Eigentlich sollte alles ganz schnell gehen, nun gestaltet sich der Vergewaltigungs-Prozess schwieriger als gedacht. (Symbolbild) Foto: dpa

Zwei Jugendliche sollen sich an Mädchen vergangen haben. Gerichtsverhandlung zieht sich in Länge.    

Rottweil/Freudenstadt - Ursprünglich hatten Richter, Staatsanwaltschaft und Verteidigung einen einzigen Prozesstag eingeplant. Anklageverlesung, Zeugen, Plädoyers, Urteil – zack zack sollte das gehen. Doch nun hat selbst der zweite Verhandlungstag nicht gereicht. Der Prozess gestaltet sich schwierig, mehrfach muss die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, weil intime, sexuelle Details zur Sprache kommen, Zeugen widersprechen sich, eine Zeugin, eine 15-Jährige, bricht bei den Befragungen weinend zusammen.

Nichts läuft hier nach Plan. Die Tat, die den beiden Angeklagten aus dem Kreis Freudenstadt zur Last gelegt wird, ist grausam, sadistisch. 16 und 18 Jahre alt waren die Angeklagten zum Tatzeitpunkt, das Opfer war 15. Die beiden Burschen, heute 17 und 19 Jahre, waren im September 2017 gemeinsam mit anderen auf einem Motorradtreff, sie hatten zuvor bereits "vorgeglüht", auf dem Fest weitergetrunken. Auch das Opfer habe heftig getrunken, sei völlig groggy gewesen, da seien die Täter mit ihr in einen abgelegenen Bauwagen gegangen. Dort soll es dann geschehen sein. "Beischlafähnliche" sexuelle Handlungen sollen vorgenommen worden sein, wenn die Sprache darauf kommt, wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen.

Doch soviel ist bekannt: Mit einer Flasche sollen sie die Wehrlose penetriert haben. Anschließend wurde mit dem Handy ein Video gemacht. Ebenfalls unter Ausschluss der Öffentlichkeit habe später mindestens einer der Täter vor Gericht gestanden.

Doch zäh und schwierig gestaltet sich der zweite Prozesstag. Ein erster Zeuge, 18 Jahre alt, ist maulfaul, nuschelt, ist kaum zu verstehen. Selbst nach mehrfacher Aufforderung, lauter zu sprechen, bleibt er streckenweise weiterhin unverständlich. Ja, er habe das Mädchen im Bauwagen vorgefunden, ja, sie habe geweint. Und ja, die beiden Angeklagten seien dann wieder zurück zum Fest gegangen. "Geht das nicht ein bisschen detaillierter", bittet der Richter – vergeblich. Ob der Zeuge sich denn nicht gefragt habe, was da mit dem Mädchen in dem Bauwagen vorgefallen sei? Nein, er habe das nicht richtig mitbekommen, nein, er habe sich auch nichts dabei gedacht. Und später wollte er dann "von dem Thema gar nichts mehr wissen". Eine häufige Wendung des Zeugen: "Ist lange her, weiß ich nicht mehr."

Es gibt Widersprüche

Ganz anders ist es dann bei der nächsten Zeugin, ein junges Mädchen, heute 15, es sprudelt förmlich aus ihr heraus. Auch sie war auf dem Motorradfest gewesen, man habe zusammengesessen und getrunken, mit einmal sei ihr aufgefallen, dass das Opfer nicht mehr dabei war. Kurz darauf habe sie vom Opfer einen Anruf erhalten. Das Mädchen habe geweint, sie sei irgendwo in einem Bauwagen, es sei dunkel, sie habe ihre Hose nicht mehr an. Vor dem Bauwagen, so die Zeugin weiter, habe sie dann die beiden Angeklagten gesehen.

Doch das junge Mädchen redet wie ein Wasserfall, nicht immer unterscheidet sie genau, was sie selbst gesehen oder was sie nur gehört hat. Bei der späteren Befragung unter Ausschluss der Öffentlichkeit bricht die Zeugin dann zusammen, rennt aus dem Gerichtssaal, sinkt weinend auf dem Gang in sich zusammen. Auch Richter Oliver Niefer eilt herbei, geht vor dem Mädchen in die Hocke, legt ihr die Hand auf den Arm. Doch es gibt Widersprüche und Klärungsbedarf an der Aussage des offenbar überforderten jungen Mädchens. Der Ältere der beiden Angeklagten sagt in einer Erklärung, die Zeugin habe bei ihm angerufen und gesagt, "sie wird dafür sorgen", dass beide Angeklagten ins Gefängnis kommen. Zur Polizei gegangen sei sie aber nicht.

Erst gut vier Monate nach der Tat sei es dann bei einem der Angeklagten zu einer Hausdurchsuchung gekommen, sagt eine Kriminalhauptkommissarin aus. Auch sie betont Widersprüche bei den Zeugenaussagen. Auch habe sich das Opfer nach der Tat weder den Eltern anvertraut noch habe sie einen Arzt kontaktiert.

Zuletzt ergreift Matthias Kiefer, der Vertreter des Jugendamts, das Wort. Der jüngere Angeklagte, sei sich "über die eigentlichen Konsequenzen" der Tat wohl gar nicht im klaren gewesen, sagt er. Für den Jüngeren gelte ja noch das Jugendstrafrecht, schon zuvor sei von einer Strafe von zwei Jahren auf Bewährung die Rede gewesen. Plus gemeinnütziger Arbeit, fügt Kiefer hinzu. Doch auch der ältere der beiden Angeklagten sei bei der Tat erst 18 Jahre plus einen Monat alt gewesen, auch für ihn solle doch das Jugendstrafrecht gelten, meint Kiefer. Sollte es zu einer Strafe von zwei Jahren kommen, sollte sie auf Bewährung ausgesetzt werden, sagt er. Darüber wiederum scheint Richter Niefer etwas irritiert zu sein. Am kommenden Freitag, 7. Dezember, wollen Staatsanwalt und Verteidiger plädieren – dann soll auch das Urteil fallen.