Heilpädagogin Heide Wagner-Aescht hat mit Kollegen der Kinderwerkstatt Eigen-Sinn den Lebensfreude-Kompass entwickelt. Fotos: rt Foto: Schwarzwälder Bote

Soziales: Pädagogische Mitarbeiter der Kinderwerkstatt entwickeln Anleitungen, um mit Krise umzugehen

Die pädagogischen Mitarbeiter der Freudenstädter Kinderwerkstatt Eigen-Sinn haben für die von ihnen betreuten Kinder einen "Kompass der Lebensfreude" entwickelt.

Freudenstadt (rt). Eigentlich war er gedacht für die Wochen des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr, in denen Kinder und Jugendliche aus der Schule – und auch aus der Kinderwerkstatt – ausgesperrt waren. Um den Buben und Mädchen im Alter zwischen neun und 17 Jahren Fingerzeige und Anleitungen anzubieten, wie sie ihre eigenen Sinne, Empfindungen und Gefühle bewusst wahrnehmen, verstehen und damit umgehen können, wurde der Kompass im Baukastensystem entwickelt.

Er bietet Kindern mit kleinen Übungen und pädagogischen Tricks die Möglichkeit, Handlungsschritte zu entwickeln, um die von der Krise ausgelöste Wut und die damit verbundenen Ängste einzuordnen. Daraus sollen sie zu neuen Stärken finden und innere Widerstandskraft entwickeln.

Der Kompass wurde per Post und elektronische Medien den Kindern ins Elternhaushaus geschickt und dann am Telefon mit Eltern und Kindern besprochen. Eigentlich gedacht, um die Coronazeit zu überbrücken, erwies sich die Gemeinschaftsarbeit der Erzieher und Pädagogen als so erfolgreich, dass der Kompass auch in den Sommermonaten beim üblichen Werkstattbetrieb nicht ausgedient hatte.

"Wir arbeiten in allen Gruppen fast täglich mit ihm, viele Kinder fragen schon danach", sagt Heide Wagner-Aescht (50), Heilpädagogin und systemische Trauma-Pädagogin. Sie hatte die Federführung für das Kompass-Projekt der zwölf Eigen-Sinn-Mitarbeiter übernommen. "Wir arbeiten damit, weil es wirklich etwas bringt", sagt die Heilpädagogin überzeugt.

Nach Corona ist eine Ausstellung geplant

Auch jetzt während des zweiten Lockdowns ist der Kompass wieder im Einsatz. In acht Themenfeldern fordert er Kinder auf, über grundlegende Fragen nachzudenken: Etwa: "Wie kommt ein Lächeln in Dein Gesicht?", wie kommt Farbe in Dein Leben?" oder "wie kommt Musik in Deine Ohren?"

Mit spielerischen Übungen wie lächeln vor dem Spiegel, Bilder und Collagen malen, Blumen pflanzen, Lieblings-CD hören oder Tanzen, Schminken, Basteln und vieles mehr nähern sich Kinder den Antworten. Das geht noch besser in der Familie, mit Geschwistern, mit Freunden oder eben in der Gruppe – wenn Gruppenarbeit erlaubt ist.

Kinder und Jugendliche üben spielerisch, sich selbst wahrzunehmen, ihre Gefühle und Handlungen zu verstehen. Sie haben dabei auch die Möglichkeit, in der Kinderwerkstatt (notfalls telefonisch) um Hilfe zu bitten, wenn es mit den Übungen mal nicht so klappt. Zum Beispiel bei der Antwort auf die nicht ganz so leichte achte und letzte Frage: "Wie kommt Deine Hilfe heute zu den Menschen?" Als Anregung ist genannt: "ein freundliches Wort oder eine nette Nachricht". Die Kinder sind angehalten, über ihre Übungen und Spiele einen mitgelieferten Schnellhelfer anzulegen und kreativ zu gestalten. Nach Corona ist eine große Ausstellung zum Kompass der Lebensfreude geplant. Das Projekt zum Stress-Abbau hat über die Kinderwerkstatt hinaus bei Eltern, Erziehern, Lehrern und in Medien breites Interesse gefunden. Inzwischen ist auch ein Kompass für Erwachsene erarbeitet.