OB Julian Osswald Foto: Hopp

Interview: OB Julian Osswald über die Pläne für das neue Jahr. Anspruchsdenken nervt. Im Sulzhau bewegt sich was.

Beim Hochschulcampus Schwarzwald, für OB Julian Osswald "Jahrhundert-Chance" für Freudenstadt, geht’s bald los. Auch sonst werden 2018 Bagger und Baukräne das Stadtbild prägen. Wir sprachen mit ihm über neue Ziele und alten Ballast.

Herr Osswald, können Sie mit den Raunächten etwas anfangen?

Ich habe den Begriff schon mal gehört.

Die Raunächte waren im Schwarzwald früher eine Zeit der inneren Einkehr und Neuausrichtung. Was würden Sie als OB gerne über Bord werfen?

Hm, dann vielleicht das überbordende Anspruchsdenken, das um sich greift. Ein Beispiel: Die Loßburger Straße wurde vier Tage später fertig als ursprünglich geplant. Gemessen an der Dimension des Sanierungsprojekts ist das ja gar nichts. Die Diskussion in den sozialen Netzwerken dazu war heftig. Tenor: Die Stadt kriegt das mal wieder nicht rechtzeitig fertig. Dabei haben die Bauarbeiter über Wochen lang bei Null Grad Platten verlegt. Da etwas mehr Verständnis, das wäre ein Wunsch. In der Stadt passieren ja so viele Dinge gleichzeitig, da kann nicht immer alles perfekt laufen.

Die 13 Nächte zwischen Heiligabend und Dreikönig sollen auch aufwühlend sein. Gab es etwas, das Sie seelisch hin- und hergeworfen hat?

Och, der ganz normale Wahnsinn eben. Im Internet habe ich ein Video gesehen zum Thema Gaffer bei Unfällen, mit einer wahnsinnigen Pointe am Schluss. Da ist es mir kalt den Rücken runter gelaufen. Respektlosigkeit gegenüber Einsatzkräften wie der Feuerwehr erleben wir hier ja auch. Da fragt man sich manchmal schon: In was für einer Welt leben wir eigentlich? Die Helfer bei uns machen das schließlich ehrenamtlich in ihrer Freizeit.

Bei der Rückschau auf 2017: Was lief gut für die Stadt, was schlecht?

2017 war ein intensives und arbeitsreiches Jahr für die Stadt. Es ist vieles gut gelaufen bei den Baustellen in der Innenstadt wie Bahnhofstraße, Loßburger Straße oder Stuttgarter Straße. Dazu lief es finanziell richtig gut für die Stadt. Am Ende gab es einen einstimmigen Beschluss im Gemeinderat für den Haushalt 2018. Was will man mehr? Schlecht gelaufen ist eigentlich gar nichts. 2017 war ein gutes Jahr.

Was macht die Stadt mit dem Geld aus der gesenkten Kreisumlage?

Den Aufzug am Rathaus bauen. Das steht schon lange auf der Agenda. Der Aufwand wird mit 300.0000 Euro beziffert. Grund für die hohen Kosten: Der Aufzugsschacht stammt aus den 50er-Jahren, moderne Aufzüge passen da nicht mehr rein. Das mussten wir bislang aus finanziellen Gründen immer wieder schieben. Da müssen wir jetzt ran.

Welches sind die drei wichtigsten Projekte für die Stadt in 2018?

Das große Thema ist der Campus, ganz klar. Das ist eine Jahrhundert-Chance für Freudenstadt in jeder Hinsicht. Wenn der Tunnel für die Innenstadt in die Planfeststellung geht, wäre das ein zweiter Riesenschritt. Der Gemeinderat befasste sich damit erstmals im Jahr 1946. Wenn wir da in den nächsten Jahren den Spatenstich erleben könnten, wäre das unglaublich und für mich als OB natürlich sehr reizvoll. Die Chancen dafür stehen derzeit gut wie nie. Drittes großes Thema ist die Schulentwicklung. Die Einwohnerzahl in Freudenstadt steigt, und wir müssen bei der Bildung jetzt nachziehen. Da haben wir in den vergangenen Jahren zu wenig gemacht, ganz klar.

