Interview: Warum sich selber Kochen lohnt und immer weniger Leute ihren Haushalt führen können

Kreis Freudenstadt. Ursula Keck und Ariana Kleiner zeigen im Kurs "Miteinander Gemeinschaft gestalten, essen und wirtschaften" Arbeitslosen, wie sie für kleines Geld ein gutes Essen auf den Tisch bekommen und mit ihrem knappen Budget besser zurecht kommen. Von ihrem Wissen können aber noch mehr Leute profitieren. Denn die Zahl derer, die überhaupt noch selbst kochen können, nimmt stetig ab. Absurd: dabei gab es noch nie so viele Kochshows im Fernsehen wie heutzutage.

Überall Imbisse und Regale voller Fertigprodukte – lohnt es sich überhaupt noch, selber zu kochen?

Keck: Auf jeden Fall lohnt sich das, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Mahlzeiten selbst zuzubereiten, macht Freude und fördert die Kreativität. Bei guter Planung des Speisezettels und des Einkaufs ist selbser kochen preiswert und gesundheitsförderlich. Lebt man in einer Gemeinschaft, sind gemeinsame Mahlzeiten, wo möglich auch gemeinsam zubereitet, ein ganz wichtiges Element der Kommunikation und Regeneration sowie der Tagesstruktur. Selbst zu kochen, dient also sowohl der körperlichen als auch der psychischen Gesunderhaltung. Kleiner: Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt: Welche adäquaten Alternativen gibt es zum Selberkochen? Sicherlich kann die Außer-Haus-Verpflegung eine gute Alternative sein. Jedoch kann sie auf Dauer das Haushaltsbudget belasten. Selber kochen schont das Haushaltsbudget. Es setzt aber eine gute Planung voraus. Was kommt in der Woche auf den Tisch? Hier können sich alle im Haushalt lebenden Personen einbringen und ihre Ideen äußern. Bei der Planung kann berücksichtigt werden, dass die Reste eines Gerichts für ein neues Gericht verwendet werden können. Oder es wird einfach eine größere Menge gekocht, sodass das Gericht ein zweites Mal in der Woche auf den Teller kommt. Außerdem steigt durch das Selbstkochen die Wertschätzung für Lebensmittel. Die Hürde wird größer, Essen wegzuwerfen. Das schont den Geldbeutel.

Für wie viel Geld pro Person ist es möglich, eine gesunde, leckere und abwechslungsreiche Mahlzeit auf den Tisch zu bekommen?

Keck: Etwa 4,85 Euro pro Tag stehen Menschen für Lebensmittel zur Verfügung, die Arbeitslosengeld II beziehen. Das ist nicht viel. Aber es ist möglich, sich damit gesunde Mahlzeiten zuzubereiten mit viel Gemüse, regionalem Obst und etwas Fleisch. Dieser Betrag zwingt dazu, sehr genau zu überlegen, welche Lebensmittel eingekauft werden können. Es ist aber klar, dass viele Familien in den unteren Einkommensstufen genauso rechnen müssen, ohne Transferleistungen zu beziehen. In unseren Kursen ist es uns deshalb wichtig zu vermitteln, dass es viele regionale Lebensmittel gibt, mit denen abwechslungsreich und lecker gekocht werden kann, ohne ein Gefühl des Verzichts haben zu müssen. Und wir möchten auch Kenntnisse weitergeben, wie das Haushaltsbudget bestmöglich geschont werden kann. Kleiner: Frau Keck hat im Projekt "Miteinander Gemeinschaft gestalten, essen und wirtschaften" mit kleinem Budget von knapp fünf Euro pro Person gekocht. Mit diesem Budget war es durchaus eine Herausforderung zu kochen, die von Frau Keck aber gemeistert wurde. In der Umsetzung des Projekts wurde darauf geachtet, dass Rezepte gewählt wurden, die mit preiswerten saisonalen und regionalen Zutaten, viel Obst und Gemüse und wenig Fleisch gekocht werden können. Insgesamt ist die Ernährung eines Menschen sehr individuell. Daher ist es schwer, monetär zu bewerten, was eine gesunde, leckere und abwechslungsreiche Mahlzeit kostet.

Klientel Ihrer Koch- und Haushaltskurse sind Arbeitslose. Warum?

