Der Arzt kassierte seit 2015 "in zahlreichen Fällen" unzulässige Doppelgebühren - jedes Mal rund 43 Euro zusätzlich - für die Feststellung des Todes. Foto: dpa

Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Abrechnungsbetrugs gegen Mediziner ein.

Freudenstadt - Unwissenheit schützt vor Strafe nicht? Manchmal doch. Der Arzt aus dem Raum Freudenstadt, der Hinterbliebenen über Jahre hinweg zu hohe Gebühren für Totenscheine ausgestellt hat, geht straffrei aus. Die Behörden sehen keinen Betrugsvorsatz.

Die Staatsanwaltschaft Rottweil hat das Ermittlungsverfahren gegen den Mediziner wegen des Verdachts des Abrechnungsbetrugs jetzt eingestellt. Zwar habe der Arzt seit 2015 "in zahlreichen Fällen" unzulässige Doppelgebühren - jedes Mal rund 43 Euro zusätzlich - für die Feststellung des Todes kassiert, wie "umfangreiche Ermittlungen" durch die Polizei ergaben. Allerdings kann der Leitende Oberstaatsanwalt Joachim Dittrich keinen vorsätzlichen Betrug im rechtlichen Sinne erkennen. Und dies führe "zur Straflosigkeit".

Kammer soll Ärzte über Rechtslage informieren

Hinterund der Ermittlungen ist die Anzeige eines Angehörigen, dessen beide Elternteile innerhalb eines Jahres in einem Freudenstädter Seniorenheim verstorben waren. In beiden Fällen stellte der betreffende Arzt den Totenschein aus - und die doppelte Abrechnung. Die Debatte um die Arzthonorare ist kein Freudenstädter Spezifikum, sondern bundesweit Dauerthema, seit 20 Jahren allerdings richterlich geklärt.

Warum der örtliche Arzt dennoch doppelt abrechnete, erklärte er laut Beschluss dem Staatsanwalt so: Befreundete Ärzte würden ebenso verfahren; auch die Arzthelferin habe ihm erklärt, dass dies üblich sei. Erst durch die Ermittlungen wisse er, dass eine doppelte Gebühr nur dann zulässig ist, wenn der Patient beim Eintreffen des Arztes noch lebt. Diese Erklärung hält Dittrich für "plausibel und nicht zu widerlegen". Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass sich die Hinterbliebenen beim Arzt beschwert hatten - zumal nicht nachzuweisen sei, dass der Mediziner den Brief überhaupt zu lesen bekommen habe. Zwar hätte der Brief ein Anlass sein können, sich "nochmals zu erkundigen". Dass er das nicht gemacht hat, wertet der Oberstaatsanwalt aber als Fahrlässigkeit. Allerdings werde die Staatsanwaltschaft "den Vorgang zum Anlass nehmen, die Landesärztekammer Baden-Württemberg zu bitten, ihre Mitglieder auf die Rechtslage hinzuweisen".

Ob der Fall damit abgeschlossen ist, muss sich zeigen. Die betreffende Familie hat gegen die Einstellung des Verfahrens Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart eingelegt. Begründet wird die Beschwerde unter anderem damit, dass die Aussage des Arztes "unglaubwürdig" sei, er habe von der Rechtslage nichts gewusst. Die Diskussion über die Methode sei viele Jahre alt. Die Einstellung des Verfahrens sei alleine schon wegen seiner "grundlegenden Bedeutung problematisch". Und wenn, dann hätte es unter Auflagen erfolgen müsse, argumentiert der Kläger - etwa die, dass die Betroffenen die zu viel gezahlten Beträge zurückerstattet bekommen.