Jetzt ist Zeit für eine muntere Partie am Kicker zu Hause: Georg Grötzinger und Frau Andrea. Foto: Privat Foto: Schwarzwälder Bote

Gesundheit: Georg Grötzinger war mehr als 30 Jahre in Freudenstadt tätig / Mit Semko Aram Nachfolger gefunden

Am Ende ging es ganz schnell. Zur Überraschung aller Beteiligter, auch zur eigenen. Mit "Ich bin dann mal weg..." verkündete zum Jahreswechsel der Allgemeinmediziner Georg Grötzinger (66) seinen Wechsel in den Ruhestand.

Freudenstadt. Dass dieser Tag kommen werde, war dem Arzt spätestens im Januar 2017 klar geworden, als er seine Hausarzt-Praxis in Freudenstadt an seinen Nachfolger Semko Aram übergab, der im Herbst zuvor in seine Praxis eingestiegen war – bereits mit dem Ziel der späteren Übernahme.

Rund um die Uhr für die Patienten da

Seitdem arbeitete Grötzinger verkürzt in der Praxis mit. Ein längerer Auslandsurlaub bestärkte ihn in der Überzeugung, dass es nun genug sei. Zumal er auch von Krankheiten nicht verschont geblieben war. Seine Frau Andrea und er verabschiedeten sich von ihren Patienten, dem Nachfolger und dem Praxisteam mit herzlichen Dankesworten.

Mehr als 30 Jahre lang war Georg Grötzinger Hausarzt in Freudenstadt. Ein "Doktor", der viele Jahre rund um die Uhr für seine Patienten zur Verfügung stand und daran nichts Aufregendes fand: "Das musste einfach so sein, der Hausarzt musste immer erreichbar sein." Erst später, mit Einrichtung der Notdienste, ließ diese ständige Bereitschaft nach, ebenso wie die große Zahl der täglichen Hausbesuche, die noch vor wenigen Jahren morgens, mittags und abends anstanden.

Was aber bis zum letzten Arbeitstag anhielt, war die immer wieder gleiche, selbstkritische Frage, ob er nichts vergessen hat oder ob er jedem Patienten die optimale Behandlung hat angedeihen lassen. Auch im Ruhestand, den Georg Grötzinger jetzt sichtlich entspannt zu genießen lernt, ist er begeistert von der Faszination seines Berufs. "Die Geschichte der Patienten, ihr Leben, ihre Familien haben mich immer interessiert", erzählt er im Gespräch mit unserer Zeitung.

Viele Patienten hat Georg Grötzinger über Jahrzehnte betreut, ist mit ihnen älter geworden, hat deren Kinder als Arzt bis ins Erwachsensein begleitet. "Oft war es wie ein spannender Familienroman". Eigentlich, so hatte es begonnen, wollte der junge Georg Grötzinger Rechtsanwalt werden, so wie sein Vater in Freudenstadt. Doch nach zwei Jura-Semestern in Freiburg dämmerte es ihm: "Das ist nicht mein Ding, das ist mir zu trocken".

Der junge Student wollte "etwas Handfestes, etwas Wissenschaftliches" studieren, wie er sich heute erinnert. Er schwenkte auf die Medizin um, beendete in Ulm sein Studium mit der Promotion. Die Assistenzjahre erlebte er an den Bundeswehrkrankenhäusern in Ulm und Hamburg, lernte die Leiden und Freuden eines Landarztes in Schrecksbach kennen und wollte dann etwas Eigenes auf die Füße stellen.

Zunächst ein Einzelkämpfer

Vor 31 Jahren eröffnete er im elterlichen Haus in der Hofstraße in Freudenstadt seine erste Hausarztpraxis, biss sich als Einzelkämpfer durch. Es war die Zeit der Gemeinschaftspraxen, als auch Grötzinger in einer langen Nacht beschloss, mit Dirk Uffelmann eine Praxisgemeinschaft im Neubau in der Brandströmstraße einzugehen. "Es war die schönste Zeit", erinnert sich der Arzt an die zehnjährige Zusammenarbeit mit seinem Freund, der 2005 aus der Praxis ausschied. Inzwischen hatte Grötzinger nach manch harter Prüfung die Zusatzbezeichnungen als Sportmediziner, für Palliativ-Medizin, als Kur- und Bäderarzt und als Arzt für Naturheilverfahren erworben und hatte als erster Freudenstädter Arzt die Praxis nach der ISO-Norm zukunftsfähig gemacht.

Georg Grötzinger führte seine Praxis mal allein, mal mit Kollegen weiter, ständig auf der Suche nach dem idealen Partner, der schließlich nach unzähligen Annoncen und Kontakten mit Job-Börsen in Semko Aram gefunden wurde.

Viele Gesundheitsreformen und noch mehr Gesundheitsminister hat Georg Grötzinger überstanden. "Gesetzgeber, Kassen und Kassenärztliche Vereinigung (KV) haben die Daumenschrauben immer stärker angezogen", sagt er. Reglementierungen, Budgetierungen, Dokumentationspflichten und wuchernde Bürokratie schränken nach seinen Worten den Arzt immer mehr ein, stehlen ihm Zeit für Patienten.

Das alles ist (fast) vorbei. Grötzinger freut sich auf Familienleben, auf Sport und Reisen, was über viele Jahre zu kurz gekommen sei. Und dann will er mal weitersehen.