Am Scheideweg: Der Kindergarten Dietersweiler steht vor Veränderungen im Sommer. Foto: Rath

Kindergarten Dietersweiler baut Plätze und Personal ab.Teil der Eltern ist sauer. Mit Kommentar

Freudenstadt-Dietersweiler - Einschnitte im Kindergarten Dietersweiler: Zum September werden etwa 15 Betreuungsplätze abgebaut, zwei Erzieherinnen müssen gehen. Die beiden Träger – Stadt und evangelische Kirchengemeinde – begründen dies mit sinkendem Bedarf. Nicht alle Eltern wollen das widerspruchslos hinnehmen.

Das Thema beschäftigt die betreffenden Parteien in Rathaus, Dorf und Kindergarten seit Monaten. Mittlerweile ist klar, wohin die Reise geht (Info). Den Verlust der Nachmittagsbetreuung stellt einige Familien offenbar für organisatorische Probleme. Zu ihnen zählt Jaqueline Weiß (37), seit vier Jahren auch Elternbeirätin. Sie ist sauer, und das nicht nur wegen der fehlenden Nachmittagsbetreuung.

Wenn zwei Erzieherinnen gehen müssten, verlören die Kinder ihre vertrauten Bezugspersonen. Überhaupt sei die Personaldecke künftig so dünn, dass die Qualität der Betreuung leide. "Ich möchte sehen, wie eine Erzieherin mit zehn Kindern alleine künftig zu Waldausflügen geht", so Weiß.

Ihre Sorge: Die Kinder der "Hasengruppe" würden künftig "hin- und hergeschoben", als "Manövriermasse". Was sie wundere, sei die Tatsache, dass die Stadt Einfluss auf die Personalplanung der Kirche nehme. "Es geht hier ganz alleine darum, Personal abzubauen, um Kosten zu sparen", so Weiß. Die Erziehungsqualität spiele "keine Rolle".

Dass es darum geht, Ausgaben zu drosseln, stellt Petra Weinbrecht gar nicht in Abrede. Sie ist Leiterin des Amts für Bildung, Familie und Sport im Freudenstädter Rathaus. Das jährliche Defizit, das die Stadt nach Abzug von Landeszuschüssen und Elternbeiträge für alle Kindergärten trage, liege bei rund fünf Millionen Euro. Auch bei kirchlichen Einrichtungen übernehme die Stadt "den allergrößten Teil des Abmangels". Gleichzeitig komme die Stadt nicht umhin, neue Betreuungsangebote aufzubauen, was ebenfalls Geld koste.

Der Kindergarten Dietersweiler habe schon lange mehr Plätze, als Bedarf im Ort sei. Die Kinderzahlen seien hier rückläufig, in anderen Stadtteilen nähmen sie zu. In der Kernstadt seien die Einrichtungen beispielsweise "sehr gut belegt". Dazu komme, dass die Regelgruppe schon lange nicht mehr die Regel sei. Der Trend bei berufstätigen Eltern gehen klar in eine andere Richtung: eine verlängerte Vormittagsbetreuung, die bei günstigen Elternbeiträgen Halbtagsarbeit ermöglicht, oder gleich eine Ganztagsbetreuung. Das klassische Modell würde hingegen immer weniger nachgefragt.

Darüber hinaus sei es anderen Einrichtungen "nicht vermittelbar", wenn dort gespart werde, sich die Stadt in Dietersweiler aber Überkapazitäten leiste, die auf absehbare Zeit nicht benötigt würden. In Musbach und Grüntal-Frutenhof seien Gruppen geschlossen worden. "Wir bauen Überhänge zügig ab", so Weinbrecht. Im Gegenzug entstünden neue Ganztagsgruppen, etwa im Justinus-Kerner-Kindergarten und im Ringhof, dort auch für Kinder schon ab zwei Jahren. In Freudenstadt gebe es wieder mehr Kinder. "Wir müssen reagieren", so Weinbrecht. Die Stadt bewege sich beim Personalschlüssel meist am unteren Ende.

