Ehemaliges Posthotel Luz in Freudenstadt. Das Gebäude wird vom Landkreis als Flüchtlingsunterkunft genutzt. Foto: Rath

"Nicht gerade ein Anreiz zum Arbeiten": Manchem Kreisrat klappt im Verwaltungs- und Sozialausschusses Kinnlade runter.

Kreis Freudenstadt - Willkommen in Deutschland: Flüchtlinge, die genug eigenes Geld verdienen oder Stütze vom Jobcenter bekommen, müssen für ihre Wohnheim-Unterkunft jetzt deutlich mehr bezahlen. Manchem Kreisrat klappt die Kinnlade runter.

In der Sitzung des Verwaltungs- und Sozialausschusses schluckten einige trocken, als die Verwaltung die neuen Gebühren offenlegte, wie es die Grünen beantragt hatten. Einzelpersonen müssen 350 Euro pro Monat zahlen, selbst wenn sie nur einen Platz im Mehrbettzimmer in einer Sammelunterkunft haben. Bislang wurden zuerst 70 Euro, zuletzt 140 Euro an den Kreis fällig. Eine Familie mit zwei Kindern müsste 915 Euro zahlen.

Die Kalkulation stellte der zuständige Amtsleiter Benjamin Geigl vor. Demzufolge habe der Kreis 2017 rund 4,5 Millionen Euro für Unterkünfte der Flüchtlinge aufgewendet, darin enthalten seien 650 000 Euro für den Wachdienst. Außerdem sei der Wasserverbrauch teils exorbitant in den Einrichtungen.

Laut Verwaltung treffe die Zahlungspflicht vergleichsweise wenige Asylbewerber, der "überwiegende Teil" sei davon befreit. Genaue Zahlen nannte Geigl nicht. Gebühren würden fällig bei einem Einkommen ab 1000 Euro netto. Der Kreis sei dazu verpflichtet, die Vorgabe dazu komme vom Landesrechnungshof. 350 Euro seien angemessen und vergleichsweise günstig.

Hoffmann spricht von Mietwucher

Das sah eine Reihe von Kreisräten anders: Wolf Hoffmann (Grüne) berichetete von einer siebenköpfigen Familie, die in Empfingen lebt und jetzt 1700 Euro zahlen müsse. Dabei miete der Kreis die betreffende Wohnung selbst für lediglich 400 Euro an. Das sei "Mietwucher". Von 1000 Euro netto 625 abgezogen zu bekommen, sei auch kein Leistungsanreiz. Er habe den Eindruck, der Kreis habe "schlecht gewirtschaftet". Selbst Tübingen, wo Wohnen viel teurer sei, habe weitaus günstigere Gebühren. Julian Osswald (CDU) hielt entgegen, wer die Gebühr nicht zahlen könne oder wolle, der könne sich "ja eine andere Wohnung nehmen". Da der Kreistag nichts zu beschließen habe, weil die Vorgabe aus Stuttgart komme, könne man die Debatte sofort beenden.

Geigl erklärte, die betreffende Familie stamme aus Nigeria und habe ohnehin kaum Aussicht, hier bleiben zu dürfen. Was Osswald wunderte: dass Flüchtlinge überhaupt arbeiten dürfen, solange ihr Asylantrag noch nicht entschieden ist. Während die Verwaltung beteuerte, knapp zu kalkulieren und dass das Gebührenmodell "uns keinen Spaß macht", fand auch FDP-Rat Ernst Wolf: "Da muss ich tief durchatmen. Das ist keine Ermutigung, um arbeiten zu gehen." Bärbel Altendorf-Jehle (Frauenliste) bezeichnete die Gebühren als "nicht zumutbar", das Modell sei "ein Irrwitz". Flüchtlinge müssten sich ihr Zimmer teils mit sechs anderen teilen. Die Außenwirkung sei "fatal".

Landrat Klaus Michael Rückert versprach, die Kalkulationen der Nachbarlandkreise anzuschauen, nahm seine Verwaltung aber in Schutz. Sie habe in der Flüchtlingskrise einen tollen Job gemacht, um alle Ankömmlinge unterzubringen. Flüchtlingen werde Schutz, Essen und Unterkunft geboten, wofür sie dankbar sein könnten. Wer arbeite, dem bleibe schließlich noch ein Taschengeld.

Indessen tut sich der Kreis laut Amtsleiter Benjamin Geigl schwer, die Stellen der Integrationsmanager zu besetzen. Es fehle an Bewerbern, zurzeit laufe die dritte Ausschreibungsrunde. Ziel sei es, sieben Vollzeitstellen zu schaffen. Vorteil der kreisweiten Integrationsmanager sei der flexible Einsatz. Sie könnten dort ihre Hilfe leisten, wo Bedarf sei.

Kommenatr: Grundsatzfrage

Von Volker Rath

Eine Verfünffachung der Wohnheimgebühr ist schon hart. Die Erhöhung mag nur einen Teil der Flüchtlinge treffen. Aber eines ist klar: Ein Beschäftigungsprogramm ist das nicht. 350 Euro für Einzelpersonen kann man vertreten. Einer Familie in Empfingen Münchner Preise abzunehmen, geht gar nicht. Sicher, wenn Flüchtlinge den Statuts der Anerkennung erhalten, sieht die Welt für sie anders aus. Aber das kann dauern. Eine abgestuftere Lösung zu finden, sollte deshalb möglich sein.

Grundsätzlich ist es Flüchtlingen zuzumuten, einen Beitrag zum eigenen Auskommen zu leisten. Viele werden dies auch gerne tun, ob nun aus Selbstachtung, Dankbarkeit oder dem simplen Umstand heraus, etwas zu tun, anstatt den Tag totschlagen zu müssen. Allerdings müssen sich Arbeit und Eigenverantwortung lohnen. Daran krankt es oft, und das nicht nur bei Flüchtlingen.