Loyalität ohne Kompromisse: OB Julian Osswald weiß, dass ein positives Image von innen kommt und propagiert laut, was man früher oft nur leise hörte: "Wir haben eine tolle Stadt." Foto: Eberhardt Foto: Schwarzwälder-Bote

Quo vadis Freudenstadt? Teil VI und Schluss: Die positive Bilanz von Oberbürgermeister Julian Osswald

Von Tina Eberhardt

Freudenstadt. Manchmal hilft der Blick von außen. Einer, der diesen nutzen konnte, ist Oberbürgermeister Julian Osswald. Als er 2008 den Chefsessel im Rathaus einnahm, war das überarbeitete Leitbild gerade ein Jahr alt. Osswalds Bilanz heute: "Wir sind weiter, als man vermutet."Was Oberbürgermeister Julian Osswald bei Amtsantritt in Sachen Stadtleitbild auf dem Schirm hatte, könnte man als komprimiert bezeichnen. "Ich kannte die Grafik vorne dran."

Leitbilder sind für Osswald etwas, das im Hintergrund wirken muss; Leitplanken für die Arbeit von Politik und Verwaltung. Einen richtigen Schub erhielt der strategische Zielplan nach Osswalds Ansicht bei der Klausurtagung des Gemeinderats 2011. Dort wurden zahlreiche Ideen und Projektvorschläge gesammelt, die nachträglich dem Leitbild zugeordnet wurden. Aus Sicht des Lehrbuchs würde es für diese Vorgehensweise keine Eins geben. Aber sie erwies sich als zielführend. "Die Leute sollten Vorschläge frei entwickeln." Und: Alle Ideen passten unter das Leitbild. Das seinerzeit aufwendig entwickelte Plankonstrukt hat offensichtlich seinen Weg in die Praxis gefunden.

Osswalds Bewertung des Leitbilds fällt – nachdem auch er einen näheren Blick darauf geworfen hatte – entsprechend positiv aus. "Es ist alles drin, was wichtig ist", sagt er. Als er sich um das Amt bewarb, gibt der OB zu, wollte er die Balance zwischen Tourismus und Wirtschaft verschieben. Er fand die Unternehmen unterrepräsentiert. Ratgeber empfahlen ihm jedoch, davon abzusehen. Und bald wusste auch Osswald: "Die Bedeutung des Tourismus für Freudenstadt ist immens." Wissenschaftlich gilt ein Leitbild heutzutage als Ausgangspunkt für Stadtentwicklungsprozesse und Stadtmarketing. In Teilen wird Letzteres bereits nach außen über den Tourismus betrieben. Erfolgreich, wie der OB aus vielen Publikums-Resonanzen weiß. Und nach innen? "Das ist problematisch", bekennt Osswald.

Freudenstädter würden sich und die Welt eher kritisch sehen und ein hohes Beharrungsvermögen zeigen, wenn es darum gehe, sich gegen Veränderungen zu sperren. "Dabei glaube ich, dass die Bürger stolz auf ihre Stadt sind. Sie haben aber Schwierigkeiten, das zu zeigen", vermutet der OB.

Zu Osswalds Handicaps gehören Schüchternheit und Selbstzweifel nicht. Im Gemeinderat ärgert sich der Rathauschef schon mal über abschätzige Kommentare über die eigene Stadt. "Man muss sich überlegen, wie das nach außen wirkt." Und eine seiner ersten Taten war, dem unglücklichen Stadt-Titel mit dem Rotstift den Garaus zu machen. "Heimlich kenne ich nicht, und Nord klingt schlecht und dunkel." Seitdem ist Freudenstadt die "Hauptstadt des Schwarzwalds". In Sachen Innenmarketing sei es aber noch ein langer Weg, räumt Osswald ein. Und zur Frage, wie man diesen angehen könnte, fällt auch dem sonst sehr schlagfertigen Oberbürgermeister keine schnelle Lösung ein. Doch eines weiß er: Die Bürger müssen ihre eigenen Stärken direkt erfahren und wahrnehmen können. "Es ist eine Riesen-Aufgabe, zu zeigen, hier bewegt sich was. Wir sind eine tolle Stadt." Die Bürgermesse bleibt für Osswald daher ein zentrales Thema – als Erlebnis-Marketing nach innen.

Überhaupt steht für den OB die Großartigkeit seiner Stadt außer Frage. Sicherlich gehört das zum Stellenprofil. Aber Osswald weiß auch Konkretes aufzuzeigen. Viele Ideen, die 1996 im Moderationsprozess zum Leitbild dokumentiert wurden, sind inzwischen Realität: Studiengang, Naturpark, S-Bahn-Anbindung und mehr. Besonders in Sachen Stadtentwicklung sei "gigantisch was gelaufen."

Vor einiger Zeit habe eine Bürgerin erklärt, dass sie mit-tlerweile in der Verwaltung das Gefühl habe, dass man ihr tatsächlich helfen wollte. Osswald wird heute noch warm dabei. "Der Bürger als Kunde – wenn das so wahrgenommen wird, dann ist das ein Meilenstein."

Das Fazit in Sachen Leitbild ist für Osswald daher klar: "Wir haben es schon sehr weit gebracht, aber es muss kontinuierlich weiterentwickelt werden." Denn eines sieht nicht nur der OB so: Was Freudenstadt angeht, ist noch richtig Potenzial da.