Andrea Hauptmann und ihr Sohn Dennis leben in Brüssel, wo die Freudenstädterin das Lokal Maxburg führt (Bilder oben). Die Metrostation Maalbeek (großes Foto), wo der Bombenanschlag stattfand, liegt nicht weit entfernt. Dort wurden Blumen niedergelegt. Fotos: Hauptmann/Hosslet Foto: Hauptmann/Hosslet

Attentate: Wie Andrea Hauptmann in ihrem Lokal in Brüssel die Anschläge erlebt hat.

Freudenstadt/Brüssel - Sie ist in Freudenstadt geboren und aufgewachsen. Heute lebt Andrea Hauptmann überwiegend in Brüssel. Fast vor ihrer Haustür geschah am 22. März das Attentat in der Metrostation Maalbeek. Seitdem hat sich ihr Leben in der europäischen Hauptstadt gewandelt.

Die Wurzeln von Andrea Hauptmann sind in Freudenstadt. Ihre Eltern waren seinerzeit die Besitzer des Cafés Bacher. Nach der Schule lernte sie den Beruf der Konditorin und übernahm nach dem Tod der Eltern für einige Zeit das Café an der Loßburger Straße. Andrea Hauptmann (50) hat sich dann vor 20 Jahren aus persönlichen Gründen entschieden, nach Brüssel zu ziehen und dort ihre berufliche Zukunft zu suchen.

Das internationale Flair der europäischen Hauptstadt und die Möglichkeit, dass ihr Sohn Dennis mehrsprachig aufwachsen kann, waren wichtige Gründe für diesen Schritt. Nach kurzer Zeit bot sich die Möglichkeit, direkt im Viertel der Europäischen Union ein Lokal zu übernehmen – das war genau das, was die Freudenstädterin gesucht hatte. Die Gaststätte mit dem Namen Maxburg ist nicht viel mehr als ein Steinwurf von der EU-Kommission entfernt, wo die europäischen Flaggen wehen und wo sich so manche politische Entscheidungsträger nach richtungsweisenden Sitzungen aufstellen, um im Fernsehen wichtige Statements abzugeben.

Mit dem Sohn in Brüssel schnell heimisch gefühlt

Andrea Hauptmann fühlte sich mit ihrem Sohn schnell heimisch in Brüssel. Niederländisch und Französisch eignete sie sich an, um ihr Lokal führen zu können. Doch ihren deutschen Wurzeln blieb sie treu. Im Restaurant Maxburg gibt es deutsche Küche, deutsche Weine und ebenfalls deutsche Biere, unter anderem aus Alpirsbach. Die Spezialitäten im Restaurant von Andrea Hauptmann sind Schnitzel in verschiedenen Variationen, unter anderem mit handgeschabten Spätzle und andere Spezialitäten aus ihrem Heimatland.

Das Konzept des Lokals kommt gut an, zumal viele Bedienstete der EU nach Feierabend die Atmosphäre in der Gaststätte schätzen. Auch prominente Gäste konnte die Schwarzwälderin schon begrüßen. Dazu gehören beispielsweise EU-Kommissar Günther Oettinger, der frühere SPD-Politiker Peter Struck, Edmund Stoiber oder der frühere Außenminister Joschka Fischer, der für den Abschied des Außenministers der USA, Collin Powell, gleich das gesamte Lokal gemietet hatte.

Kurzum – Andrea Hauptmann und ihr Sohn fühlten sich wohl in Brüssel. Das Viertel der Europäischen Union vermittelte auch ein gewisses Maß an Sicherheit. Doch damit war es vorbei, als im Dezember 2015 die Attentate in Paris passierten und die Spur des Terrors nach Brüssel führte.

