Bildung: Schüler und Lehrkräfte erleben in Zeiten von Corona ein Wechselbad der Gefühle

Teils katastrophale Internetverbindungen, kein einheitliches Konzept für Digitalunterricht, dafür stetig wechselnde Vorgaben aus dem Kultusministerium: Schulleiter aus der Region Nordschwarzwald vermissten in der Corona-Krise die Grundlagen für eine verlässliche Planung.

Region. Diesen Schluss zieht die SPD-Bundestagsabgeordnete Saskia Esken nach Gesprächen mit den Leitern von Grundschulen, weiterführenden und beruflichen Schulen aus den Kreisen Calw und Freudenstadt. Seit März hätten Schüler, Eltern, Rektoren und Lehrkräfte "ein Wechselbad der Gefühle" erlebt. In den Gesprächen sei deutlich geworden: Jede Schule suche eigene Wege, mit digitalem Fernunterricht, Notfallbetreuung und der schrittweisen Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts umzugehen.

Das liege teils an unterschiedlichen Schularten und -größen. Aber auch Unterschiede bei Einzugsgebieten, verfügbaren Räumen und Zusammensetzung des Kollegiums spielen eine Rolle, teilt das Abgeordnetenbüro mit. Schwachpunkte seien Unterschiede beim Betreuungsangebot und die mancherorts fehlende Ausstattung mit Endgeräten bei Schülern und Lehrkräften, die lückenhafte Breitbandversorgung und fehlende Vorgaben zu datenschutzkonformen Unterrichtsplattformen.

"Die guten Schüler werden besser, die schlechten werden schlechter. Die Schere der Bildungsungerechtigkeit geht massiv auseinander", schilderte Klaus Ramsaier, Schulleiter der Friedrich-Boysen-Realschule Altensteig, die aktuelle Situation. Einige wohnten in Dörfern, in denen das Internet so schlecht sei, dass sie nicht am Unterricht über Videokonferenzen teilnehmen konnten. "Die fehlende Infrastruktur ist eine Katastrophe", so Stefanie Maier, Schulleiterin der Falkenrealschule Freudenstadt.

Immer wieder sprachen die Vertreter der Schulleitungen auch die kurzfristig wechselnden Vorgaben des Kultusministeriums Baden-Württemberg für die Wiederaufnahme des Schulunterrichts an. Iris Joos, Rektorin der Nachbarschaftsgrundschule Betzweiler-Wälde: "Wir haben während der Pfingstferien Pläne für den Präsenzunterricht nach rollierendem System ausgearbeitet und erfahren dann aus den Medien: Wir öffnen alles. Das heißt für uns: wieder neue Pläne, wieder neue Kommunikation mit den Eltern."

Ständig neue Vorgaben

Reinhard Maier von der Rolf-Benz-Schule in Nagold betonte die wichtige Rolle von Lehrkräften in diesen hektischen Zeiten: "Den Kolleginnen und Kollegen gebührt größter Respekt. Besonders bei der Umsetzung der Digitalisierung haben sie tolle Arbeit geleistet. Nach nur drei Wochen stand bei uns die Cloudlösung", so Maier.

Etliche Fragen habe es zur Vergabe der Mittel aus dem Digitalpakt gegeben. Dazu erläuterte Saskia Esken: "Der Digitalpakt ist aufgestockt worden für jetzt notwendige Anschaffungen wie Endgeräte für Schüler. Zudem beteiligt sich der Bund jetzt an den Kosten für Administratoren. Da müssen Profis ran, wenn alle Schüler und alle Lehrer in einem Schulnetz arbeiten." Bisher leisten dies Lehrkräfte, die dafür zwei Entlastungsstunden erhalten. "Das geht so nicht. Im Unternehmen oder im Rathaus macht das auch nicht irgendjemand nebenbei", so Esken.

Nach Abschluss der sechs Telefonkonferenzen schildert Saskia Esken ihre Eindrücke so: "Ich ziehe meinen Hut vor dem außerordentlichen Engagement der Lehrerinnen und Lehrer, die die Weiterführung des Schulunterrichts auch während dieser Pandemie gewährleisten." Aus ihrer Sicht müssten die Kommunikationskanäle zwischen Kultusministerium und den Schulen dringend verbessert werden. Schulen und Eltern bräuchten dringend mehr Planungssicherheit.

Erfreulich sei dagegen die Chance, dass diese Ausnahmesituation "auch als Turbo für den Einsatz digitaler Medien im Schulunterricht" wirken könne. Viele Lehrkräfte zeigten große Bereitschaft, sich auf diese neue Situation einzustellen. Dieser "Riesenschritt nach vorne für die digitale Bildung" müsse genutzt werde, so die SPD-Bundesvorsitzende.