Ein 22-Jähriger soll seinem Freund seine HIV-Erkrankung verschwiegen haben. (Symbolfoto) Foto: dpa

Angeklagter hat seinem Ex-Freund HIV-Infizierung verschwiegen. Ungeschützter Sex.

Freudenstadt/Villingen-Schwenningen - Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Diese alte Weisheit ging für einen 22-jährigen Angeklagten voll daneben. Hatte er doch laut Anklage seinem elf Jahre älteren Freund die HIV-Erkrankung vorsätzlich verschwiegen und eine Infizierung billigend in Kauf genommen.

In der öffentlichen Hauptverhandlung versuchte Richter Axel Benz, Licht ins Dunkel der Männerbeziehung zu bringen. Kennengelernt hatten sich der aus Villingen-Schwenningen stammende Angeklagte und der Schiltacher im April vergangenen Jahres per Handychat. Weil sie sich gut verstanden, wurde ein erstes Treffen vereinbart, bei dem es laut dem Kläger, der in Schiltach wohnt, bereits zum ersten ungeschützten Sexualkontakt kam. Zuvor habe er den Angeklagten nach Geschlechtskrankheiten gefragt, die dieser aber verneint habe. Das Thema sei erst später aufgekommen, betonte der Angeklagte, der zugab, bereits seit 2009 von seiner HIV-Infizierung zu wissen. Er erklärte: "Ich habe einfach nicht den Mut gehabt, es ehrlich zu sagen, und habe selbst Jahre und psychologische Betreuung gebraucht, um damit klar zu kommen."

Die beiden Männer hegten zunächst die Hoffnung, es könne eine dauerhafte Beziehung entstehen. Beide zogen im Juni 2012 in eine gemeinsame Wohnung. Wenn es Streitigkeiten gab, übernachtete der junge Angeklagte hin und wieder bei seiner Mutter und kam dann in die gemeinsame Wohnung zurück. Es habe einiges an "Hin und Her" in der Beziehung gegeben, so der junge Mann.

Der Angeklagte bezeichnete seinen Exfreund als Kontrollfreak, der seine Handy- und Chatkontakte kontrolliert habe. Bis Oktober 2012 lebten beide Männer zusammen. Es folgten zwei Versöhnungsversuche, die aber schiefgingen, weil der Angeklagte fremdgegangen war. Enttäuscht, gedemütigt und verletzt begab sich der Kläger in ärztliche und psychiatrische Behandlung.

Für Richter Benz, Staatsanwalt Frank Grundke und Verteidiger Ulrich Hahn ließen sich die Diskrepanzen in den Aussagen beider Männer nicht eindeutig klären. Unterschiede in den Aussagen gab es sowohl beim Zeitpunkt des ersten sexuellen Kontakts als auch bei der Frage nach geschütztem oder ungeschütztem Geschlechtsverkehr. Die beiden sachverständigen Ärztinnen Susanne Rusald (Freiburg) und Adina Schweickardt (Tübingen), beleuchteten vor allem die Frage nach dem Infektionsrisiko und den verschiedenen Krankheitsphasen von Aids.

Fakt ist: Der Angeklagte ist nach den Ausführungen der behandelnden Ärztin Rusald wegen seiner HIV-Infektionswerte "nicht behandlungspflichtig". Ihre Empfehlung für schwule Menschen mit HIV-Infektion war jedoch eindeutig. Sie sollten geschützten Sex haben. Fakt ist auch, wie Staatsanwalt Grundke erleichtert feststellte, dass der Kläger nicht angesteckt wurde.

Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass ein "Verschulden im unteren Bereich" vorliegt. Der Angeklagte kommt mit einer Geldstrafe in Höhe von 2500 Euro davon. Der Staatsanwalt hatte zugestimmt, das Verfahren vorläufig einzustellen. Wegen der schweren Situation, der psychischen Belastung und der Angst mit HIV infiziert worden zu sein, verfügte Richter Benz, dass der Angeklagte an seinen Exfreund 1000 Euro, 1000 Euro an die Aidshilfe und 500 Euro an die Gerichtskasse bezahlen muss.

Am Ende der Gerichtsverhandlung gab Richter Axel Benz dem jungen Mann noch eindringlich die Worte seiner Ärztin mit auf den Weg: "Sie haben die Pflicht, andere zu schützen, wenn sie etwas haben!"