Wird aufgelöst: die Polizeidirektion Freudenstadt. Foto: SB-Archiv

Zuordnung des Kreises bei Polizeireform bringt Überraschung. Moll hält Lösung für akzeptabel.

Kreis Freudenstadt - Gestern wurden die Standorte und regionalen Zuständigkeiten der neuen Polizeipräsidien in Baden Württemberg bekanntgegeben. Das Ergebnis war für Georg Moll, Leiter der Polizeidirektion Freudenstadt, "eine absolute Überraschung".

Aber es hätte, so Georg Moll, für den Landkreis Freudenstadt durchaus schlimmer kommen können: Für den Kreis Freudenstadt ist künftig das Polizeipräsidium Tuttlingen zuständig. Die dem Polizeipräsidium nachgeordnete Kriminalpolizeidirektion für Freudenstadt hat ihren Standort in Rottweil. In die Tat umgesetzt werden soll die Polizeireform samt neuen Flächenzuschnitten und Standorten der Präsidien in den Jahren 2013 und 2014.

Moll freut sich darüber, sagte er im Gespräch mit unserer Zeitung, dass der Landkreis Freudenstadt bei der Zuordnung nicht "zerrissen" und Horb einem anderen Polizeipräsidium zugeschlagen wurde als Freudenstadt. Der "Worst Case" sei somit nicht eingetreten, meinte der Leiter der Polizeidirektion. Moll gibt aber auch zu bedenken, dass der Weg beispielsweise vom Murgtal nach Tuttlingen "eine Weltreise" sei.

"Wege überschaubar"

In Tuttlingen wird die Führungs- und Verwaltungsarbeit und die Grundsatzplanung für das künftige Polizeirevier in Freudenstadt erledigt. Dass der Standort der Kriminalpolizei für Freudenstadt nicht in Tuttlingen, sondern in Rottweil ist, sei eine "gute Lösung", so Moll: "Die Wege zwischen dem Kreis Freudenstadt und Rottweil sind überschaubar." Derzeit haben die Beamten der Kriminalpolizei in Freudenstadt tagsüber normalen Dienst. Abends, an Wochenenden und feiertags gibt es einen Bereitschaftsdienst. Künftig gibt es statt dieser Arbeitsorganisation einen Kriminaldauerdienst in Rottweil. Die Kripo vor Ort ist dann bei Einsätzen nur noch für Sofortmaßnahmen und die Klärung einfacher Sachverhalte zuständig, sagt Moll. Alle anderen, komplizierteren Arbeiten werden von der Kripo in Rottweil erledigt.

Wenn die Führungsaufgaben bei der Freudenstädter Polizei wegfallen, betrifft das natürlich auch einige Mitarbeiter. Welche konkreten Auswirkungen dies hat, stehe noch nicht fest, betont Moll. Grundsätzlich gelte: "Das Personal folgt der Aufgabe." Der Leiter der Freudenstädter Kripo, Rolf Straub, habe wohl keine konkreten Vorstellungen davon, wie es mit ihm weitergeht. Vielleicht, meint Moll, schaut Straub nun, ob er woanders eine entsprechende Aufgabe übernehmen kann. Demnächst werde bei der Polizei im Land ein Interessenbekundungsverfahren initiiert. Dabei sollen zwei Fragen geklärt werden: Wer interessiert sich für was? Wen braucht man wo?

Und was bedeutet die Polizeireform für Georg Moll selbst? Wenn sie erst 2014 umgesetzt wird, ist das für den Leiter der bisherigen Polizeidirektion Freudenstadt "kein Problem: Dann gehe ich in den Ruhestand."

Mit der gestrigen Standortentscheidung zur Polizeireform habe der Landkreis Freudenstadt seine Polizeidirektion verloren, teilte der CDU-Landtagsabgeordnete Norbert Beck mit. Damit verschlechtere sich die Situation noch einmal zu einer bisher diskutieren Lösung am Standort Offenburg. Die Polizeidirektion Freudenstadt werde nur noch ein "kleines Anhängsel" und damit kaum mehr wahrnehmbar sein. Dies lasse sich schon daran erkennen, dass etwa für Baiersbronn-Schönmünzach nachts die Kriminalpolizei in Rottweil zuständig sein werde. Diese unzumutbare Entfernung übertreffe alle bisherigen Spekulationen. "Ich hätte nicht gedacht", so Beck, "dass die grün-rote Landesregierung so unverfroren den ländlichen Raum am ausgestreckten Arm verhungern lässt."

"Ich habe keinerlei Verständnis für diese Entscheidung", teilte Landrat Klaus Michael Rückert mit. "Mir sind die Gründe nicht bekannt, daher fordere ich die Landesregierung auf, diese offenzulegen." Am Telefon verwies Rückert auf Spekulationen, die ihm zu Ohren gekommen seien, die Entscheidung haben mit einem großen leerstehenden Gebäude in der Tuttlinger Peripherie zu tun. "Das darf nicht der Grund sein", betonte der Landrat. Große Gebäude gebe es auch in der Umgebung – "und in Freudenstadt hätten wir auch was Schönes bauen können." Zwischen Freudenstadt und Tuttlingen liege eine Fahrzeit von eineinhalb Stunden.

Freudenstadt verliere mindestens 50 Arbeitsplätze

Schon allein dies belege, dass man nach dieser Reform nicht mehr von einer bürgernahen Polizei sprechen könne, so Rückert. "Ich verstehe nicht, warum die Landesregierung die bewährten Strukturen nicht belässt und die gute und enge Zusammenarbeit zwischen den Orts- und Kreispolizeibehörden und den Polizeidirektionen in vielfältigen Bereichen und gerade im ländlichen Raum auf diese Weise gefährdet." Darüber hinaus verliere Freudenstadt durch diese Reform mindestens 50 Arbeitsplätze. Als Landrat und als Jurist könne er dagegen schon eher nachvollziehen, dass die Kriminalpolizei an den Standort der Staatsanwaltschaft nach Rottweil ziehe.

Gar nicht zufrieden mit den Auswirkungen der Polizeireform für Freudenstadt ist auch Oberbürgermeister Julian Osswald. "Wir haben nach Tuttlingen noch weniger Beziehungen als nach Offenburg", meint er. Er sieht in der neuen Zuständigkeit eine weitere Zersplittung der Region.

"Bei viel gutem Willen", so Osswald, "stellt die Zuordnung zur Staatsanwaltschaft Rottweil den bisher einzigen Anknüpfungspunkt dar." Auch sieht Osswald die eineinhalbstündige Fahrzeit nach Tuttlingen als problematisch an. Für ihn wirft sich die Frage auf, warum Freudenstadt nicht wenigstens Karlsruhe zugeordnet wurde. Hier gehöre man ja ohnehin zum Regierungspräsidium.

Als herben Verlust wertet Osswald den Abzug der Verkehrspolizei, die nach Mitteilung des Ministeriums "vorzugsweise am Standort des Polizeipräsidiums", also voraussichtlich in Tuttlingen, angesiedelt werden soll.

Auch Horbs Oberbürgermeister Peter Rosenberger sieht derzeit nur Nachteile für die Polizei im Kreis Freudenstadt. "Für mich kommt die Entscheidung völlig überraschend. Faktisch ist das eine Verschlechterung." So hätten die Kriminalpolizisten künftig einen viel weiteren Fahrweg zu bewältigen.