher. Ein großes Problem sei auch, dass es in Freudenstadt kein Frauenhaus gibt, was auch ein Grund für den überdurchschnittlichen Anstieg hilfesuchender Frauen sei, ergänzte Wolfgang Sartorius.

Viele Frauen schämten sich, den ersten Schritt zu machen und Hilfe zu suchen, erläuterte Lilian Siebenlist. Verdeckte Wohnungslosigkeit finde sich sehr oft und erschwere den Zugang zu Hilfen, da sich die bereits bestehenden Probleme wie nicht bezahlte Mieten noch weiter vergrößerten, erklärte sie. Zudem dauere es lange, bis das Jobcenter eingreift und die Frauen unterstützt. Dabei seien die zu übernehmenden Kosten viel höher, als wenn man den Frauen gleich geholfen hätte, betonte Siebenlist. Bei den wohnungslosen alleinerziehnden Frauen stehe oftmals die Angst vor den Maßnahmen des Jugendamts einer Inanspruchnahme von Hilfsangeboten entgegen, erläuterte Sartorius. Sozialarbeiter Frick erklärte, dass die Hilfen durch die Jugendämter häufig nur auf das Kindeswohl ausgerichtet seien und man oft die schwierige Situation der Mütter nicht mit genügend Sensibilität berücksichtige.

Sozialer Wohnungsbau stark vernachlässigt

Sabine Meyer, 65-jährige Mutter von vier erwachsenen Kindern, befindet sich selbst in einer Notlage. Nach der Scheidung hinterließ sie ihr Mann mit Mietschulden, weshalb sie ihre Wohnung verloren hat. Seit etwa zwei Jahren ist sie vergeblich auf der Suche nach einer neuen Wohnung in Horb. Mittlerweile ist die Frau froh darüber, in einer Unterkunft der Erlacher Höhe untergekommen zu sein. Sabine Laabs-Buschbacher von der Erlacher Höhe, die die Frau seitdem betreut, erklärte, dass es sehr schwierig sei, für eine alleinstehende ältere Frau eine bezahlbare Wohnung in der Umgebung von Horb zu finden, da alle in Frage kommenden Wohnungen die Mietobergrenzen de Jobcenters überschreiten.

Die Erlacher Höher fordert stärkere präventive Maßnahmen für Frauen mit oder ohne Kinder sowie Familien und Schwangere. Vor allem das Thema sozialer Wohnungsbau sei in den vergangenen Jahren in der Region stark vernachlässigt worden und sei mit für die Wohnungsnot vieler Menschen verantwortlich. Sartorius ist sich sicher: "Eine Wohnung ist nicht alles, aber ohne eine Wohnung ist alles nichts".