Gemeinsam mit interessierten und betroffenen Bürgen machten sich Timm Kern (hinten, Mitte) und Jutta Pagel-Steidl (Zweite von rechts) ein Bild zum Thema Barrierefreiheit im Freudenstädter Stadtgebiet. Foto: Eberhardt

Stadtrundgang: Herausforderungen behinderter Menschen vor Ort sind Thema. FDP-Landtagsabgeordneter Timm Kern kommt zum Praxistest.      

Freudenstadt - Wie kommen behinderte Menschen in Freudenstadt zurecht? Der FDP-Landtagsabgeordnete Timm Kern ließ sich auf einen Praxistest einladen – und brachte Expertenunterstützung mit.

Gemeinsam mit der Geschäftsführerin des Landesverbands für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung Baden-Württemberg, Jutta Pagel-Steidl, war Kern der Einladung von Stadtrat Friedrich Volpp (Freie Wähler) gefolgt. Dieser wollte dem Politiker und der Verbandsexpertin bei einer Stadtführung mit betroffenen und interessierten Bürgern die Herausforderungen behinderter Menschen vor Ort nahebringen. Es ging darum, zu zeigen was man schon getan hat – aber auch darum, Rat für Weiteres zu erhalten.

"Freudenstadt bemüht sich sehr", betonte Volpp und zählte einige Projekte auf: mobile Rampen an den Geschäften, barrierefreie Wanderwege oder ein geplanter Flyer, der alle barrierefreien Einzelhandelsangebote auflistet. Aber der Teufel steckt oft im Detail: Auf dem Weg durch die Stadt zeigte sich, dass viele Hilfsmittel in gutem Willen von Menschen entwickelt wurden, die die Anforderungen nicht aus eigener Erfahrung kennen. Etwa bei den mobilen Rampen. Manche sind zu steil oder stehen in einem ungünstigen Winkel, wie Andrea Bangel mit ihrem Straßenrollstuhl am Büro der Stadtwerke demonstrierte.

Reichlich Erfahrung mit dem Denkmalamt

Wieso hier kein stufenloser Eingang gebaut worden sei, fragte Jutta Pagel-Steidl. Das Denkmalamt habe nicht eingewilligt, erklärte Volpp – und traf einen wunden Punkt bei Pagel-Steidl, die im Kampf mit der Behörde reichlich eigene Erfahrungen gesammelt hat. "Ich habe schon Dinge gehört, da bin ich fast vom Stuhl gefallen". Timm Kern versicherte, das Thema als Hausaufgabe mitzunehmen. Dass Barrierefreiheit hinter der Gebäudehistorie zurückstehen soll, sei "gaga", so Kern.

Manche Probleme sind nur mit Geld zu beheben. Beispielsweise die Behindertentoilette am Stadtbahnhof. Rollstuhlfahrer kämen dort wegen der Bauweise nicht hinein, erklärte eine Betreuerin. Im öffentlichen Raum fehlen Leitsysteme im Boden für Sehbehinderte. Beim Stadtbus gibt es zwar eine Rollstuhlrampe, steht aber ein großer E-Rolli drin, kann sie nicht mehr eingefahren werden. Und im Linienbusverkehr wird es noch einige Jahre dauern, bis Barrierefreiheit gegeben ist.

Vieles ist mit kleinem Aufwand möglich

Doch der Anfang sei gemacht, erklärte der VdK-Kreisverbandsvorsitzende und Kreisbehindertenbeauftragte Oswald Zink. Bei Neuanschaffungen achteten die Busunternehmen inzwischen auf Niederflurbusse mit akustischer Haltestellen-Ansage.

Anderes ist mit kleinem Aufwand möglich: Zum Beispiel eine behindertenfreundliche Ampelschaltzeit mit funktionierendem akustischem Signal, eine rücksichtsvollere Platzierung von Werbeschildern oder umfassende Informationsmöglichkeiten.

Diese hatte Jutta Pagel-Steidl im Vorfeld getestet. Sie wollte recherchieren, wo sie als allein reisende Behinderte in Freudenstadt beispielsweise zur Toilette gehen könnte, welches Restaurant aus eigener Kraft zugänglich wäre, wo es barrierefrei nutzbare Freizeitanlagen gibt und welche der überhaupt verfügbaren Informationen auch für Sehbehinderte erfassbar sind. Das Ergebnis fiel durchwachsen aus. "Hier gibt es Luft nach oben", betonte Pagel-Steidl, die vor den Konsequenzen behinderter Gäste warnte. "Wenn ich diese Informationen nicht im Vorfeld finden kann, reise ich nicht hierher."

Auch mit Aufmerksamkeit im Detail könne schon viel erreicht werden, betonten die Teilnehmer. Indem abgesenkte Bordsteine beispielsweise nicht als Parkplatz verstanden werden, die Mülltonne bei der Abfuhr nicht mitten im Gehweg platziert wird, oder beim Schneeräumen darauf geachtet wird, dass der Weg auch breit genug für einen Rollstuhl ist.