Nicht glücklich mit dem Abbau ist auch Pfarrer Jochen Weller, kraft Amtes Dienstherr des Kindergartens. "Das findet keiner klasse", sagt er. Dass der Einschnitt im Dorf gerade jetzt kommt, hat Gründe. Die Zeitverträge von zwei Erziehungskräften laufen im Herbst aus, der Personalabbau erfolge damit "sozialverträglich". Weller deutet an, dass die betreffenden Mitarbeiterinnen praktisch nahtlos neue Arbeitsplätze finden, die Nachfrage nach Erzieherinnen gilt derzeit als groß. "Es gibt eine Zukunft für sie", so Weller. Die Kirchengemeinde werde sie auch vorzeitig aus ihren Verträgen entlassen, damit sie gleich in neue Anstellungen wechseln können, wenngleich der Ausfall intern aufgefangen werden müsse.

"Wir sind dabei, dafür eine Lösung zu erarbeiten", sagt Weller. Am Ende hätten alle Beteiligten ein Jahr Vorlauf, um sich auf die Veränderung einzustellen. Seiner Einschätzung nach würde die Mehrheit der Eltern das auch akzeptieren.

Die Kirchengemeinde habe das Thema "stets offen und transparent" behandelt. Ihm sei auch bewusst, dass es am Ende nicht für jeden Einzelfall eine optimale Lösung gebe. Der Wandel lässt ihn auch etwas ratlos zurück: "Als ich und meine Frau hier 2005 angefangen hatten, gab es in Dietersweiler zwei volle Regelgruppen."

Jaqueline Weiß weiß noch nicht, wie sie ihre Kinder ab Herbst betreuen lassen soll. Sie in einen anderen Stadtteil zu geben, möchte sie ihnen nicht antun. "Sonst bricht der Freundeskreis weg, mit dem sie später eingeschult werden", so die 37-Jährige. Im Augenblick sei "alles verrupft".

Kommentar: Gute Gründe

Von Volker Rath

Was ist dabei, wenn Stadt und Kirche Kindergartenplätze abbauen, die keiner braucht? Ein Großteil der Eltern scheint es zu akzeptieren, sie sind auch nicht direkt betroffen. Die Argumentation von Stadt und Kirche ist schlüssig, die der Kritiker jedoch auch. Jede Seite kann gute Gründe für ihren Standpunkt vorweisen. Dietersweiler ist ein gutes Beispiel dafür, wie puzzelig Kindergartenplanung mittlerweile ist – und was anderen Gemeinden im Kreis noch blüht. Bedarf und Angebot passen in vielen Orten nicht zusammen – mal gibt es zu viele Plätze, mal zu wenig, mal die falschen. Das Landratsamt hat die Kommunen aufgerufen, nachzusteuern. Freudenstadt tut es. Einigen Familien in Dietersweiler fehlt künftig die Nachmittagsbetreuung. Wenn es gelingt, ihnen einen Zusatzbaustein anzubieten, dann sollte jedoch eine für alle Seiten verträgliche Lösung möglich sein.

Info: Die Änderung

Derzeit gibt es drei volle Gruppen im Kindergarten Dietersweiler, zwei in kirchlicher Trägerschaft, eine in Regie der Stadt. Das Kindergartengebäude gehört der Kommune. Angeboten werden die Betreuungsmodelle "verlängerte Öffnungszeit" (VÖ) morgens durchgehend bis 13.30 Uhr und die Regelgruppe der Stadt, das klassische Modell: Morgens und nachmittags sind die Mädchen und Buben im Kindergarten, dazwischen gehen sie zum Mittagessen heim. Alle drei Gruppen bleiben erhalten. Allerdings wird die "Hasengruppe" mit bislang 25 Plätzen zur Kleingruppe mit zehn Plätzen reduziert; sie bietet künftig VÖ an, die Nachmittagsbetreuung entfällt. Aktuell besuchen 16 Kinder die "Hasengruppe", sechs wechseln im Herbst an die Grundschule.