Keck: Grundsätzlich wäre ein solcher Kurs für viele Personen nützlich. Im Bereich der Arbeitssuchenden bietet er die Möglichkeit, übergreifende Kenntnisse, die für die Lebensgestaltung langfristig wichtig und nutzbringend sind, zu vermitteln. Und ganz wichtig: zu zeigen, dass trotz der Widrigkeiten freudige Erlebnisse selbst generiert werden können durch das gemeinsame Kochen und Essen. Kleiner: Derartige Angebote können einen Beitrag dazu leisten, gesundheitliche Ungleichheiten abzubauen. Dies ist uns ein wichtiges Anliegen. Gerade Arbeitslose sind besonders darauf angewiesen, auf ihre Ausgaben zu achten. Auch besonders im Hinblick auf ein steigendes Armutsrisiko bei der angesprochenen Klientel können daher Unterstützungsangebote hilfreich sein, bei denen Ernährungswissen und praktische Tipps und Tricks für die Haushaltsführung weitergegeben werden, um mit kleinem Budget vielfältig, gesund und nachhaltig zu kochen.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Erwerbslosigkeit und fehlenden Kenntnissen in den Grundlagen der Lebensführung?

Keck: Nein. Mangelnde hauswirtschaftliche Bildung betrifft alle Gesellschaftsschichten. Nur kann sie von gut Verdienenden einfacher kompensiert werden.

Woher rührt es, dass viele Leute heutzutage Hilfe brauchen, um ihren Haushalt auf die Reihe zu bekommen?

Keck: Zum einen daher, dass hauswirtschaftliche Tätigkeiten keinen besonders hohen Stellenwert haben. In den vergangenen Jahrzehnten wurden sie aus den schulischen Bildungsplänen fast gänzlich gestrichen.

Wie gut kann man mit Arbeitslosengeld II über die Runden kommen?

Keck: Nicht gut! Vor allem nicht, wenn der Bezug über Jahre andauert. Dann können keine Reserven mehr aktiviert werden, oft auch hinsichtlich der persönlichen Motivation. Kleiner: Wer länger ohne Arbeit ist, spürt es zweifelsohne im Geldbeutel und auf dem Konto. Daher ist eine gute Planung des Haushaltsbudgets in diesen Lebenslagen essenziell.

Wie sind Sie auf die Idee mit den Kursen gekommen?

Keck: Durch die persönliche Überzeugung, dass hauswirtschaftliche Kenntnisse wesentlich für eine gelingende Lebensgestaltung und Daseinsfürsorge sind. Dazu die Erfahrung aus der Arbeit in der Ernährungsbildung, dass Kenntnisse in der Nahrungszubereitung bei vielen nur noch rudimentär vorhanden sind, trotz allgegenwärtiger Kochsendungen und Rezeptdatenbanken. Dass aber durchaus der Wunsch vorhanden ist, mehr zu können und praktisch zu tun. Kleiner: Ursula Keck gab den Anstoß zu diesen Kursen und zum Projekt "Miteinander Gemeinschaft gestalten, essen und wirtschaften". Mit ihrem beruflichen Hintergrund und anhand ihrer Lebenserfahrung hat sie erkannt, wie wichtig es ist, Alltagskompetenzen in Hauswirtschaft und Ernährung zu vermitteln.

Sie sprachen nach dem ersten Kurs von Aha-Erlebnissen bei den Teilnehmern. Können Sie konkrete Beispiele nennen, wo der Groschen gefallen ist?

Keck: Die Erkenntnis, wie wohlschmeckend unser hiesiges Leitungswasser ist, serviert im Krug mit einer Zitronenscheibe, eventuell ein paar Minzblättern, als Getränk zu den Mahlzeiten, war für die Teilnehmenden wohl die erstaunlichste Erfahrung. Oder auch, wie eine einfache Gemüsesuppe mit einem besonderen Kräutertopping geschmacklich und optisch ohne viel Aufwand "veredelt" werden kann.

Das Leben wird ständig teurer. Wo versickert Ihrer Meinung nach im Privatleben überflüssig Geld und wie lässt es sich sparen?

Keck: Spontankäufe, Einkäufe ohne Einkaufszettel, Einkäufe im Übermaß, weil es gerade ein Sonderangebot gibt. Das sind Geldfresser. Dazu kommt, dass von solchen Einkäufen oft viel verdirbt und im Abfall landet. Also gilt es, das Geld gut einzuteilen und sich auch an diese Einteilung zu halten. Wie das gelingen kann, möchten wir in unseren Kursen transportieren.

 Die Fragen stellte Volker Rath