Eine schnelle Fragerunde mit kurzen Antworten: Was ist Stand der Dinge beim Projekt...

Neubau Technisches Rathaus?

... liegt im Moment auf Eis, dafür fehlen uns aufgrund der Fülle von Bauprojekten schlichtweg die Kapazitäten.

Planung Campus?

...die Abrissgenehmigung für das alte Hotel und die Baugenehmigung sind da. Offizieller Baustart soll in den nächsten Wochen sein.

Gartenschau?

...der Masterplan soll in diesem Jahr fertig werden. Heißt: Die Ausschreibung für Planungsbüros für einen Ideenwettbewerb soll raus. Außerdem müssen wir konkretisieren, was Ziel und Ausrichtung der Schau sein soll.

1000-Meter-Turm Kniebis?

...wird dieses Jahr gebaut. Die Planer sind dran.

Wie läuft eigentlich der Flächenverkauf im Gewerbegebiet Sulzhau?

Gut, gut. Zwei Bauvorhaben laufen schon. Wir haben mittlerweile sieben weitere Grundstücke verkauft, die in den nächsten Monaten bebaut werden sollen. Ziel der Stadt ist es aber nicht, das Gebiet möglichst schnell zu vermarkten, sondern sofort Flächen anbieten zu können, wenn ein Investor anklopft.

Gibt es schon Pläne für die ehemalige Feilenhauerei im Christophstal?

Nein, aber Überlegungen. Das war in erster Linie ein Vorsorgekauf, damit die Stadt bestimmen kann, was dort passiert. Die Feilenhauerei steht an der engsten Stelle des Christophstals. Wenn das jemand gekauft hätte, der für die Gartenschau nicht offen ist, wäre das sehr schlecht gewesen. Wir wollen das Gebäude nun sichtbar machen im Zuge der Gartenschau. Es bietet viele Möglichkeiten.

Ist die Stadt beim Sturm vom Mittwoch glimpflich davongekommen?

Einzelne Bäume hat es erwischt. Aber es gab keine größeren Schäden.

Was macht Ihre Gesundheit?

Gut. Ich bin sehr zufrieden.

Sie wollten Ämter abgeben. Was ist passiert?

Ich habe schon einiges reduziert: den Fraktionsvorsitz im Kreistag abgegeben, meine Präsenz als stellvertretender Vorsitzender des Verbands Kommunaler Unternehmen in Berlin reduziert, den Bezirksvorsitz der Kommunalpolitischen Vereinigung abgegeben, ebenso den Sitz im Beirat der AOK. Ich habe jetzt wieder ein gutes Gefühl und nicht mehr das, bloß dem Terminkalender hinterherzuhetzen. Morgens um 4 Uhr aufstehen, in den Flieger nach Berlin, und spätabends wieder heim – das gibt es nicht mehr. Alles, was weit über 100 Prozent hinausgeht, ist weg. Und das ist gut so.

Sie stehen auch weniger in der Öffentlichkeit. Wird das akzeptiert in der Bürgerschaft?

Jein. Aber das ist purer Selbstschutz. Ein Beispiel: Es gibt in Freudenstadt 210 Vereine. Ich kann nicht zu jeder Hauptversammlung selbst gehen. Da bin ich froh, dass Frau Hentschel vieles übernimmt.

Einem Raunacht-Ritual zufolge soll man die Erfüllung von 12 Wünschen und Zielen vertrauensvoll abgeben, um einen Punkt sich selbst kümmern. Welcher wäre das bei Ihnen?

Mein Terminkalender sieht ja bereits freundlicher aus als vorher. Das mit dem Abgeben hat geklappt. Sich selbst drum kümmern, das wäre bei mir auf jeden Fall der Campus. Den würde ich nur sehr ungern aus der Hand geben.