Nächste Woche soll das Urteil vor dem Landgericht in Rottweil fallen. Foto: Deck

Gutachter haben bei Vergewaltigungsprozess vor dem Landgericht Rottweil das Wort.

Rottweil/Kreis Freudenstadt - Nächste Woche soll das Urteil gesprochen werden: Bei der Berufungsverhandlung gegen einen 30-Jährigen aus dem Kreis Calw wegen Vergewaltigung am Landgericht Rottweil ging es beim vierten Verhandlungstag um die Gutachten und die Glaubwürdigkeit des Opfers.

In erster Instanz war der Angeklagte im März vom Schöffengericht Horb zu zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Gegen dieses Urteil hatte er mit seinem Verteidiger Michael Doll Berufung eingelegt, da der Angeklagte die Tat nicht begangen habe. Auch Staatsanwalt Frank Grundke legte Berufung ein – die Strafe sei zu niedrig.

Das Opfer aus dem Kreis Freudenstadt hatte im September 2010 einige Tage nach der angeblichen Vergewaltigung auf Betreiben von zwei Freunden Anzeige erstattet. Den Freunden waren Verhaltensveränderungen an der Frau aufgefallen.

Der Angeklagte bestritt die Tat von Anfang an. Er hatte die Frau über das Internet kennengelernt und habe mit ihr zweimal einvernehmlich Sex gehabt. Da er eine feste Freundin hatte, wollte er die Beziehung mit der Internetbekanntschaft wieder beenden. Das wollte diese auch, da sie von der festen Freundin erfahren hatte. In ihrer Wohnung soll er sie laut ihrer Aussage trotz Gegenwehr ins Schlafzimmer getragen und dort gegen ihren Willen mit ihr Sex gehabt haben.

Der Angeklagte schildert das anders: Sie hätten Zärtlichkeiten ausgetauscht, bis ihm wieder bewusst geworden sei, dass er Schluss machen wollte. Daraufhin habe er die Wohnung verlassen. So standen Aussage gegen Aussage.

Einen objektiven Beweis für die Tat gab es nicht. Ein Hoffnungsschimmer in der Beweisführung war ein sogenannter "Screenshot" mit einem indirekten Geständnis des Angeklagten. Doch es stellte sich heraus, dass dieser "Screenshot" nicht als Beweismittel tauglich ist.

Suizidversuch nach der Verhandlung

Ein tragisches Ende hatte ein Prozesstermin im Oktober. Die Frau unternahm am Abend nach der Verhandlung einen Suizidversuch. Dass diesem bereits Mitte August 2011 ein erster vorausgegangen war, wussten weder Richter Wolfgang Heuer noch Frank Grundke von der Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt.

Beim gestrigen Fortsetzungstermin sagte zunächst ein Diplom-Psychologe aus Freudenstadt aus, bei dem die Frau seit Februar 2011 in ambulanter Behandlung war. Die Diagnose: posttraumatische Belastung. Ihm gegenüber habe sie im Dezember 2011 über die Tat gesprochen. Der Psychologe wollte das Landgericht in einem Brief über die Suizidgefahr informieren, der aber erst am Tag der Verhandlung weitergeleitet worden war. Der Psychologe: "Die letzten zwei Jahre waren für sie die Hölle. Sie hatte Angst vor dem Glaubwürdigkeitsgutachten."

Eine Psychologin aus dem Krankenhaus Freudenstadt, die dort als Psychotherapeutin tätig war, berichtete, dass das Opfer am 26. Oktober 2010 eingewiesen wurde. Es litt unter posttraumatischen Verhaltensstörungen. Der Grund sei eine Vergewaltigung fünf Wochen zuvor gewesen.

Die Frau befindet sich nach ihrem Suizidversuch im Oktober diesen Jahres wieder im Krankenhaus. Eine Diplom-Psychologin der Uni Tübingen gab das Glaubwürdigkeitsgutachten ab. Es müsse etwas vorgefallen sein, zeigte diese sich überzeugt, machte aber deutlich, dass sich nicht genau beweisen lasse, was.

Richter Heuer: "Die Richtigkeit der Aussage kann nicht belegt werden. Wie will man einen Sachverhalt mit null Spuren bewerten? Es gelten harte Kriterien bei Aussage gegen Aussage."

Zu den Plädoyers kam es nicht. Die Verhandlung wird mit diesen und dem Urteil am nächsten Mittwoch abgeschlossen.