Die Turnhallestraße ist laut Erhebung der Studenten im Jahr 2016 noch 128 000 Euro wert. Foto: Rollgeiser

Studenten helfen der Stadtkämmerei bei Wertermittlung für die neue Haushaltsführung. Straßenbewertung ist akribische Arbeit.

Freudenstadt - Was ist das Vermögen der Großen Kreisstadt Freudenstadt wirklich wert? Die Umstellung der Finanzwirtschaft auf das doppische Haushaltsrecht wird es an den Tag bringen. Der erste Schritt dazu wurde mit der Bewertung der Straßen und Feldwege getan.

Spätestens bis 2020 muss die Stadt ihren Kernhaushalt vom kameralen Buchungsstil auf die Doppik umstellen. Dann wird der kommunale Haushalt ressourcenorientiert (nach Aufwand und Ertrag) dargestellt, und die Zahlungsvorgänge werden in einem doppelten Rechnungswesen behandelt. Der Landkreis wendet dieses System für seine Finanzen bereits an. Schon 2010 hatte der Gemeinderat Freudenstadt beschlossen, ab dem 1. Januar 2016 das Neue Kommunale Haushaltsrecht (NKHR) anzuwenden. Aus diesem Grund wurden jetzt die Vermögenswerte auf diesen Stichtag berechnet.

Weil der Umstellungsprozess auf das NKHR jede Menge Arbeit mit sich bringt, holte sich die Stadtverwaltung für die Straßenbewertung Hilfe von Studenten an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg. Wie Kämmerer Jochen Kaupp in der jüngsten Gemeinderatssitzung erläuterte, war dies "ein Glücksfall". Neun junge Frauen und Männer nahmen in dreieinhalb Monaten in etwa 5500 Arbeitsstunden akribisch jeden Quadratmeter der städtischen Straßen und Wege unter die Lupe und berechneten die Werte, die dann später in die Doppik übernommen werden. Umgerechnet auf einen Mitarbeiter hätte diese Arbeit zwei Jahre und zehn Monate in Anspruch genommen, erläuterte Matthias Rebmann, einer der Studenten.

Freudenstadt, so ging es aus einer Präsentation der Studenten im Gemeinderat hervor, besitzt rund 500 Straßen und Wege mit einer Gesamtlänge von 250 Kilometern. Um diese alle zu erfassen, mussten die Studenten Tausende von Akten wälzen, Unterlagen einsehen und rechnen, rechnen, rechnen. Dabei waren die angehenden Finanzexperten auch auf die Mithilfe städtischer Mitarbeiter angewiesen. Beispiele für die Vermögensbewertung wurden den beeindruckten Stadträten präsentiert. So musste bei den Straßen nicht nur nach verschiedenen Kategorien und Nutzungsdauer unterschieden werden, sondern auch der Aufbau mit Verschleißdecke und Tragschichten musste berücksichtigt werden.

Am Beispiel der Turnhallestraße demonstrierte ein Student das aufwendige Verfahren. Sie ist in zwei Kategorien eingeteilt (vom Promenadenplatz bis zur Bahnhofstraße und von der Bahnhofstraße bis zur Schwanenstraße). Sie hat eine Fläche von 8947 Quadratmetern und ist zum 1. Januar 2016 noch 128.000 Euro wert. Anders der Fußweg bei der Bismarckstraße mit seinen 193 Quadratmetern. Er wurde 1952 angelegt und schlägt nach den Berechnungen 2016 mit null Euro zu Buche.

Um das Ganze auf die Spitze zu treiben, musste das einfache Straßenzubehör wie Schilder oder Leitpfosten ebenfalls erfasst und in den Straßenwert eingerechnet werden. Für hochwertiges Zubehör wie Parkscheinautomaten oder Ampelanlagen war eine gesonderte Bewertung fällig. Hinzu kamen noch 111 Kilometer Feldwege, von denen 60 Kilometer asphaltiert sind. Sie haben 2016 noch 56.000 Euro Wert.

Da die Studenten recht flott vorankamen, begannen sie auch noch damit, die Brunnen, Spielplätze, Denkmäler und Plätze zu berechnen. So kam bei den Spielplätzen ein Restbuchwert von 240.000 Euro heraus und bei den Brunnen 360.000. Unter dem Strich stand nach der Bewertung die Zahl von rund 30 Millionen Euro. Das bedeutet eine Abschreibung von 1,6 Millionen Euro pro Jahr. "Das ist ‘ne große Hausnummer", kommentierte Oberbürgermeister Julian Osswald. Denn nach dem Prinzip der intergenerativen Gerechtigkeit, das dem NKHR zugrunde liegt, muss dieser Betrag als Vermögensverzehr im Haushalt erwirtschaftet werden, damit das Vermögen erhalten bleibt. Nicht nur die Stadträte lobten die Arbeit der Studenten und spendeten ihnen Applaus, sondern auch die jungen Menschen selbst zeigten sich dankbar über diese praktische Arbeit. "Wir haben total was mitgenommen", sagte einer von ihnen.