Smartphone-Nutzer wünschen sich an jeder Stelle ein gutes Mobilfunknetz. Foto: © Andray Popov / Fotolia.com Foto: Schwarzwälder Bote

Kommunales: Mobilfunkversorgung löst kontroverse Debatte aus

Mobilfunkversorgung ist im Freudenstädter Gemeinderat ein Reizwort. In der jüngsten Sitzung wurde erneut kontrovers diskutiert, ob die Stadt auf die Standorte von Sendeanlagen Einfluss nehmen und somit die Bürger vor Strahlung schützen kann.

 

Fr eudenstadt. Die Stadt befindet sich in einer Art Zwickmühle. Wie Oberbürgermeister Julian Osswald im Gemeinderat erläuterte, wollten die Bürger eine gute Mobilfunkversorgung und der Stadt sei es wichtig, die Strahlenbelastung so gering wie möglich zu halten. Als kommunales Gremium könne der Gemeinderat keine Grenzwerte bestimmen und habe keine Sendeanlagen zu genehmigen.

Bereits 2014 hat der Gemeinderat ein Mobilfunkvorsorgekonzept, das vom EMF-Institut Köln erarbeitet worden war, verabschiedet. Darin ging es unter anderem darum, sich mit den Mobilfunkanbietern bei Standortfragen im Dialogverfahren zu einigen, damit die Sender auf ausgewiesenen Positivstandorten gebaut werden. Wenn dies nicht möglich ist, hielt sich die Stadt das baurechtliche Instrument der Veränderungssperre offen, um Anlagen zu verhindern. Sender für das LTE-Netz sollten nur im Außenbereich der Stadt zulässig sein.

Christoph Gerber, Leiter des Baurechts- und Ordnungsamts, ergänzte, dass die Stadt bei der Standortsuche von Mobilfunkbetreibern mit dem EMF-Institut zusammenarbeitet. Er machte klar, dass bei Veränderungen an bestehenden Mobilfunkstandorten die Stadt nur dann Einfluss nehmen könne, wenn sie als Grundstücks- und Gebäudeeigentümerin betroffen ist. Der überwiegende Teil bestehender Anlagen befinde sich jedoch auf privatem Eigentum. Auf zehn Seiten Beratungsvorlage hatte das Baurechts- und Ordnungsamt auf die rechtliche Lage hingewiesen und dem Gemeinderat einen sieben Punkte umfassenden Beschlussvorschlag (siehe Info) vorgelegt, der die bisherige Beschlusslage den gesetzlichen Bedingungen anpassen soll. Der Beschluss solle klar machen, dass der Stadt der Schutz der Bevölkerung vor Mobilfunkstrahlen wichtig ist, aber sie nur das tun kann, was der Gesetzgeber zulässt, betonte Julian Osswald.

Doch das war der SPD-Fraktion im Gemeinderat nicht genug. Zu Sitzungsbeginn hatte sie einen acht Punkte umfassenden Antrag vorgelegt, in dem es unter anderem hieß, dass eine mobile Kommunikation unter der Erdoberfläche nicht vorgesehen ist, da diese zu einer höheren Strahlenbelastung führe. Ferner sollten Sendeanlagen nur an den ausgewiesenen Positivstandorten zugelassen werden. Falls die Mobilfunkbetreiber dazu nicht bereits sind, sollten Instrumente des Planungsrechts angewendet werden. Christoph Gerber erläuterte, dass es für einen großen Teil der Forderungen der SPD keine rechtlichen Grundlagen gebe und zitierte auch aus Urteilen.

Das tat SPD-Stadtrat Karl Müller auch. Er bemängelte, dass die zehnseitige Vorlage der Stadt zu einseitig sei. Durch Veränderungssperren sei es sehr wohl möglich, Mobilfunkanlagen zu verhindern. Es sei alles möglich, was die Stadtverwaltung Freudenstadt verneine, behauptete Müller und warnte vor der Zukunft: "Es werden Sendeanlagen hinzukommen, die wir heute noch gar nicht für möglich halten." Das Argument "man kann nichts machen" gebe es nicht.

OB Osswald hielt es für "ungeheuerlich", dass die SPD nach einer so langen Vorberatung kurz vor der Sitzung einen neuen Beschlussvorschlag vorgelegt hatte. Die Verwaltung unternehme alles, was im rechtlichen Rahmen möglich sei, versicherte er und bat die Stadträte eindringlich, den SPD-Antrag abzulehnen.

