Geschichte: Vor 75 Jahren wurde Freudenstadt durch Angriffe der alliierten Streitkräfte verwüstet / Die Gedenksäule am Marktplatz erinnert an den anschließenden Wiederaufbau der Stadt und an die damaligen Opfer

"Die Sonne lacht vom Himmel, der Tag scheint schön zu werden. Friedlich liegt die Stadt am Berg. Und doch ist eine unerklärliche Unruhe in allem, eine Spannung und Erwartung. Der Feind ist nicht mehr weit – kommt er auch hierher, wann und wie?"

Freudenstadt. So erinnerte sich ein Freudenstädter kurze Zeit später an den 15. April 1945 zurück. Dabei handelte es sich wohl um die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm. Eine Verkettung mehrerer unglücklicher Umstände sollte zu der nahezu vollständigen Zerstörung der Innenstadt in der Nacht vom 16. auf den 17. April durch Angriffe der Alliierten führen.

Freudenstadt war als wichtiger Verkehrsknotenpunkt für die Franzosen von enormer strategischer Bedeutung. Mit der Einnahme der Stadt hätte man die von hier ausgehenden Verkehrswege in sämtliche Richtungen unter Kontrolle gebracht.

Nach der Besetzung Freudenstadts wäre für die Truppen anschließend auch der Weg nach Stuttgart frei gewesen. Dort sollten sie sich mit weiteren Streitkräften vereinen, um die Stadt einzunehmen. Mit der Eroberung der Landeshauptstädte Karlsruhe und Stuttgart wollte Frankreich seine Position unter den Siegermächten festigen, um so letzten Endes die Kapitulationsbedingungen und über die Zukunft Deutschlands mitbestimmen zu können.

Nachdem Karlsruhe am 4. April besetzt worden war, machten sich die französischen Truppen zunächst auf den Weg nach Süden. Nach Baden-Baden und Gernsbach, die beide am 12. April unter französische Kontrolle gerieten, nahmen die Truppen am 15. April Besenfeld ein, von wo aus der Angriff auf Freudenstadt am Tag darauf begann.

Am 16. April befanden sich in Freudenstadt etwa 11 500 Einwohner sowie knapp 1200 V erwundete, die in verschiedenen Teillazaretten, wie Hotels, Schulen oder dem Krankenhaus, untergebracht waren. Eine anerkannte Lazarettstadt war Freudenstadt allerdings nicht und stand daher auch nicht unter völkerrechtlichem Schutz.

Um vielleicht doch noch kurzfristig den Schutzstatus zu erwirken oder beim Gegner zumindest den Anschein einer Lazarettstadt zu erwecken und so einem Angriff zu entgehen, hatten Bürgermeister, Kreisleiter und Landrat beschlossen, weder die Bevölkerung beim Heranrücken des Feindes zu evakuieren noch sonstige Vorbereitungen zur Verteidigung in der Stadt zu treffen. Doch da die nächsten militärischen Anlagen nicht weit genug entfernt waren, erfüllte Freudenstadt nicht die erforderlichen Kriterien, um als Lazarettstadt anerkannt zu werden.

In den frühen Morgenstunden des 16. Aprils versuchten französische Truppen, Freudenstadt von Norden her einzunehmen. Zwischen Igelsberg und Freudenstadt kam es zu kleineren Kampfhandlungen, die auf französischer Seite zu Verletzten und mindestens einem bestätigten Toten führten. Diese Kampfhandlungen hatten verheerende Folgen. Es entstand nun der Eindruck, dass die Stadt verteidigt werden würde.

Da man sich mit Streitkräften vor Stuttgart bald vereinen musste, waren die Franzosen auch unter gewissem Zeitdruck. Eine rasche Eroberung Freudenstadts war das ausgeschriebene Ziel. Daher ordnete der französische Artillerieführer eine massive Beschießung Freudenstadts an, die um etwa 14.30 Uhr begann. Insgesamt 500 Geschosse wurden in den nächsten zwei Stunden aus der kurz zuvor in Besenfeld und Igelsberg stationierten Artillerie abgefeuert.

