Bei der Ausstellungseröffnung: (vordere Reihe, von links) Rosemarie Oettling, Renate Völter, Margarethe Wolf mit der Tasche des Heimkehrers, Waltraut Dewitz, (hintere Reihe, von links) Angelika Wenzelburger, Elisabeth Hediger, Archivmitarbeiterin Anja Staubitz, Bürgermeisterin Stephanie Hentschel und Amtsleiterin Petra Weinbrecht. Fotos: Keck Foto: Schwarzwälder Bote

Geschichte: Ausstellung im Heimatmuseum über Erwin W. / Erinnerungskultur als Mahnung

Die Frauengeschichtswerkstatt zeigt im Schweizersaal des Stadthauses in einer Sonderausstellung Ergebnisse ihrer neuesten Nachforschungen. Sie trägt den Titel "Einer von drei Millionen – Ein Freudenstädter in russischer Kriegsgefangenschaft".

Freudenstadt. Die im Blick auf die Lokalhistorie versierten und ambitionierten Forscherinnen Waltraut Dewitz, Elisabeth Hediger, Rosemarie Oettling, Renate Völter, Angelika Wenzelburger und Margarethe Wolf wurden in ihrer Aufarbeitung des Themas unterstützt von Kreis- und Stadtarchivleiterin Karoline Adler sowie den Mitarbeiterinnen im Kreis- beziehungsweise Stadtarchiv Margarete Nübel und Anja Staubitz.

Margarethe Wolf steuerte aus privatem Nachlass die Dokumente über Leben und Schicksal von Erwin W. bei. In konzertierter Aktion brachte die Frauengeschichtswerkstatt das Material in eine publikationsgeeignete Form. Drei Vitrinen sind bestückt mit Anschauungsobjekten. Eine davon, arrangiert von Anja Staubitz, visualisiert das Anliegen des Heimkehrerverbandes, zu dessen Gründungsmitgliedern Erwin W. gehörte.

Eigener Bruder erkennt ihn nicht wieder

Unter Glas auf einem rund sechs Meter langen Tisch finden sich zahlreiche Dokumente aus dem Leben des Freudenstädter Soldaten, Kriegsgefangenen und Heimkehrers. Einen besonderen Stellenwert genießt eine selbst hergestellte Tasche aus Tuch, die Erwin W. aus der Gefangenschaft nach Hause brachte.

Den Zwangsarbeitern in einer Papierfabrik war es erlaubt worden, Reste aus der Produktion zu verwerten. Ihr Inhalt war für Erwin W. besonders bedeutsam: Kleine Geschenke wie Karten oder Schriftstücke zeugen von dem Zusammenhalt, den die Gefangenen in ihrer äußerst bedrängenden Lebenslage an den Tag legten.

Bürgermeisterin Stephanie Hentschel eröffnete die Ausstellung, die vor dem Publikum die "Geschichte eines glimpflich Davongekommenen" ausbreitet. Die Dokumentation zeige, was am Ende geworden sei aus der "Vision des 1000-jährigen Reichs", das die Nazis proklamiert hatten. Eine höchst traurige Tatsache sei, dass auch von den Jahrgängen 1920 bis 1923, darunter auch Erwin W., viele nicht mehr nach Hause zurückgekehrt seien.

Archivleiterin Karoline Adler führte ins Thema ein mit dem Erscheinungsbild des Heimkehrers, der im November 1947 in Eutingen ankam. Der "gezeichnete und ausgemergelte" Mann sei aufgrund seines Zustands zunächst nicht einmal von seinem Bruder, der ihn am Bahnhof abholte, erkannt worden. Erwin W.s Schicksal sei exemplarisch für die drei Millionen Kriegsgefangenen, von denen unzählige die Heimat nie wiedersahen.

Briefe, Dokumente und Karten

Margarethe Wolf hat eine besondere Beziehung zur Ausstellung, weil sie in die private Sphäre hineinreicht. Ihr blieb es vorbehalten, die aussagekräftigen Exponate wie Briefe und Dokumente, Karten und Lebenslauf zu erläutern. In bewegenden Worten schilderte sie unter anderem die Desillusionierung des mit Zuversicht freiwillig in den Krieg gezogenen Erwin W.

Nach einem Einsatz am Westwall wurde er an die Ostfront versetzt, wo er im August 1944 im damaligen Bessarabien in russische Gefangenschaft geriet und in verschiedenen Lagern ums Überleben kämpfte. Der gelernte Kaufmann kam, von Krankheit und Auszehrung gezeichnet, nach Hause, wurde als teilweise berufsunfähig eingestuft und arbeitete zunächst in Ulm, bevor er in Freudenstadt wieder Fuß fasste.

Beruflich stellte sich Erfolg ein, aber das Trauma von Krieg und Gefangenschaft wurde er zeitlebens nicht mehr los. Erwin W. heiratete 1951. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor. 1995 verstarb er. Mit der Dokumentation möchte die Geschichtswerkstatt die Schrecken des Zweiten Weltkriegs, die auch in anderer Weise vielfach aufgearbeitet worden sind, einmal mehr in unruhigen Zeiten ins Gedächtnis rufen und Mahnzeichen setzen.

Die Ausstellung im Schweizersaal des Stadthauses ist bis zum 6. Januar während der Öffnungszeiten des Museums täglich von 10 bis 17 Uhr außer montags zugänglich.