Zwar trafen sich die Spitzen der Stadtverwaltung und der Bürgeraktion (BA) am Montag im Rathaus. Am Ende kam offensichtlich keine Lösung zustande, die alle Probleme aus der Welt schaffte. Foto: Rollgeiser

Einigungsversuch zwischen Stephanie Hentschel und Stadträtin Elisabeth Gebele scheitert. Mit Kommentar

Freudenstadt - Der Streit zwischen Bürgermeisterin Stephanie Hentschel und Stadträtin Elisabeth Gebele ist offenbar noch nicht bereinigt. Wie es aussieht, weitet sich die Angelegenheit sogar zu einem Machtkampf zwischen Bürgermeisteramt und Bürgeraktion aus.

Freudenstadt reibt sich verwundert die Augen, und im Umland lacht sich mancher Beobachter ins Fäustchen: Der Eklat war zuletzt Gesprächsthema am Rande aller öffentlichen Veranstaltungen in der Stadt. Indessen gab es Versuche, die Sache im kleinen Kreis zu klären. Zwar trafen sich die Spitzen der Stadtverwaltung und der Bürgeraktion (BA) am Montag im Rathaus. Im Acht-Augen-Gespräch – am Tisch saßen laut Stadt neben Gebele und Hentschel OB Julian Osswald und Bürgeraktion-Sprecherin Bärbel Altendorf-Jehle – kam offensichtlich keine Lösung zustande, die alle Probleme aus der Welt schaffte.

Zwei Nächte und den Tag dazwischen hielten sich die am Gespräch beteiligten Seiten bedeckt. Am Mittwoch meldete sich nun die Spitze der Stadtverwaltung offiziell zu Wort. Wer auf ein Wort des Bedauerns oder gar eine offizielle Entschuldigung gewartet hatte, wird enttäuscht. Im Gegenteil: Oberbürgermeister Julian Osswald keilt zurück. "Die Art und Weise des Umgangs mit der Bürgermeisterin und auch deren Rufschädigung kann nicht akzeptiert werden."

Der OB stellt sich dabei nicht nur demonstrativ hinter die Bürgermeisterin, sondern kündigt ab sofort eine harte Linie gegenüber der BA an: "Wir haben falsche Behauptungen und Vorwürfe zu lange im Sinne einer guten Zusammenarbeit unwidersprochen gelassen. Damit ist jetzt Schluss."

Derweil rätselt die Öffentlichkeit über die Hintergründe des Zanks. Passiert ist es beim Vor-Ort-Termin des Gemeinderats-Ausschusses für Infrastruktur und Umwelt am Dienstag voriger Woche. Die Stadträte und Mitarbeiter der Verwaltung besichtigten das neue Ausländeramt der Stadt (wir berichteten). Gebele hakte bei dieser Gelegenheit nach, wie es beim Thema Flüchtlinge nun an der Schnittstelle zwischen ehrenamtlichen Helfern und Verwaltung klappt. Die Debatte zwischen Gebele und Hentschel ging ein paar mal hin und her, dann schaukelte sich das Wortgefecht zwischen Bürgermeisterin und Stadträtin plötzlich hoch. Hentschel rutschte der Ausdruck "große Klappe" raus.

Mehrere Teilnehmer der Sitzung wollen Hentschel so verstanden haben, dass Gebele öfter mal "eine große Klappe" habe; bei der Stadträtin kam was anderes an: Sie solle ihre "große Klappe halten". Elisabeth Gebele forderte eine Entschuldigung der Bürgermeisterin. Zwei Tage nach der Sitzung erklärte die Bürgeraktion in einer Pressemitteilung, andernfalls auch eine Dienstaufsichtsbeschwerde beim Regierungspräsidium Karlsruhe gegen die Bürgermeisterin zu erwägen. Jetzt widerspricht die Stadt "der Darstellung der BA-Fraktion", die Bürgermeisterin habe der Stadträtin "den Mund verboten".

Es war übrigens nicht der erste Fall, in dem es zwischen Stephanie Hentschel und Elisabeth Gebele in einer hartnäckigen Diskussion irgendwann über die Sachebene hinaus ging. Nur einige Monate zuvor kam es in öffentlicher Sitzung im Ratssaal beinahe zum Eklat. Die Bürgermeisterin ließ sich irgendwann resigniert zurück in ihren Stuhl fallen und machte eine lapidare Handbewegung, die Gebele wohl als "Scheibenwischer"-Geste auffasste. Daraufhin fragte Gebele, ob die Bürgermeisterin ihr gerade "den Vogel gezeigt" habe. Hentschel dementierte dies und erklärte später, sie habe die Sache mit Gebele umgehend klargestellt und bereinigt; Gebeles Reaktion auf die Frage, ob das Verhältnis damit wieder unbelastet sei, fiel allerdings einsilbiger aus.

Fraktion: "Opfer wird zum Täter gemacht."

Am Mittwochabend reagierte die Bürgeraktion-Fraktion ihrerseits mit einer Stellungnahme. Sie bezeichnet die Gesprächsatmosphäre am Montag beim Schlichtungstermin als "kontrovers, aber ruhig". Hentschel habe sich bei Gebele "per Handschlag" für den Satz entschuldigt, demzufolge die Stadträtin "gerne mal eine große Klappe" habe. Hentschel hätte im Gegenzug eine Entschuldigung von der Fraktion erwartet – für die Behauptung: "Frau Gebele, halten Sie endlich ihre Klappe." Dem hätten Gebele und Altendorf-Jehle "jedoch nicht nachkommen können". Beide hätten den Satz so verstanden, und darüber hinaus auch Stadträte von SPD, CDU und Freien Wählern. Oberbürgermeister Osswald habe ebenfalls Namen genannt, die die Sichtweise der Stadt stützen. Offensichtlich könne der Vorfall somit "nicht mehr objektiviert werden". Letztlich sei dies auch nicht relevant, so die Fraktion; beide Versionen seien "nicht akzeptabel".

