Wie es aussehen kann, wenn sich Ehepaare auf eine Therapie einlassen, zeigte humorvoll die Komödie "Alles über Liebe" im Freudenstädter Theater im Kurhaus. Foto: Keck Foto: Schwarzwälder Bote

Theater: Schauspieler-Trio glänzt im Kurtheater

In der ersten Abendaufführung des laufenden Programms im Theater im Kurhaus ließ die Komödie "Alles über Liebe" hinsichtlich der Macken und Untiefen einer Paarbeziehung tief blicken.

Freudenstadt. Das Stück zählt zum Portfolio des Tourneetheaters Thespiskarren Hannover. Mit ihm begann das neue Jahr für das Publikum ebenso unterhaltsam wie lehrreich.

Die "therapeutische Komödie" von Stephan Eckel unter der Regie von Jürgen Schlachter bot mit Renan Demirkan in Gestalt der Therapeutin Edeltraud sowie Tanja Schumann und Giovanni Arvaneh als das Ehepaar Anna und Carlos großes schauspielerisches Kaliber auf. Dem Trommelfeuer von Sprüchen, Bekenntnissen und tiefschürfender Ironie war es zu verdanken, dass das Stück nicht zur bloßen Peepshow einer kriselnden Ehe wurde.

Es ist im Grunde die stets wiederkehrende Geschichte von angegrauten Beziehungen, in deren jahrzehntelangem Verlauf sich nervtötende Gewohnheiten, Unterlassungssünden und unausgesprochene Sehnsüchte anhäufen.

Beruflich verkannt und über den Tisch gezogen

Da stellt sich die Frage, was noch bleibt, und ob eine Therapie den Kitt für die Risse liefern kann. So auch für Anna und Carlos. Sie leidet unter mangelnder Wertschätzung, der Trübnis des Alltags mit ihrem Hamsterrad um familiäre Pflichten und vermeintlich nachlassende Attraktivität. Ihre Ausstrahlung, so Anna, beschränke sich auf "Orangenhaut und Schwangerschaftsstreifen".

Architekt Carlos fühlt sich beruflich verkannt und über den Tisch gezogen. Seine Widerborstigkeit verhüllt letztlich die Tatsache, dass der Arbeitgeber vor der Pleite steht. Und wie das so ist: Im Verlauf der Therapie kommen die Protagonisten vom Hölzchen aufs Stöckchen, landen bei verkorksten Beziehungen zu den Eltern ebenso wie bei verdrängten sexuellen Fantasien. Er erwarte, unterstellt Anna, dass sie "ständig einen Schmollmund mache und am Zeigefinger lutsche". Dass beim Nachbarn "stundenlanger animalischer Sex" abgehe, kann allenfalls Signalwirkung zeitigen. Sie komme sich vor wie "ein Brutkasten auf zwei Beinen".

Alles kommt aufs Tapet: Horror-Urlaub mit nervigen Pärchen, Mutter-Kind-Tanzgruppe, Kindergartenfeste mit Verkleidungszwang, Carlos’ vollbusige Praktikantin, der geschmacksneutrale Halbfett-Kartoffelsalat der Schwiegermutter. "Humor", so wirft Carlos ein, "ist das Gegenteil von deiner Mutter!"

Zwischendrin steht die Therapeutin, die ständig zu einem Austausch "einladen" möchte und in der Interaktion "eine ganz deutliche Spannung spürt". Dass auf ihrer Seele selbst unartikulierte Schatten lasten, kommt erst später heraus. So erinnert "Alles über Liebe" thematisch und in der Umsetzung an den Hollywood-Streifen "Wie beim ersten Mal", in dem sich die Stars Meryl Streep und Tommy Lee Jones vor den Augen eines Therapeuten zoffen.

Penetrante Verständnisinnigkeit

Renan Demirkans Verkörperung der Therapeutin ist ein großer Wurf. Wie sie sprachlich und nonverbal mit der für das Berufsbild vermeintlich typischen, oft penetranten Verständnisinnigkeit die Rolle ausfüllt, ist umwerfend komisch und zeugt von großer schauspielerischer Kompetenz.

Tanja Schumann steht ihr in nichts nach: Als Ehefrau lässt sie ihren Gefühlen freien Lauf, schmollt, grollt und tobt und legt damit eindrucksvolle Bühnenpräsenz an den Tag. Carlos ist bei Giovanni Arvaneh bestens aufgehoben. Der knorrige Ehemann, der die Therapiestunde im Grunde für rausgeschmissenes Geld hält und so gar nicht kapieren will, was seine Frau eigentlich will, wandelt sich schließlich auf Umwegen zum Versteher und möchte künftig alles richtig machen. Das Publikum honorierte die bis in die Details stimmige Darbietung mit lebhaftem Beifall.