Vor dem Landgericht muss sich eine Frau wegen der Misshandlung von Schutzbefohlenen verantworten. Foto: Larisa Lofitskaya/ Shutterstock

Erzieherin weist Misshandlung zurück. 20 Zeugen äußern sich zu den Vergehen.

Kreis Freudenstadt/Rottweil - Schläge mit dem Hausschuh, ein Kopf, der in die Kloschüssel gedrückt wird, ein heißes Bügeleisen auf dem Rücken – die Vorwürfe gegen eine 48-jährige ehemalige Pflegemutter klingen grausam. Wegen 22 Fällen der Misshandlung von Schutzbefohlenen verhandelt das Amtsgericht Rottweil gegen die Frau aus dem Kreis Freudenstadt. Sie bestreitet die Vorwürfe, ließ sich nicht auf den Vorschlag ein, gegen ein Geständnis ein geringeres Strafmaß zu erhalten, um den früheren Pflegekindern die Aussagen zu ersparen.

Das Bild, das sich am zweiten Verhandlungstag gestern nach der Aussage des Polizisten bot, der vor mittlerweile zwei Jahren die vier Jugendlichen – zwei Geschwisterpaare – vernommen hat, passte zur Anklageschrift vom Prozessauftakt. Demnach wäre die heute 19-jährige Auszubildende, die 2010 Anzeige erstattet hatte, quasi Dienstmagd der Pflegefamilie gewesen. Abzuwaschen, das Geschirr abzutragen, die Hunde zu versorgen – das seien hauptsächlich ihre Aufgaben gewesen.

Wie die Schilderung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft hörten sich die Details an, die der Polizist in den Vernehmungen zusammengetragen hat. Für die Pflegekinder galten demnach andere Regeln als für die leiblichen: nächtliches Toilettenverbot, essen im Stehen in der Abstellkammer oder auch die Anweisung, bei Autofahrten den Kopf extrem zu verrenken. Die Aussagen stufte der Beamte dabei als glaubhaft ein. "Die Jungen wollten nichts wissen von der Anzeige", erinnert er sich, dass sie ihr Martyrium eigentlich verdrängt hatten und am liebsten nicht mehr damit konfrontiert worden wären. Nach und nach habe sich das Gesamtbild ergeben.

Die Angeklagte, eine gelernte Erzieherin, reagierte auf die verschiedenen Details mit ungläubigem Kopfschütteln. Und die beiden Rechtsanwältinnen bekamen denn auch von einer Mitarbeiterin des Jugendamts bestätigt: Kinder im fraglichen Alter würden ihre Erlebnisse und Erfahrungen aus der eigenen Familie oder früheren Pflegefamilien übertragen.

Die Landratsamt-Mitarbeiterin zeichnete ein völlig anderes Bild von der Pflegefamilie, der die vier Kinder teilweise bis zu zehn Jahre anvertraut waren, als noch der Polizist. Bei regelmäßigen Besuchen alle paar Monate habe sie den Eindruck erhalten, dass die Angeklagte ein sehr herzliches Verhältnis zu den Kindern gehabt habe.

In Kleinstarbeit ist das Gericht nun aus den Aussagen von annähernd 20 Zeugen den Umständen auf der Spur, unter denen die Kinder gelebt haben. Geschichten, dass sie barfuß auf einen Rost in die Kälte stehen mussten oder auch von sexuellem Missbrauch stehen so den Berichten des Jugendamts gegenüber, dem über Jahre hinweg keine Zweifel gekommen sind, dass die Kinder gut aufgehoben sind. Am 6. Mai wird die Verhandlung in Rottweil fortgesetzt.