Dennoch werde die Bürgeraktion keine Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen und habe das am Montagabend auch so mitgeteilt. Die erwartete Entschuldigung von Hentschel sei "zwar spät" gekommen, aber "dann doch". Somit hätte die Bürgeraktion "einen Schlussstrich unter die ganze Sache" ziehen können und das in einer gemeinsamen Erklärung dokumentieren wollen. Der OB habe einen anderen Weg gewählt und per E-Mail mitgeteilt, es werde keine gemeinsame Erklärung geben.

Die Fraktion wolle "trotz dieses Vorfalls eine weiterhin gute und konstruktive Zusammenarbeit mit der Verwaltung zum Wohle der Stadt". Ob dies nach der Unterstellung, die Fraktion habe bewusst falsche Tatsachen in der Öffentlichkeit behauptet, noch möglich sei – danach sehe es "nun leider nicht aus". Die Bürgeraktion finde es "schlimm, dass jetzt plötzlich das Opfer zum Täter gemacht" werde.

Info: Der Hintergrund

Im Kern der Debatte geht es um die Zusammenarbeit in der Flüchtlingsarbeit zwischen ehrenamtlichen Helfern und der Stadtverwaltung. Die Bürgeraktion hatte mehrfach angeregt und auch einen Antrag gestellt, mit staatlicher Förderung einen Integrationsbeauftragten als Bindeglied zwischen beiden Seiten einzustellen, wie es beispielsweise Baiersbronn praktiziert. Die Verwaltung hatte erklärt, eine solche Stelle werde nicht benötigt. Der Gemeinderat lehnte den Antrag daraufhin mehrheitlich ab.

Seite 3: Die Stellungnahme der Stadtverwaltung im Wortlaut

Nach einem Acht-Augen-Gespräch zwischen OB Julian Osswald und Bürgermeisterin Stephanie Hentschel sowie den Vertreterinnen der Bürgeraktion (BA), Bärbel Altendorf-Jehle und Elisabeth Gebele, äußert sich die Verwaltungsspitze zu den Ereignissen in der Sitzung des Ausschusses für Infrastruktur und Umwelt am 23. Januar. Darin, so der Vorwurf der BA, soll Hentschel Stadträtin Gebele den Mund verboten haben. Dieser Darstellung widersprechen Osswald und Hentschel vehement und mit Nachdruck.

"Die Art und Weise des Umgangs mit der Bürgermeisterin und auch deren Rufschädigung kann nicht akzeptiert werden." In der in der Presse veröffentlichten Meldung der Bürgeraktion werden die Aussagen von Frau Hentschel bewusst falsch dargestellt und sie damit diskreditiert. Anwesende Pressevertreter haben übereinstimmend berichtet, dass der von der BA unterstellte Satz der Bürgermeisterin gegenüber der Stadträtin nicht gefallen ist. "Der gesamte Vorgang gehört in eine Reihe von Versuchen, die Verwaltung in ein schlechtes Licht zu rücken. Dies wird nicht weiter toleriert."

Im Gespräch am Montag hatte Osswald versucht, eine einvernehmliche Lösung zu finden, diese konnte aber nicht erzielt werden. "Wir haben falsche Behauptungen und Vorwürfe zu lange im Sinne einer guten Zusammenarbeit unwidersprochen gelassen. Damit ist jetzt Schluss. Ich stehe hinter der Bürgermeisterin und verbitte mir falsche Anschuldigen gegenüber Frau Hentschel. Ich kann und will diese ungerechtfertigten Vorwürfe nicht unkommentiert und einseitig stehen lassen. In dieses Bild passt auch, dass es bei der Diskussion um einen Integrationsmanager laut Stellungnahme der BA ausgereicht hätte, auf die dafür zuständige Mitarbeiterin im Rathaus zu verweisen. Genau dieser Verweis wurde von Hentschel sowie dem zuständigen Amtsleiter Christoph Gerber sogar mehrfach getätigt."

Die Stadtspitze verlangt nun eine Rücknahme der Aussagen der BA-Fraktion. Sollte dies nicht erfolgen, so wird das schwer gestörte Verhältnis wohl auf absehbare Zeit belastet bleiben. "Am Ende sollte die BA-Fraktion sich einmal überlegen, um was es in der Zusammenarbeit von Gemeinderat und Verwaltung eigentlich geht. Es geht um die Entwicklung unserer Stadt zum Wohle unserer Bürger. Da ist eine solche Vorgehensweise wenig hilfreich", so Osswald.

Kommentar: Politikum

Von Volker Rath

Zum Streiten gehören immer zwei. Beim Krach zwischen Bürgermeisterin Hentschel und Elisabeth Gebele verhält es sich nicht anders. Gebele kartet als Stadträtin hartnäckig nach, was ihr gutes Recht ist, wirkt dabei aber schon mal ätzend. Die Bürgermeisterin hat sich zum zweiten Mal von ihr zu einer unbedachten Reaktion provozieren lassen. Das ist menschlich, aber nicht sehr abgebrüht und souverän. Die Drohung der Bürgeraktion, eine Dienstaufsichtsbeschwerde zu erwägen, war der erste Schritt, aus einem Lapsus einen Vorgang zu machen. Der OB, jetzt richtig in Fahrt, setzt noch einen drauf. Und so wird aus einer kleinen Stutenbissigkeit plötzlich ein Politikum. Ein Wort des Bedauerns, dass "Klappe" nicht in Ordnung war, und die gegenseitige Zusage, kommunikatorisch abzurüsten – dann hätte man die weitere Nachbereitung getrost den Narren überlassen können.