Viele vertrauten oder hofften darauf, dass Freudenstadt den Schutzstatus einer Lazarettstadt hat, gingen von einer kampflosen Übergabe der Stadt aus und wogen sich daher fälschlicherweise in Sicherheit. Zeitzeuge und späterer Heimatforscher Gerhard Hertel war dementsprechend vom Angriff auf Freudenstadt überrascht. Rückblickend meinte der damals 20-Jährige: "Kann das sein bei den vielen verwundeten Soldaten in den Reservelazaretten? Immer wieder hatte es ja geheißen, wir wären Lazarettstadt – aber wer weiß denn in dieser gottverlassenen Situation überhaupt etwas?"

Nach einer Feuerpause wurde der Beschuss zwischen 18 und 19 Uhr fortgesetzt. Etwa zu dieser Zeit führte die US-Luftwaffe zusätzlich Bombenangriffe aus. Zwei Bomben trafen die Hochdruckwasserleitung zwischen dem Wachthaus und dem Postgebäude, was nachfolgende Löscharbeiten der Feuerwehr erheblich erschwerte. Durch Brandbomben geriet auch der Dachstuhl der Stadtkirche in Brand.

Im Laufe der Nacht feuerten die französischen Kanoniere insgesamt 750 Geschosse mit Brandsätzen ab. Ein damals Fünfjähriger erinnerte sich 50 Jahre später bildhaft zurück: "Bei Nacht war es beinahe taghell und über der brennenden Stadt flimmerte die gesamte Luft glühend rot."

Eine 27 Jahre alte Frau, die in der Nähe des Rathauses wohnte, schilderte, wie sie sich mit ihrer Familie verzweifelt darum bemühte, die Brände einzudämmen, aber letzten Endes chancenlos war: "Nun versuchten wir mit Wasserpumpen das Feuer von unserem Haus fernzuhalten. Wir taten unser Möglichstes bis zur Erschöpfung, doch nach circa zwei Stunden bemerkten wir, dass das Übergreifen des Feuers auf Nachbarhäuser, und letztendlich auf unseres nicht verhindert werden konnte. Als wir die Hoffnungslosigkeit unserer Lage erkannten, versuchten wir unser Hab und Gut zu retten." In der Nacht stürzte ihr Haus ein. Sie und ihre Familie fanden anschließend Schutz im Keller des Rathauses.

Dass neben der Hochdruckwasserleitung auch ein Großteil der Feuerwehrausrüstung zerstört wurde, erschwerte die Löscharbeiten zusätzlich. Lediglich eine kleine, leistungsschwache Tragspritze stand den Einsatzkräften noch zur Verfügung. Mancherorts musste das Feuer sogar mit Gülle bekämpft werden.

Hertel war in der Reichsstraße und fand im Keller seiner Tante Schutz, als die Artillerie nach mehrstündiger Feuerpause den Beschuss fortsetzte. Während kürzerer Unterbrechungen wagte er sich raus, um zu überprüfen, ob das Haus Feuer gefangen hatte. Dabei wurde ihm das Ausmaß des Infernos deutlich: "Nun brennt alles oberhalb der Loßburger Straße lichterloh, die Stadt erscheint mir wie ein Feuermeer." Die Lage im Keller, in dem auch seine Mutter und Tante waren, wurde immer angespannter: "Die beiden alten Frauen sind völlig verzweifelt, sie jammern und beten."

Da ein Haus nach dem anderen in der Reichsstraße Feuer fing, machte er sich mit Mutter und Tante auf den Weg zur Tannenstraße, wo er mit seiner Familie wohnte. Dicke Rauchwolken lagen über der brennenden Stadt und ihr Haus hatte es inzwischen auch erwischt: "Der Brand in der Stadt greift immer weiter um sich; auch unser Haus in der Tannenstraße steht nun voll in Flammen, brennende Balken fallen herab. Langsam bricht die Dämmerung herein. Es ist der 17. April 1945."