Stadträtin Elisabeth Gebele (Bürgeraktion) zitierte aus einem Beitrag "Mobilfunk und Baurecht" von Christiane Steinmetz, Referentin für Umwelt und Städtebau beim Deutschen Städte- und Gemeindebund, nach dem durchaus Handlungsmöglichkeiten im Baurecht vorhanden seien. Die Zukunft liege in der Kooperation und nicht in der Konfrontation, meinte Gebele und signalisierte Zustimmung zum SPD-Antrag. Es gehe auch nicht um Konfrontation, sondern um die rechtliche Bewertung der Sachlage, antwortete OB Osswald.

Gefühlsmäßig befinde er sich auf der Seite der SPD, bemerkte Stadtrat Wolfgang Tzschupke (Freie Wähler). Offenbar seien aber die rechtlichen Voraussetzungen nicht so einfach wie von Müller dargestellt. Was passieren würde, falls die Stadt doch eine Veränderungssperre verhänge, wollte Stadträtin Daniela Sabjan (SPD) wissen. Die Mobilfunkbetreiber würden klagen und die Stadt wäre schadenersatzpflichtig, entgegnete OB Osswald.

Stadtrat Andreas Bombel (CDU) stellte fest: "Wir sind uns einig, was wir wollen", nämlich die Mobilfunkversorgung mit möglichst wenig Strahlenbelastung. Manche Stadträte befänden sich wohl in einem Dilemma, wem sie glauben sollen. Er selbst appellierte, den Vorschlag der Verwaltung zu beschließen. Nach einem Antrag von Stadtrat Eberhard Haug (SPD) kam es dann zu einer namentlichen Abstimmung, bei der 17 Stadträte gegen den SPD-Antrag und zwölf dafür stimmten. Der Verwaltungsvorschlag fand mit 17 Ja-Stimmen und drei Enthaltungen eine Mehrheit.

Der Gemeinderat Freudenstadt stimmte dem Vorschlag der Stadtverwaltung zur Mobilfunkversorgung zu. Nachfolgend einige Auszüge:

 Die Stadt Freudenstadt will (weiterhin) Einfluss auf den Ausbau der Mobilfunknetze der jeweiligen Mobilfunkbetreiber nehmen. Zielsetzung ist dabei (weiterhin), die für die Bevölkerung zu erwartende Immissionsbelastung (Strahlungsexposition) mög-lichst gering zu halten beziehungsweise zu minimieren. Verwaltung und Mobilfunkbetreiber sollen hierzu im engen Dialog bleiben und diesen pflegen.

 Die Stadt Freudenstadt will weiterhin einen Kontakt zwischen Verwaltung und privaten Grundstücks- und Gebäudeeigentümern pflegen; gerade bei Änderungsabsichten an bestehenden Standorten beziehungsweise Anlagen soll die Verwaltung den Kontakt mit den betroffenen Eigentümern aufnehmen und mit Blick auf das städtische Mobilfunkversorgungskonzept die Rolle, Mitwirkungsbereitschaft und Mitwirkungsmöglichkeit des Eigentümers klären beziehungsweise prüfen.

 Soweit städtische Grundstücke und/oder Gebäude von einer geplanten Neuerrichtung oder von einer Änderung bestehender Mobilfunkanlagen betroffen sind, ist zu prüfen, ob dies vor dem Hintergrund einer Strahlungsminimierung vorteilhaft ist.

 Sowohl bei neuen Standortanfragen als auch bei Veränderungsabsichten an bestehenden Standorten soll auch weiterhin der von der Stadt beauftragte Gutachter mit einbezogen werden. Hierbei ist zu klären, ob es aus Sicht des Gutachters geeignetere Lösungsansätze oder Alternativstandorte gibt.

 Bei der Erschließung oder technischen Erneuerung im Bereich von Baugebieten wird die Stadt Freudenstadt, wie bisher schon praktiziert, darauf hinwirken, dass kabelgebundene Lösungen möglich sind. Insbesondere wird die Stadt Freudenstadt den Ausbau der Breitbandversorgung unterstützen und forcieren.

 Die Verwaltung wird beauftragt, weiterhin im Rahmen des jährlichen und überörtlichen Messprogramme der Bundesnetzagentur Standorte mit sensibler Nutzung zu benennen. Über das Ergebnis der Messung soll im AIU informiert werden.

 Für den Fall dass die Stadt Freudenstadt, vorrangig in den zentralen Innenstadtbereichen, ein freies W-LAN aufbauen wird, sollen im Gegenzug dazu Verträge über die Nutzung städtischer Immobilien für Mobilfunkbasisstationen in den betreffenden Bereichen nicht neu abgeschlossen beziehungsweise verlängert oder inhaltlich im Sinne einer zusätzlichen Sendeleistung verändert werden. Im Falle betroffener privater Immobilien soll auch hier auf die betroffenen Eigentümer zugegangen werden.