Mobilfunk-Sendeanlagen in der Innenstadt, wie hier in der Hartranft-Straße, sollen nach dem Willen des Gemeinderats reduziert werden beziehungsweise ganz verschwinden. Foto: Breitenreuter

Sender von Mobilfunkanbietern sollen in Standorte am Rand der Stadt wandern. Stadtrat Müller setzt sich durch.  

Freudenstadt - Im Prinzip hatten alle ein einziges Ziel, nämlich die Strahlungsbelastung durch Mobilfunksender in der Kernstadt von Freudenstadt zu senken. Doch über den Weg zu diesem Ziel gab es im Gemeinderat unterschiedliche Auffassungen.

Auf dem Tisch lagen zwei Beschlussvorschläge – einer von der Verwaltung und einer von Stadtrat Karl Müller (SPD). Der Vorschlag von Müller war im Vorfeld vom Ausschuss für Infrastruktur und Umwelt (AIU) knapp befürwortet worden.

Vor gut einem Jahr wurde das EMF-Institut, ein Fachinstitut für elektromagnetische Verträglichkeit zur Umwelt in Köln, mit der Erstellung eines Gutachtens für ein Mobilfunkversorgungskonzept unter dem Aspekt der Strahlungsminimierung beauftragt. Dieses Gutachten, dessen erster Teil die derzeitige Immissions- und Versorgungssituation umfasst, war Grundlage für die Diskussion über das weitere Vorgehen der Stadt.

Oberbürgermeister Julian Osswald erläuterte die Kernpunkte des Vorschlags der Verwaltung. Demnach soll grundsätzlich durch ein Dialogverfahren mit Mobilfunkbetreibern und Standortinhabern eine Strahlungsminimierung in der Kernstadt erreicht werden. Dazu ist ein runder Tisch vorgesehen. Ferner will die Stadt auf Eigentümer von Grundstücken und Gebäuden, auf denen sich bereits Sendeanlagen befinden, zugehen, um sich mit ihnen abzustimmen und eventuell zu erreichen, dass Verträge nicht verlängert werden. Fernziel ist es, Sendeanlagen, insbesondere mit hohen Feldstärken, in periphere Stadtgebiete, sogenannte Positivstandorte, zu verlagern.
Kontroverse Diskussion

Der Vorschlag von Stadtrat Karl Müller (siehe Info) hat im Prinzip dieselben Ziele. Jedoch fordert er baurechtliche Maßnahmen wie eine Veränderungssperre zu ergreifen, falls Mobilfunkanbieter ausgewiesene Positivstandorte nicht akzeptieren.

Die kontroverse Diskussion im Gemeinderat nahm ihren Anfang, als OB Osswald sich dafür aussprach, zunächst nur auf den Dialog zu setzen, bevor baurechtliche Maßnahmen ergriffen werden, denn »im Moment gibt es keine Chance, baurechtlich etwas zu erreichen«. Wenn Mobilfunkanbieter auf vorhandene Masten neue Sender installieren, könne die Stadt nichts ausrichten.

Dies bekräftigte Christoph Gerber, Leiter des Bauverwaltungs- und Umweltschutzamts, der auch kurz auf das über 100-seitige Gutachten des EMF-Instituts einging.

Die einzelnen Mobilfunkanbieter verfolgten verschiedene Strategien, ergänzte OB Osswald. Vier Anbieter seien in Freudenstadt mit Sendeanlagen vertreten, das sind die Telekom, Vodafone, O2 und E-Plus. Die Strahlung sei intensiv, aber nicht über den Grenzwerten. "Auch uns hat die Strahlungsintensität überrascht", so Osswald.

Stadtrat Karl Müller übte Kritik an der Verwaltung. "Im Moment sind wir zahnlose Tiger", betonte er und bezweifelte, ob mit den Mobilfunkbetreibern ein Dialog geführt werden kann, denn für sie zählten nur wirtschaftliche Interessen. "Wir brauchen kein LTE in Freudenstadt" sagte er und nannte Zahlen. So betrage die Belastung beim normalen GSM-Mobilfunkstandard in 100 Meter Entfernung des Senders 22 000 Mikrowatt. Bei LTE, der schnellsten Datenübertragung seien es über 200 000. Der Vorsorgewert liege bei 100 Mikrowatt. Die Strahlung zu reduzieren funktioniere nur über die Ausweisung von Positivstandorten mit entsprechenden baurechtlichen Vorschriften, so Müller. "Nur dann sind wir auf Augenhöhe mit den Anbietern."

"Auf Augenhöhe sein"

OB Julian Osswald hielt dagegen, dass mit Müllers Vorschlag rechtlich keine kurzfristige Verbesserung zu erzielen sei, da bestehende Anlagen Bestandsschutz hätten.

In der weiteren Diskussion im Gemeinderat ging es um die Problematik, ob die Stadt durch Maßnahmen die Installation von weiteren Sendern verhindern kann. OB Osswald verneinte dies. So meinte beispielsweise Beate Gernsheimer (Freie Wähler), man könne trotz der Ausweisung von Positivstandorten einen Dialog führen. Martin Franz (Bürgeraktion) war dagegen der Meinung, dass eine freiwillige Basis nicht funktioniert. »Wir müssen auf Augenhöhe sein«, meinte er.

So wurden geraume Zeit Argumente ausgetauscht. Nach eigenem Bekunden fühlte sich der OB dabei gar nicht wohl, weil er als »Bremser« dargestellt werde, "obwohl wir alle das Gleiche wollen". Stadtrat Andreas Bombel (CDU) versuchte, das Ganze auf den Punkt zu bringen. Der Gemeinderat sei sich weitgehend einig. Die Frage sei nur, ob die Stadt gleich die "Keule" auspackt. Einen vernünftigen Weg nannte er, Positivstandorte zu suchen und gleichzeitig in einen Dialog einzusteigen.

Schließlich kam von Stadtrat Elmar Haug (SPD) der Vorschlag, Punkt drei in Karl Müllers Antrag etwas abzuändern. Somit war dieser Beschlussvorschlag wie auch schon im AIU mehrheitsfähig. Große Teile von Freien Wählern und Bürgeraktion sowie die komplette SPD stimmten dafür. Gegenstimmen kamen von der CDU. Drei Stadträte enthielten sich der Stimme.