Gegen einen kleinen Flirt haben Frauen meist nichts einzuwenden. gegen platte Anmachsprüche hingegen schon. Foto: GfÖ Foto: Schwarzwälder-Bote

Ansichten zur von Rainer Brüderle ausgelösten Debatte / Verbale Übergriffe sind keine Seltenheit

Von Hartmut Breitenreuter

Kreis Freudenstadt. Die Sexismus-Debatte, ausgelöst durch eine Aussage des FDP-Fraktionschefs Rainer Brüderle gegenüber einer Redakteurin des "Stern", zieht weite Kreise. Im Kreis Freudenstadt wird sie ganz unterschiedlich gesehen.Der Schwarzwälder Bote fragte Frauen, die in ihrem Beruf oder auch im Ehrenamt viel mit Männern zu tun haben, nach ihrer Meinung und ihren Erfahrungen.

Sexismus war für Sabine Eisele, Pressesprecherin des Landratsamts, noch kein Thema. Hin und wieder gebe es von Männern schon mal Aussagen, "die nicht ganz sachlich sind", sagt sie. "Doch damit gehe ich mit Humor um." Wenn ihr eine passende Antwort einfalle, müsse ihr männliches Gegenüber eben auch damit umgehen. Den Vorfall mit Rainer Brüderle will Sabine Eisele nicht bewerten. "Ich finde, das ist ein wenig hochgekocht." Doch sie lässt keinen Zweifel daran: "Wenn jemand nachhaltig übergriffig ist, muss man ihm auf die Finger hauen."

Sexistische Äußerungen hat Vera Naumann, selbstständige Unternehmensberaterin und Managementtrainerin aus Eutingen-Rohrdorf, selbst schon erlebt. "Solche Bemerkungen als Geschäftsfrau nicht zu erleben ist ungefähr so unwahrscheinlich wie von einem russischen Geschäftspartner keinen Wodka angeboten zu bekommen", weiß die Frau, die viel unterwegs ist. Das Problem sei, dass gewisse Männer keine Grenze ziehen zwischen einem netten Geplänkel, das in der Öffentlichkeit oder auch in Anwesenheit eines Partners stattfinden könnte, und einer plumpen Anmache.

Vera Naumann reagiert nach eigener Auskunft auf solche Situationen mit einer Bemerkung, die das Thema wechselt und zeigt, dass sie durch solche Bemerkungen nicht einzuschüchtern ist. Sie vermeidet auch Situationen, in denen sie solchen Männern begegnet: "Ich versuche, die Idiotenquote in meinem Leben niedrig zu halten". Manchmal gebe sie, beispielsweise wenn sie an einer Hotelbar angesprochen wird, eine Antwort, die den Betreffenden vor anderen Männern lächerlich macht. Schließlich scheut sie nicht davor, auch den Auftraggeber, die Sekretärin oder die Hotelleitung zu informieren, falls es einen Vorfall gab. "Ich rate auch allen anderen Frauen und Männern, das nicht als Kleinigkeit abzutun." Die durch den FDP-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag ausgelöste Debatte hält Vera Naumann "für absolut notwendig", denn auch die Anklage gegen den ehemaligen IWF-Chef Strauss-Kahn habe gezeigt, dass nicht die Rede von einzelnen Ausrutschern sein könne.

Auch Martina Kober, Vorstandsmitglied der Frauenhilfe Freudenstadt, hält die Diskussion für wichtig und gut. Nicht ganz glücklich ist sie aber, dass das Thema jetzt nur an Brüderle festgemacht wird. Frauen, die die Frauenhilfe aufsuchen, so ergänzt Birgit Kluck-Puttendörfer, hätten meist körperliche sexuelle Gewalt erlebt. Doch diese beginne fast immer mit verbalen Übergriffen. Martina Kober weiß, dass Frauen oft nicht wissen, wie sie auf verbale Attacken reagieren sollen. Durch das Verhalten mancher Männer komme das Ungleichgewicht der Geschlechter deutlich zum Ausdruck. Hoffnung und Anliegen der Frauenhilfe sei, dass Männer und Frauen respektvoll miteinander umgehen. Die im vergangenen Sommer gestartete Bierdeckelaktion ziele in diese Richtung und rufe auch zu mehr Zvilcourage auf, so Kober.

Corinna Helfrich ist Veranstaltungsleiterin bei Freudenstadt Tourismus und hat nicht nur mit vielen, sondern oft auch mit prominenten Männern, beispielsweise bei Theatergastspielen, zu tun. In ihren 14 Jahren hat sie noch nie schlechte Erfahrungen gemacht, egal ob die Männer Heiner Lauterbach, Jürgen Prochnow oder Uwe Ochsenknecht heißen. "Je prominenter, desto zurückhaltender", so die Erfahrungen von Cortinna Helfrich. Die derzeitige Debatte hält sie für lächerlich. Brüderles Dirndl-Bemerkung hält sie auch nicht für sexistisch. "Ich kenne viele Frauen, bei denen man sich nicht wundern muss." Denn es komme auch darauf an, wie man sich zur Schau stellt. Freilich ist auch die Veranstaltungsleiterin nicht dafür, das Frauen verbal sexuell angegriffen werden, doch "man muss sich auch wehren oder kontern können und sich nicht ducken und still sein".

Karin Heinzelmann, Sekretärin des Alpirsbacher Bürgermeisters Reiner Ullrich, hat selbst keine "drastischen Erfahrungen" mit verbaler Anmache von Männern. "Doch wenn ist ein Dirndl anhabe, das die Weiblichkeit betont, muss mir das bewusst sein", sagt sie. Die Debatte findet sie ein wenig aufgebauscht und meint, dass man als Frau auch schlagfertig etwas zurückgeben kann.

Ganz ähnlich sieht es Katrin Lippold, stellvertretende Amtsleiterin der Finanzverwaltung der Stadt Dornstetten. "Dass die Sexismus-Debatte für ein so großes Aufsehen sorgt, kann ich persönlich nicht nachvollziehen. Insbesondere als aktive Feuerwehrfrau weiß ich, dass man als selbstbewusste Frau auch mal geschickt kontern muss und vor allem nicht alles zu persönlich nehmen sollte."