Molenbeek ist nur zehn Minuten vom Lokal entfernt

Als verdächtige Attentäter im Stadtteil Molenbeek verhaftet wurden, der gerade mal zehn Minuten Fußweg von Andrea Hauptmanns Lokal entfernt liegt, wendete sich das Blatt. Es gab in Brüssel und besonders im Viertel der EU erhebliche Einschränkungen des öffentlichen Lebens, was sich auch auf den Betrieb von Andrea Hauptmann auswirkte. "Viele Touristen stornierten ihre Buchungen", weiß Andrea Hauptmann. "Es wurde propagiert, nicht nach Brüssel zu fahren". Das machte sich besonders beim Weihnachtsmarkt bemerkbar, bei dem Andrea Hauptmann und viele andere Standbetreiber Einbußen bis zu 60 Prozent hinnehmen mussten.

"Man macht sich dann schon Gedanken, was passieren könnte", schildert die Freudenstädterin ihre Gefühle vom Dezember 2015. Das Wohlbefinden im EU-Viertel war dahin. Polizei und Security bestimmten das tägliche Bild in den Straßen. Panzer standen in der Innenstadt, zum Teil mussten sie als Fotomotive für Sensationstouristen herhalten – ein skurriles Bild.

Andrea Hauptmanns Glück war, dass das EU-Viertel nach den Anschlägen von Paris nicht komplett abgeriegelt wurde. Denn das kennt sie von großen Gipfeltreffen. Dann können sie und ihre Angestellten nur noch mit Ausweis zum Lokal gelangen. An diese Einschränkungen hat man sich in der "Maxburg" schon gewöhnt, denn sie kommen regelmäßig vor. Da kann für Andrea Hauptmann auch ein Einkauf schon mal zum Problem werden, weil die Zufahrtswege gesperrt sind.

Der Dienstag, 22. März, sollte jedoch die Welt in Brüssel nochmals verändern. Aus den belgischen Nachrichten erfuhr Andrea Hauptmann vom Anschlag auf den Flughafen in Brüssel. Sie war gerade in der Küche, als ihr Sohn dann besorgt anrief und von dem Attentat in der Metrostation Maalbeek erzählte, die gerade mal drei bis vier Minuten Fußweg vom Restaurant Maxburg entfernt liegt. Er fragte, ob alles in Ordnung ist.

Der erste Gedanke galt einer Mitarbeiterin

"Mein erster Gedanke galt einer Mitarbeiterin, die in der Station Maalbeek oft ein- und aussteigt", schildert Andrea Hauptmann ihre Empfindungen. Beruhigt war sie erst, als sie erfuhr, dass ihre Angestellte die Station an diesem Tag nicht benutzt hatte. Auch Andrea Hauptmann selbst nutzt die Metrostation oft.

An dem Terrortag durfte niemand aus dem Gebäude. Die Bediensteten der EU waren quasi in ihren Büros eingesperrt. Andrea Hauptmann hat ihr Lokal dennoch geöffnet, aber ihren Mitarbeitern freigestellt, ob sie arbeiten wollen. "Wenn ich zugemacht hätte, wäre es genau das gewesen, was die Terroristen erreichen wollten", sagt die Freudenstädterin. "Ich bin kein Weichei, aber man überlegt sich dann schon, was in Brüssel noch alles auf einen zukommen kann", schildert Andrea Hauptmann. "Dass die EU eine Zielscheibe sein kann, wird einem dann erst richtig bewusst".

Seit den Anschlägen sind nun drei Wochen vergangen. Das Leben hat in Brüssel wieder eine gewisse Normalität erlangt. Und für Andrea Hauptmann geht das Leben in der europäischen Hauptstadt auch weiter. "Brüssel ist nun mal ein Brennpunkt in Europa", sagt sie. Aber die Zeit könne nicht stillstehen. "Die Leute müssen zur Arbeit, die Kinder zur Schule". Es gebe jetzt viele Mitarbeiter von Gastronomiebetrieben im EU-Viertel, die lieber außerhalb arbeiten wollen. "Das verstehe ich auch", betont Andrea Hauptmann. Obwohl sie fast jedes Wochenende bei ihrem Lebenspartner in Freudenstadt verbringt, hat sie keine Gedanken, sich aus Brüssel zurückzuziehen, wo sie inzwischen auch viele Freunde und Bekannte hat. Brüssel wird bis auf Weiteres ihr Lebensmittelpunkt bleiben.