Mal was Neues ausprobieren? Szene auf dem Wochenmarkt am Freitag. Der HGV Freudenstadt glaubt an die Zukunft des stationären Handels, auch im digitalen Zeitalter – weil nur er die menschliche Nähe herstellen könne. Foto: Rath

HGV findet Investition in Promenadeplatz und Loßburger Straße richtig. Hilfe für Geschäfte.

Freudenstadt - Gemütlich wird das nicht, aber die Investition ist notwendig und wird die Stadt aufwerten. So sieht der Handels- und Gewerbeverein (HGV) Freudenstadt den Umbau von Promenadeplatz und Loßburger Straße, der nach Ostern beginnt. Wir befragten Jochen Gaiser, Vorstandssprecher des HGV, zur Stadtsanierung und den Vorstellungen des örtlichen Handels generell.

Herr Gaiser, was überwiegt beim HGV: das Bauchweh vor dem Start der Großbaustelle oder die Vorfreude aufs Ergebnis?

Insgesamt eher die Vorfreude, denn grundsätzlich befürwortet der HGV alle Maßnahmen, die zu einer Verbesserung der Aufenthaltsqualität in der Innenstadt führen. Daher freuen wir uns, dass durch die Baumaßnahme jetzt die Attraktivität der Loßburger und Straßburger Straße nachhaltig verbessert wird. Auch unsere Mitglieder sehen dies so.

Können Sie die Sorgen der Geschäftsleute in der Loßburger Straße und am Promenadeplatz verstehen?

Natürlich! Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, dass die Besucherfrequenz sowohl im Bereich der Loßburger und Straßburger Straße als auch der Reichsstraße bereits durch den Wegzug des Müller Drogeriemarkts deutlich gelitten hat. Die ansässigen Einzelhändler sprechen von einem Rückgang von mindestens 15 Prozent.

Wie viel Umsatz kostet eine Baustelle dieser Größenordnung?

Nach unserer Einschätzung dürften 20 bis 30 Prozent Umsatzrückgang sicher realistisch sein.

Sind Geschäfte in ihrer Existenz gefährdet durch die Dauer von sieben Monaten?

Die durch den Wegzug von Müller gesunkene Besucherfrequenz dürfte sich in der Baustellenphase sicher noch weiter verstärken, sodass dies für einzelne Händler auch existenzbedrohend werden könnte. Aber: Wir haben im Bereich der Reichsstraße, Loßburger und Straßburger Straße viele inhabergeführte Fachgeschäfte, die in der Vergangenheit gezeigt haben, dass sie durch Flexibilität und Kreativität auch schwere Zeiten bewältigen können. Der HGV wird versuchen, sie hier gemeinsam mit FreudenStadtMarketing nachhaltig zu unterstützen.

Kann ein Baustellen-Marketing das in Teilen auffangen?

Der Vorstand des HGV ist sich dahingehend einig, dass ein Baustellen-Marketing in jedem Fall der sinkenden Besucherfrequenz entgegenwirken kann. Daher unterstützen wir auch den vom Verein FreudenStadtMarketing initiierten Arbeitskreis. Wir glauben, dass es mit einem stimmigen Gesamtkonzept und gezielten Aktionen gelingen kann, die Besucherströme auch während der Baustellenphase in die Loßburger/Straßburger Straße zu leiten. Die Geschäftsführerin von FreudenStadtMarketing, Jana Bonig, hat bereits das Baustellen-Marketing in anderen Städten kennengelernt und konnte daher bereits Erfahrung auf diesem Gebiet sammeln.

Wie könnte eine Strategie dafür aussehen?

Die Baustelle und die ansässigen Unternehmen sollen immer positiv im Gespräch sein. Beim ersten Arbeitskreistreffen haben die Anwesenden viele Ideen gesammelt. Bei den bereits bestehenden Veranstaltungen wie Late-Night-Shopping wollen wir besondere Highlights im Baustellenbereich setzen, aber darüber hinaus auch immer wieder kleine Aktionen starten. Die genauen Maßnahmen werden in der nächsten Arbeitskreissitzung Ende Februar festgelegt.

Wie findet der HGV das Konzept zur Neugestaltung überhaupt?

Der HGV hat stets die Meinung vertreten, dass die Loßburger und Straßburger Straße wieder das Entrée zum Marktplatz werden müssen. Die Verbreiterung der Bürgersteige, die Installierung einer 30-Stundenkilometer-Zone und Schaffung eines Radwegs sind daher sicherlich zu begrüßen. Auch sollte durch die Gestaltung des Kreisverkehrs erreicht werden, Einheimischen und auswärtigen Gästen auf das Verweilen in der Innenstadt noch mehr Lust zu machen. An ein paar Stellen hat das Konzept sicherlich noch Optimierungsbedarf. Hier werden wir das direkte Gespräch mit den Verantwortlichen suchen.

Gibt es Zweifel an der Notwendigkeit der Sanierung?

Die Sanierung ist dringend erforderlich. Die ansässigen Einzelhändler klagen bereits seit Jahren, dass die Aufenthaltsqualität entlang der Loßburger und Straßburger Straße durch zu schmale Bürgersteige und den hohen Verkehrslärm, hauptsächlich ausgelöst durch die marode Straße, stark leidet. Verkaufsgespräche sind aufgrund des hohen Lärmpegels zum Teil nur sehr schwer möglich.

Die Stadt will 2018 ja auch Martin-Luther-Straße, Stuttgarter Straße und Murgtalstraße sanieren. Ist Freudenstadt dann gerüstet als Einkaufs- und Tourismus-Standort?

Der HGV begrüßt die Komplettsanierung der Straßen in der Innenstadt. Auch die Umsetzung des Radwegekonzepts sehen wir positiv. Nach unserer Kenntnis werden hierdurch aber rund 40 Parkplätze in der Innenstadt wegfallen. Der HGV hat daher die Stadt um die Zusendung einer Übersicht der Parkplätze, die im Rahmen des Radewegekonzepts entfallen werden, gebeten. Da bisher nicht bekannt ist, in welchen Bereichen genau Betriebe betroffen sind, ist es uns wichtig, dass die Belange der einzelnen Betriebe auch Gehör finden und im Entscheidungsprozess Berücksichtigung finden können.

Darüber hinaus möchten wir frühzeitig mit den Einzelhändlern vor Ort, der Stadt und FreudenStadtMarketing ein Parkkonzept erarbeiten, bei dem auch die einzelnen Probleme aufgegriffen werden können. Weiterhin fehlt dem HGV ein Gesamtkonzept zur weiteren Entwicklung des Einzelhandels in Freudenstadt. HGV und FreudenStadtMarketing werden daher anregen, in einem Arbeitskreis gemeinsam mit Vertretern der Stadt und den anderen Interessensvertretern wie Dehoga, Handwerk und Vereinen eine Zukunftsvision für Freudenstadt zu entwickeln mit dem Ziel, die Aufenthaltsqualität für Einheimische und Gäste – auch im Hinblick auf den geplanten Tunnel – weiter zu verbessern. Wir glauben, dass der stationäre Handel nur dann eine Zukunft hat, wenn er – auch mit digitaler Unterstützung – Einkaufserlebnisse schafft. Denn gerade im digitalen Raum steigt das Bedürfnis nach mehr menschlicher Nähe – die nur ein stationärer Handel bieten kann.