Stoffwindeln sind wieder voll im Trend. Foto: Gojny

Trend geht zu plastikfreier Variante. Umwelthilfe sieht Vorteile. Positiver Nebeneffekt: Kinder werden früher trocken.

Freudenstadt - In den Schränken stapeln sich die Pampers, die Mülleimer quellen über und wenn man einmal in den Urlaub will, ist ein Koffer schon mal nur mit Einwegwindeln voll. Vielen jungen Familien ist dieses Szenario wohl bekannt. Nicht jedoch der Familie von Beate Gojny, wohnhaft in Bissingen, aufgewachsen in Freudenstadt. Einwegwindeln hat die Mutter zweier Kleinkinder längst abgeschworen.

"Früher wäre ich nie auf die Idee gekommen, meine Kinder mit Stoffwindeln zu wickeln. Ich habe das für viel zu eklig und zu aufwendig gehalten", erinnert sich Gojny. Doch dann kam alles anders. Ihr kleiner Sohn bekam einen fürchterlichen Hautausschlag und Entzündungen. Er reagierte allergisch auf die Einwegprodukte. Und damit begann die Odyssee. "Wir haben alle möglichen Stoffwindeln aus dem Internet bestellt und alles ausprobiert, aber es passte dem Kleinen nichts perfekt." So kam Gojny auf die Idee, einfach selbst etwas Passendes herzustellen.

"Ich entwickelte einen eigenen Schnitt, suchte mir Nähereien, Illustratoren und kreierte die Marke Windelzauberland", erzählt sie. "Anfangs war es schwierig, die richtigen Leute zu finden, inzwischen ist das Ganze zum Selbstläufer geworden." Sie lässt ihre Produkte nicht nur in Deutschland nähen, sondern auch in Polen, Tschechien und sogar in China. Die Nachfrage spreche für sich.

"Der Umsatz verdoppelt sich jedes Jahr, ich musste sogar jemanden einstellen, der beim Verpacken hilft. Es kommen ständig Anfragen von Babyläden, die uns ins Sortiment aufnehmen wollen." Das zeige ihr, dass Nachhaltigkeit ein immer größeres Thema werde. Viele Anfragen kommen auch aus der Region.

Umweltfaktor spricht für Stoff

Doch wie nachhaltig sind Stoffwindeln im Vergleich zu Einwegwindeln wirklich? "Beim Gebrauch von normalen Windeln wird pro Baby eine Tonne Müll in drei Jahren produziert", sagt Gojny. "Überall sollen Einwegprodukte gespart werden. Aber wie oft benutzt man denn mal einen Strohhalm? Windeln dagegen braucht man mit einem Baby acht mal am Tag." 

Auch Philipp Sommer, Stellvertretender Bereichsleiter Kreislaufwirtschaft der Deutsche Umwelthilfe lobt die Stoffwindel. "Natürlich haben Stoffprodukte auch einen gewissen Energie- und Ressourcenverbrauch bei der Herstellung, aber dafür können sie weit über hundert Mal genutzt werden." Einwegwindeln seien damit deutlich umweltschädlicher.

In Sachen Wasserverbrauch punktet das Stoff-Produkt. "Vergleicht man das Waschen der Stoffwindel mit der Produktion der Einwegwindel, so ist letztere etwa zehn Mal umweltschädlicher. Aber selbst wenn man die Herstellung der Stoffwindel hinzuzieht, ist sie deutlich umweltfreundlicher als die Wegwerfvariante."

Auch beim CO2-Ausstoß habe Stoff die Nase klar vorne. "Besonders problematisch an Einwegwindeln ist, dass sie vollständig aus neuem Plastik und Papier bestehen und nach der einmaligen Nutzung bestenfalls verbrannt werden. Hier haben wir eine hohe Energie- und Klimabelastung."  Allerdings müsse der umweltbewusste Windelverbraucher auf ein paar Kleinigkeiten achten: "Wenn man die Stoffprodukte bei 90 Grad wäscht und im Trockner trocknet, wird viel vom Umweltvorteil wieder aufgefressen." 40 bis 60 Grad und nur hin und wieder 90 seien völlig ausreichend.

Auch im Kostenvergleich bietet die plastikfreie Alternative Vorteile. "Eine Stoffwindel zu waschen kostet etwa einen Cent pro Waschvorgang. Eine Einwegwindel kostet schon 15 bis 20 Cent. Man kann viel Geld sparen", erklärt Sommer. Bei der Anschaffung von Stoffwindeln könne man getrost auf welche aus zweiter Hand setzen. "Und es ist zu empfehlen, sie ebenfalls weiterzugeben, wenn die Kinder aus dem Windelalter raus sind." Dann tue man wirklich etwas für die Nachhaltigkeit.

Der besondere Vorteil der Mehrwegwindeln sei zudem, dass in Stoff gewickelte Kinder tendenziell deutlich früher sauber werden.

Kinder werden früher trocken

Diesen Aspekt kann auch Gojny bestätigen. "Mit dick gepolsterten Einwegwindeln merken die Kinder ja nie, dass da etwas nass ist. Warum also sollten sie sich anstrengen, trocken zu werden?" Es sei ein Irrtum, dass Kinder erst mit drei Jahren trocken seien, das könne man auch wesentlich früher haben.

Nicht leugnen kann Gojny, dass man es in der Windelzeit mit Stoff weniger komfortabel hat als mit Einwegprodukten. "Man muss natürlich öfter wickeln, aber das ist auch gesünder und hygienischer für das Kind", ist sie überzeugt. "Und es hat ja niemand gesagt, dass Eltern sein leicht ist", sagt sie und schmunzelt. 

In einem Film habe sie erst vor kurzem gesehen, dass es im Sommer 40 Grad Celsius in der Windel geben könne. Das in Kombination mit dem Plastik und Chemikalien könne sich auf die Potenz von Jungen negativ auswirken, erzählt sie. "Alle Eltern wollen das Beste für ihr Kind, aber solche Dinge wissen viele sicherlich gar nicht."

Am Anfang scheue man sich davor, mit Stoffwindeln anzufangen. "Aber alle, die ich kenne und die es dann doch getan haben, meinten ganz überrascht, das sei ja gar kein Hexenwerk", freut sich Gojny.  Eine Stoffwindel bestehe aus einer Überhose und Saug-Einlagen, die zum Beispiel aus Mullwindeln bestehen können. Man brauche fünf bis zehn Überhosen und etwa 30 Einlagen pro Kind. Für unterwegs habe sie Windeltaschen, in die die nassen Einlagen verpackt werden können, bis man zu Hause zum Waschen komme.

Ihre Theorie: "Vielleicht verunsichert viele Eltern, dass sie nicht wissen, wie das mit den Stoffwindeln funktioniert. Aber so anders als mit Einwegwindeln ist es gar nicht." Sie ermutigt dazu, es einfach einmal auszuprobieren. "Man muss ja auch nicht von Null auf 100", sagt Gojny. "Jede Windel am Tag, die man durch den Gebrauch einer Stoffwindel ersetzt, bringt schon etwas."

Es gebe sogar Städte, die Stoffwindeln fördern. "Man kriegt das Geld zurück", sagt sie. Tübingen und Freiburg gehören dazu. "Das würde ich mir auch für Freudenstadt wünschen." Sie jedenfalls, die sich vor ein paar Jahren noch nicht im Traum hätte vorstellen können, mit Stoffwindeln zu wickeln, würde nun um nichts in der Welt mehr auf Einwegprodukte umsteigen.