Kreis und DRK streben Mietlösung an. Landratsamts-Neubau vorläufig vom Tisch.
Kreis Freudenstadt - Doppelte Überraschung: Feuerwehren und Rettungsdienste im Kreis Freudenstadt bekommen eine neue Integrierte Leitstelle. Dafür sind Gedankenspiele, die verstreut sitzenden Mitarbeiter des Landratsamts in einem Teil- oder Komplettneubau zusammenzuziehen, erstmal vom Tisch.
Diese beiden Beschlüsse fasste der Kreistag am Montag in einer Sitzung, die aus mehreren Gründen außergewöhnlich war. Die große Runde tagte im Kur- und Kongresszentrum Freudenstadt, um in Corona-Zeiten Abstands- und Hygienevorschriften einhalten zu können. Die Pandemie und ihre Folgen prägten auch die Debatte um Leitstelle und Landratsamt.
Mancher Kreisrat fühlt sich überfahren
Die neue Leitstelle überraschte die Runde offenbar komplett. "Haben wir was verpasst?", fragte Kreisrätin Margarete Rebholz (FDP) erstaunt in die Runde. Die Tatsache, dass ein Umzug überhaupt Thema und die Lösung fertig auf dem Tisch lag, verblüffte auch Dieter Bischoff (FWV) und Peter Rosenberger (CDU). Wenigstens im Ausschuss hätte die Verwaltung das Thema schon mal anreißen können.
Besser informiert schien Michael Ruf (CDU), der anstatt des Landrats die Sitzung leitete und sich schon eine Meinung gebildet hatte. Er sprach von einem "guten Angebot", das der Runde direkt zur Abstimmung vorgelegt wurde (Info). Kreisbrandmeister Frank Jahraus bezeichnete die Lösung als den richtigen Weg. Ohne eine gut ausgestattete Integrierte Leitstelle für Feuerwehren und Rettungsdienste gehe es nicht mehr, alleine schon wegen Großlagen wie jüngst die beiden Winterstürme, von denen es jährlich fünf bis sechs gebe. An der Sinnhaftigkeit gab es aus der Runde keine Zweifel, wenngleich Wolfgang Kronenbitter (FWV) zumindest gerne Vergleichszahlen auf dem Tisch gehabt hätte, was ein eigener Neubau kosten würde. Julian Osswald sprach von "einer Chance", die Stadt Freudenstadt habe für den Klinik-Neubau ohnehin schon die Straße zwischen Klinikum und Gewerbegebiet gebaut. Die Sanierung des Hochhaus-Komplexes, in deren Erdgeschoss die Leitstelle derzeit untergebracht ist, wäre "ein Millionenprojekt".
Zentralisierung vom Tisch
Dass das Thema so plötzlich spruchreif wird, erklärte der Erste Landesbeamte Reinhard Geiser so: Die Idee eines neuen DRK-Rettungszentrums als potenzieller Standort für eine Leitstelle sei vom Tisch, die Zustimmung der AOK als Kostenträger plötzlich eingegangen. "Es war lange nicht klar, ob das klappt. Die Lösung stand auf der Kippe." Bei einer Enthaltung stimmte der Kreistag der neuen Lösung dann zu.
Dafür kassierte die Runde mit Zweidrittel-Mehrheit den Antrag der FDP-Fraktion ein, den Kostenvergleich für eine Zentralisierung des Landratsamts einzuholen. Die Liberalen wollten klären lassen, ob ein wie auch immer gearteter Neubau auf Dauer nicht günstiger sei, als viel Geld in die Sanierung, Aufrüstung und Isolierung alter Gebäude zu stecken, die vom Zuschnitt her ohnehin nicht mehr den aktuellen Anforderungen einer modernen Verwaltung entsprächen. Für 35 000 Euro sei die Planung praktisch zum "Schnäppchenpreis" zu bekommen. Noch einmal wurden die bekannten Argumente ausgetauscht. Wer die Alternativen nicht mal prüfe, habe keine Grundlage für eine bestmögliche Entscheidung, so die Befürworter. Von "verbranntem Geld" für ein "Gutachten für die Schublade" sprachen die Skeptiker. Der Kreis, durch Klinik-Teilneubau und Breitband-Ringleitung hoch verschuldet, könne sich ein neues Landratsamt auf absehbare Zeit sowieso nicht leisten.
Info: Die Lösung für die neue Integrierte Leitstelle
Die jetzige Rettungsleitstelle im Untergeschoss des Krankenhaus-Personalwohnheims wird in naher Zukunft aufgegeben. Stattdessen sollen sich Landkreis und Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes, die die Leitstelle zusammen betreiben, in die neuen Geschäftsräume der Gebrüder Gründler einmieten. Sie planen einen Neubau im Gewerbegebiet Sulzhau, rund 500 Meter vom Krankenhaus entfernt. In zwei Jahren soll es so weit sein. Der Mietvertrag soll eine Laufzeit von 20 Jahren haben, die Miete monatlich rund 6100 Euro betragen. Die Verwaltung bezeichnet den Preis für "marktüblich und angemessen". Die Technik der alten Leitstelle müsse ohnehin ausgetauscht werden. Im Zuge des Krankenhaus-Teilneubaus brauche die bisherige Leitstelle im Personalwohnheim-Hochhaus eine neue Notstrom-Versorgung. Die aktuellen Räume seien mit rund 150 Quadratmetern zu klein geworden. Im Gründler-Gebäude stünde die dreifache Fläche zur Verfügung, auf die Bedürfnisse der Einsatzkräfte zugeschnitten. Durch die Mietlösung spare sich der Kreis die Investition in die Immobilie. Alleine die Technik koste 2,4 Millionen Euro, die sich Kreis und DRK teilen. Rund 200 000 Euro erwartet der Kreis an Landeszuschüssen. Gleichzeitig eingeführt werden soll die Digitale Alarmierung, auf die Einsatzkräfte im Land schon seit Jahren warten. Aktuell koste die Leitstelle 2000 Euro Monatsmiete. Die neue Leitstelle biete Platz für fünf Disponenten, zwei mehr als jetzt.