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OB Juliam Osswald muss am Schmotzigen Donnerstag Schlüssel abgeben. Ausgelassenes Feiern.

Freudenstadt -Tut sie’s, oder tut sie’s nicht? Aber klar doch. Die Freudenstädter Narrenzunft griff beim Rathaussturm am "Schmotzigen" den jüngsten Eklat in der Stadtpolitik fröhlich auf – und noch andere offene Baustellen.

Zunftmeister Karl-Heinz Schau nahm kein Blatt vor den Mund, sondern drei: So viele Zettel waren diesmal notwendig, um auf Fehlentwicklungen hinzuweisen: "Weißtannenturm – noch nicht realisiert. Rappenareal –immerhin der Bau ist generiert. Rathaus-Aufzug – noch nicht realisiert. Eröffnung Freibad – der Pfingsttermin lässt sich nicht halten. Hochschul-Campus – Abrissgenehmigung gerade mal erhalten. Bahnhofstraße – Deckenerneuerung nur halb fertig realisiert." Tja, in Freudenstadt lebe es sich famos. Aber: "Das generelle Anspruchsdenken, das ist hier groß", so Schau. Der arme, verlassene Kurgarten tut den Narren im Auge weh. Eine Lösung hätten sie: "So eine FKK-Wiese, die wäre klasse, und hebt den Garten aus der Masse", sagte der Zunftmeister. Oberbürgermeister Julian Osswald erklärte, dass es an ihm nicht scheitere. Mit Blick zum Himmel erklärte der OB, es sei praktisch der erste Sommertag des Jahres: "Heute kann man den Wintermantel offen tragen."

Die Zunft hatte noch mehr offene Baustellen im Stadtgebiet ausgemacht: Der Kunstrasenplatz am Dobel sei marode, man kicke ja schon "auf dem letzten Kunststoff-Fetzen". Der Streit zwischen Bürgermeisterin Stephanie Hentschel und Stadträtin Elisabeth Gebele konnte nicht unkommentiert bleiben: "Hast Du ein Zicklein dann zu viel im Stall, ja dann kommt’s ganz schnell zum großen Knall. War da am Anfang noch die Freude groß, ganz ungebremst geht’s plötzlich aufeinander los."

Aber nicht nur in der Stadt sei das Anspruchsdenken groß, sondern auch im Landkreis. Der Erste Landesbeamte Reinhard Geiser, den Landrat Klaus Michael Rückert vorgeschickt hatte, wurde von Schau aber geschont. Der Zunftmeister beließ es bei zarten Andeutungen, sprach von "Code K 4777" und davon, dass auch in Ödenwald und Loßburg "die Freude groß" sei.

Ansonsten folgte der Rathaussturm dem Drehbuch: Die Grenzweg-Symphoniker vom Kniebis hielten das Volk bei Laune, die Kienberghexen und andere Narrenfiguren trieben Schabernack mit dem Publikum, die Bärenfänger zerrten den OB, kreidebleich im Gesicht und im Nachthemd gewandet, aus seiner Amtsstube. Nach der symbolischen Übergabe der Schlüsselgewalt zogen die Narren, die nach närrischer Belehrung etwas weiseren Spitzenvertreter der Behörden und ihre Verwaltungsmannschaften ins Rathaus, zum Feiern und zum Kostümwettbewerb. Die Rathaus-Truppe schickte unter anderem ihre Schoko-Bons ins Rennen, das Landratsamt rückte mit den "Grünen Händchen" an – die Damen von der dortigen Personalabteilung, die dort unten alles hegen und pflegen, Landrat inklusive.

Für Narrenvorstand Christoph Hartmann war es der Auftakt zum Abschied: Er stellt sich in der nächsten Hauptversammlung der Zunft nicht mehr zur Wahl. Für seine Arbeit gab es Applaus von der Menge. Den Spendenscheck über 1111 Euro, die Einnahmen vom Zunftmeisterempfang, überreichte Hartmann an den "Fritzen-Franz", vom Stadtseniorenrat. Die Spende ist zweckgebunden für das "Rufauto 60 plus".

Übrigens: Von den rund 600 Beschäftigten des Landkreises kam ein Dutzend. Der Rest arbeite weiter, es sei schließlich "langer Donnerstag" – für die Narren auch.