Erst am nächsten Morgen erkannten die französischen Truppen, dass die Stadt nicht verteidigt wurde und es keinen Widerstand gab. Um etwa 10 Uhr trafen sie beim Rathaus ein, wo die Stadt übergeben wurde. Die darauffolgenden Tage verübten die Truppen schwerste Übergriffe auf die Bevölkerung in Form von Plünderungen, Vergewaltigungen und Brandstiftungen. Die Übergriffe dauerten mehrere Tage an, da neue Truppen, die durch Freudenstadt zogen, es den ersten Einheiten gleichtaten.

Erst in der darauffolgenden Woche konnten die Freudenstädter Dekane Theodor Gerhardt und Eugen King mithilfe der Vermittlung französischer Feldgeistlicher erwirken, dass in der Stadt Zettel aufgehängt wurden, die in mehreren Sprachen daran erinnerten, dass Plündern und Vergewaltigen unter Todesstrafe steht. Danach kehrte weitestgehend Ruhe ein.

Es gibt mehrere Vermutungen, warum es zu diesen Übergriffen kam. Unter anderem wurde angenommen, dass es sich um Vergeltung für die Zerstörung französischer Städte durch die Wehrmacht handelte. Gesichert ist, dass die in weiten Teilen von Alkohol enthemmten Truppen, die neben Franzosen überwiegend aus Marokkanern bestanden, den französischen Offizieren entglitten waren.

Es sei an dieser Stelle zu erwähnen, dass nicht alle Soldaten an den Übergriffen beteiligt waren und einige auch durch Gesten der Menschlichkeit in Erinnerung geblieben sind. Einige von ihnen haben sich schützend vor Frauen gestellt, um Übergriffe zu verhindern. Freudenstädtern wurde auch geholfen, ihr Hab und Gut aus brennenden Häusern zu retten und Kinder sollen öfters verschiedene Süßigkeiten als Geschenk erhalten haben. Generell sollen sich einige Soldaten auch mit Geschenken bei der Bevölkerung für Trinkwasser bedankt haben.

Der letzte große Zerstörungsakt erfolgte am 20. April. Im Rathaus, das aufgrund seiner dicken Steinwände die Angriffe überstanden hatte, lagerten entzündbare Munitionsreste, die wohl versehentlich durch unvorsichtige französische Soldaten entzündet wurden. Durch den daraus folgende Brand wurde das Rathaus zerstört.

Viele Bewohner waren die Nacht über in die umliegenden Wälder geflohen, um dem Artilleriebeschuss zu entkommen. Dennoch forderte die Zerstörung und die anschließende Besetzung 70 Todesopfer. Etwa 40 Prozent der Stadt, fast 600 Gebäude, wurden zerstört. Nahezu die gesamte Innenstadt wurde durch den Artilleriebeschuss vernichtet. Hertel beschrieb, wie ihm am 18. April das ganze Ausmaß bewusst wurde: "Erstmals sehe ich nun die Innenstadt, ein einziges Trümmerfeld mit den Häuserresten." Etwa 4000 Freudenstädter verloren ihr Obdach und mussten in der Folgezeit bei Verwandten, Freunden oder Nachbarn unterkommen.

Mit ersten Arbeiten in der Reichsstraße, begann im September 1949 der Wiederaufbau. Dieser erfolgte innerhalb von nur knapp fünf Jahren, was ihm vielerseits den Namen "Wunder von Freudenstadt" verlieh. Die Stadt glich in der Zeit einer einzigen Großbaustelle. Nachdem im Mai 1954 unter dem Beifall der Freudenstädter das Rathaus seine Kugel und Spitze aufgesetzt bekommen hatte, wurde im Juni die Venus-Gedenksäule auf dem Marktplatz eingeweiht. Diese soll nicht nur an den Wiederaufbau, an das "Wunder von Freudenstadt" erinnern, sondern auch derer gedenken, die damals ihr Leben lassen mussten.