Soziales: Zweiter "Fair-Teiler-Station" geht in Betrieb / Gegen Verschwendung

Weitergeben statt wegwerfen: Die europaweite Initiative "foodsharing", um die Verschwendung von Lebensmitteln einzudämmen, kommt auch in Freudenstadt auf Touren.

Freudenstadt. Inzwischen gibt es in der Kernstadt nicht nur zwei große "Fair-Teiler", wie die Regale und Kühlschränke genannt werden, in denen Lebensmittel kostenlos und für jedermann zur Abholung bereit stehen. Vor allem ist die Freude groß über die 70 freiwilligen Unterstützer, "Foodsaver" genannt. Diese Lebensmittel-Retter holen regelmäßig bei Produzenten und Supermärkten überschüssige Waren ab und bringen sie zu den Verteilerstationen.

Nicht alle Abholer sind bedürftig – aber das ist völlig in Ordnung

In einem kleinen Festakt wurde am Samstag der "Fair-Teiler" in der Hohenriederstraße 40 eingeweiht. Jens und Maren Lerch, die als Freudenstädter Neubürger die Idee des "foodsharing" mitgebracht hatten, gaben den Besuchern Informationen. "Foodsharing" sei eine nicht kommerzielle, unabhängige Initiative, die sich dafür einsetzt, die Lebensmittelverschwendung zu stoppen.

Statistisch werde in Deutschland ein Drittel aller Lebensmittel weggeworfen, sei es wegen Überproduktion, wegen kleinster Schönheitsfehler, oder weil das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Die Aktivisten "retten" sie vor der Müllkippe.

Wenn möglich, sollen die Lebensmittel im nahen Umfeld verteilt werden. Denn auch der Transport der Lebensmittel soll möglichst umweltfreundlich erfolgen. Was dann noch übrig ist, wird zu den Verteilstationen gebracht. Alle "Foodsaver" hätten vorab eine Schulung durchlaufen, die unter anderem auch Hygienevorschriften beinhaltete.

Wie sich am Samstag zeigte, sind Regal und Kühlschrank des neuen "Fair-Teilers" gut gefüllt. Neben vielen haltbaren Lebensmitteln wie Nudeln oder Marmelade stehen Früchte, Obst, Gemüse und Backwaren zum Mitnehmen bereit. Hannes Mercker, der den "Fair-Teiler" vor seinem Haus in der Hohenriederstraße aufgestellt hat, ist immer noch erstaunt, in welch großen Mengen die Lebensmittel teils angeliefert werden, vom Kopfsalat bis zum Joghurt.

Was den Kreis der Abnehmer anbelangt, hat Mercker beobachtet, dass die ganze Bandbreite der Gesellschaft zum Abholen kommt; einige davon können in Anbetracht ihrer teuren Autos kaum bedürftig sein. Aber auch das ist laut Meinung der Aktivisten völlig in Ordnung – Hauptsache, die Lebensmittel finden eine sinnvolle Verwendung. Denn vergeudet werden ansonsten nicht nur genießbare Lebensmittel, sondern auch all das, war in die Produktion eingeflossen ist: Dünger, Pflanzenschutzmittel, Wasser, Treibstoff für Anbau und Transport sowie die Elektrizität für die Kühlung der Lebensmittel.

Einschränkungen gibt es dennoch: Hackfleisch und alle Gerichte, die Eier oder Mayonnaise enthalten, dürfen nicht in die "Fair-Teiler" eingestellt werden, Alkohol auch nicht. Alles andere sei aber willkommen – auch überreife Bananen, die sich noch zu Bananenmilch, Kuchen oder Fruchtgetränken verarbeiten ließen. "Die Leute sollen wieder ihre Sinne benutzen. Es geht darum, noch genießbare Lebensmittel zu erkennen, und sich möglichst gesund ernähren."

Wie das gehen kann, zeigen die Aktivisten unter anderem bei Schulungen und Kursen, die sie in Schulen anbieten. Auf Nachfrage bestätigt Lerch, dass sie und ihr Ehemann Jens pro Woche rund 20 Stunden für diese Aktion investieren.